Sachsen-Anhalt: Abgehakt.

In der ARD-Wahlberichterstattung benutzte Jörg Schönenborn an seiner elektronischen Wandtafel immer wieder den Begriff „die Kleinen“.

Umgangssprachlich bezeichnet „die Kleinen“ eine Anzahl von Kleinkindern, die Mama und Papa viel Arbeit machen, aber eben auch viel Freude.  Die Borjahns-Esken-SPD gehört ebenso zu den Kleinen, wie die Wissing-Wellsow-Linke, die  Baerbock-Habeck-Grünen und die Lindner-Lindner-FDP. Die Stimmenanteile dieser „Vierer-Verlierer-Kette“ zusammengenommen bleiben immer noch rund um eine 5-Prozent-Hürde hinter Mutti Haseloffs CDU zurück, die sich nun, um im Familienbild zu bleiben, mit zweien von den Kleinen ins Frauenhaus zurückzieht und die anderen beiden der Fürsorge des Jugendamtes überlässt.

Mimimi.

Wenig besprochen wurde in der Wahlberichterstattung der „Demografische Faktor“. Sachsen-Anhalt hat seit 1990 in erheblichem Umfang unter Wanderungsbewegungen zu leiden, deren stärkste und damit richtungsentscheidende Komponente der Wegzug in andere Bundesländer war. Von 2,9 Millionen Sachsen-Anhaltinern im Jahre 1990 ging die Bevölkerung zurück auf 2,2 Millionen im Jahr 2019. Diese Wanderungsbewegung hat auch die Bevölkerungspyramide verändert. Wer wegzieht, weil er anderswo noch eine Chance für sich sieht, ist eher unter 40 Jahre alt, als über 50. Alleine dies erklärt in erheblichem Umfang die geringe Zustimmung zur „Jugendpartei“ Bündnis 90 – Die Grünen und die starke Orientierung  am Gewohnten und Bewährten, also den überwältigenden Wahlsieg der CDU. Insofern sehe ich das Ergebnis der Grünen nicht als ein negatives Vorzeichen für deren Abschneiden bei der Bundestagswahl an, auch nicht als Folge der ungeschickten Lebenslaufgestaltung Annalena Baerbocks, sondern als den absoluten Sockel der Zustimmung zu grünen Positionen, wie er hier unter sehr ungünstigen Umständen sichtbar geworden ist.

Wenig besprochen wurde auch der große, graue Elefant, der sich im Magdeburger Stadtpark zwischen der Elbe und der Alten Elbe breit gemacht hat. Nennen wir diesen Elefanten den „Wählerwillen“, der eindeutig zum Ausdruck bringt, dass die Sachsen-Anhaltiner sich zu etwa zwei Dritteln  (CDU+AfD+FDP) für eine konservative, bürgerlich-liberale Regierung ausgesprochen haben, wohl wissend, dass sie die auf keinen Fall so bekommen werden.

Ein anderer Vergleich sieht LINKE+SPD in etwa gleich stark wie die AfD. Um diese Gruppierungen aber schlicht als linken oder rechten „Rand“ einzuordnen, sind jeweils ein Fünftel der Wählerstimmen einfach zu viel. Es handelt sich in beiden Fällen um ernst zu nehmende Strömungen, deren Vorstellungen in der  künftigen Regierungsarbeit zumindest soweit berücksichtigt werden müssen, dass daraus keine gesteigerte Protestwahlbereitschaft  erwächst.

Die Fortsetzung der Kenia-Koalition mit den von über 90 Prozent nicht gewählten Grünen erscheint daher schon aus taktischen Gründen ausgeschlossen. Viel mehr als die AfD sind die Grünen die in Sachsen-Anhalt ungeliebte Partei. Nachdem nun auch eine Koalition ohne grüne Beteiligung möglich ist, wäre es verwegen, den Grünen gegenüber der FDP oder gegenüber der SPD den Vorzug zu geben. Kenia und Jamaika kommen, um die Wähler nicht vollends zu verprellen, nicht in Frage. Ganz abgesehen davon, dass auch die CDU in Sachsen-Anhalt wohl deutlich lieber mit der FDP als mit den Grünen regieren würde.

Sollte Haseloff die Grünen weiterhin an der Landesregierung beteiligen, kann davon ausgegangen werden, dass dies nur auf massiven Druck der Bundes-CDU zurückzuführen ist, die damit hofft, die schwarz-grüne Option für den Bundestag erhalten zu können, statt gemeinsam mit der AfD in die Opposition gegen eine grün-rot-rote  (Minderheits-) Regierung geschickt zu werden.