Informationsnebel um Weidel und Chrupalla

Um es vorwegzuschicken, ich weiß auch nicht mehr als das, was die Medien berichten.

NACHTRAG, 12.45 Uhr : Inzwischen weiß ich etwas mehr.

Demnach waren die beiden Parteivorsitzenden der AfD unter bislang der Öffentlichkeit weitgehend vorenthaltenen Umständen an den geplanten Wahlkampfauftritten in Mödlareuth (Weidel) und Ingolstadt (Chrupalla) verhindert. 

Bei Alice Weidel war es die schweizer Kriminalpolizei, die nach einem „sicherheitsrelevanten Ereignis“ und/oder ernstzunehmenden Hinweisen auf einen Anschlag auf Frau Weidel und ihre Familie, die Evakuierung aus der Wohnung vorgenommen und Frau Weidel an einem sicheren Ort untergebracht hat. Zwischen diesem sicheren Ort und dem Aufenthalt von Weidel auf Mallorca klafft eine Lücke in der Berichterstattung, die mit unterschiedlichen Erzählungen und Vermutungen nur notdürftig bis gar nicht gefüllt ist.

Bei Tino Chrupalla gab es – so weit stimmen die Schilderungen überein – vor seiner Wahlkampfveranstaltung, den Fotos nach zu urteilen im Freien, nach verschiedenen anderen Berichten allerdings  „hinter der Bühne“, mindestens zwei Personen, die mit Chrupalla Selfies aufgenommen haben. Kurz danach spürte er Schmerzen im Oberarm, wenig später fühlte er sich gar nicht mehr gut, ist dann wohl zusammengebrochen, wurde – irgendwie – erstversorgt, dann mit dem Krankenwagen in die Klinik gebracht, wo er – entweder ansprechbar oder aber im Koma liegend, intensivmedizinisch behandelt oder beobachtet wurde. Inzwischen konnte er das Krankenhaus wohl wieder verlassen. Unzweifelhaft, das haben die Mediziner und die Staatsanwaltschaft bestätigt, gab es da, wo Chrupalla den Anfangsschmerz verspürte, eine Hautirritation, die einmal als leichte Rötung, einmal als leichte Schwellung bezeichnet wurde, während andere Quellen aus dem nichtmedizinischen Spektrum eine Einstichstelle und einen damit korrespondierenden kleinen Blutfleck am Hemd entdeckt haben, und darüberhinaus von einem anaphylaktischen Schock gesprochen haben.

Halten wir vorläufig fest:

Beide Politiker konnten ihre letzten Wahlkampftermine vor den Wahlen in Bayern und Hessen nicht wahrnehmen.
Beide Politiker sind offenbar (wieder) wohlauf, bzw. befinden sich nicht mehr in akuter Gefahr.

In meinem Langzeitgedächtnis taucht der Name Andreas Hollstein auf.

Mit hohem medialen Wellenschlag war damals darüber berichtet worden,

dass der Bürgermeister von Altena, CDU, im November 2017 einen Angriff mit einem Messer mit 30 Zentimeter langer Klinge überlebte.

Dies im zumindest zeitlichen Zusammenhang mit seiner Entscheidung, weitere Flüchtlinge nach Altena zu holen und sie dort in leerstehenden Wohnungen unterzubringen. Nach meiner Erinnerung waren die Medien tagelang voll von diesem schrecklichen, menschenverachtenden Anschlag, bis dann die ersten Fotos von Hollstein mit einem Pflaster am Hals auftauchten, und die Berichte soweit an Klarheit gewannen, dass ihm ein Asylbewerber in einem Dönerladen dieses Messer zwar an den Hals gehalten hatte, bis er sich mit Hilfe des Dönerladenbesitzers befreien konnte, dass ihm aber nichts weiter passiert war, als eben ein kleiner Kratzer am Hals, den zu überleben keine große Kunst gewesen sein dürfte. Danach flaute die Berichterstattung merklich ab, was aber Deutschlandfunk-Kultur nicht daran hinderte, am 3. Januar 2020 noch einmal die Formel „Überlebte im November 2017 einen Messerangriff: Andreas Hollstein (CDU)“ als Bildunterschrift für das „Pflasterbild“ einzusetzen.

Die Parallelen stellen sich, wenn man nur genügend abstrahiert, wenn auch seitenverkehrt, so dar:

Hollstein: Es hat einen Vorfall gegeben. Der Vorfall wurde von den Medien zunächst unvollständig dargestellt, um Empörung zu verstärken. Hollstein hat den Täter als Werkzeug dargestellt und den Hass in der Gesellschaft, vor allem in den sozialen Medien, als Auslöser für die Tat in den Vordergrund gestellt.

Weidel/Chrupalla: Es hat einen Vorfall gegeben. Der Vorfall wurde von den Medien zunächst unvollständig dargestellt, um Empörung kleinzuhalten. Die AfD stellt, mangels greifbaren Tätern, den Hass in der Gesellschaft, der von der politischen Konkurrenz gegen die AfD geschürt wird, als Auslöser für die Tat in den Vordergrund und benennt die Antifa, die sich mit ihrem Mordaufruf gegen AfD-Politiker allerdings selbst ins Schussfeld gerückt hat, als wahrscheinlichen Urheber. 

Nimmt man die bekanntgegebenen Ermittlungserfolge der deutschen Behörden im Geschehen um die Nordstream-Pipelines zum Maßstab, werden wir wohl auch über die Erkenntnisse der schweizer Kriminalpolizei und über die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Ingolstadt nicht mehr viel zu hören bekommen. Bei Weidel könnte das Ergebnis aus geheimdienstlichen Gründen für immer geheimgehalten werden müssen, und bei Chrupalla würde ich mich nicht wundern, wenn als Ergebnis ein Bienen-, Wespen- oder gar Hornissenstich als wahrscheinliche Ursache für sein temporäres Unwohlsein angenommen werden würde.

Mit etwas Lebenserfahrung kann man sich nun getrost zurücklehnen und zusammenfassend erkennen:

Es handelt sich um Vorfälle, die sich – gerade im Vorfeld einer Wahl – von beiden Seiten zum eigenen Vorteil instrumentalisieren lassen. Also findet genau dies statt. Das Geschick in der Auswahl der Informationen und deren Dramatisierung oder Verharmlosung entscheidet, wie beim Fernseh-Duell der Spitzenkandidaten, darüber, wer als Gewinner vom Platz geht. Nach der Wahl wird alles ebenso der Vergessenheit anheimfallen, wie die Messerattacke auf Herrn Hollstein.

Es ist business as usual, und jeder Anlass, einen Gegner zu beschädigen oder sich als Opfer zu inszenieren, wird wahrgenommen. Dass es dabei längst nicht mehr darauf ankommt, wie die Dinge wirklich liegen, was sich tatsächlich ereignet hat, wirft allerdings ein recht ungünstiges Licht auf die allseits weit fortgeschrittene Verrohung im Umgang der Deutschen und ihrer Politiker untereinander.

Hoffmann von Fallersleben wird sich vermutlich schon länger im Grabe umdrehen, und das nicht nur wegen des hier verlinkten Wikipedia-Eintrags.