Dummheit, Zufall, Verschwörung

PaD 38 /2023 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 38 2023 Dummheit, Zufall, Verschwörung

Es gibt Fragen, an denen sich viele Menschen abarbeiten, ohne zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen. Einige geben solche Fragen dann weiter, manche an mich.

Gestern habe ich wieder einmal eine solche Frage in meinem Posteingang gefunden.

Wir diskutieren seit 1,5 Jahren auf zwei gedanklichen Schienen:
Schiene 1 = Putin ist der Gute, denn er verteidigt die multilaterale Weltordnung, Schiene 2 = Alle Staaten stecken unter einer Decke, Putin, EU, USA, usw. spielen uns ein Spielchen vor.Unsere Wahrnehmung tendiert eher zu Schiene 2, wenngleich immer noch unzählige Unwägbarkeiten die Meinung auf wackeligen Füssen halten.Meine banale, aber nicht leicht zu beantwortende Frage an Sie: Was denken Sie, stecken ALLE unter einer Decke?Ich würde mich sehr über Ihre Einschätzung „zur Lage“ (:-) freuen.

Ich nehme das gerne zum Anlass, meine Einschätzung dazu öffentlich zu machen. Der folgende Text enthält im Kern das, was ich dem Fragenden direkt geantwortet habe. Für diesen Paukenschlag fasse ich die Argumentation allerdings um einiges weiter.

Das Verhalten von Menschen ist nie detailliert vorhersagbar, doch folgt es immer bestimmten grundsätzlichen Regeln. Gleichgültig ob an der Spitze von Organisationen oder in den darunter liegenden Hierarchie-Ebenen, gleichgültig ob in Parteien, Vereinen, Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Religionsgemeinschaften, ob beim Militär oder im Studentenwohnheim:

Menschen versuchen,
ihre Wünsche und Träume zu erfüllen,
ihre Vorstellungen zu realisieren.

Sie stoßen dabei schnell auf Hindernisse und entwickeln Werkzeuge, die geeignet erscheinen, diese Hindernisse zu überwinden. Sie entdecken, dass es neben dem eigenen Engagement und den eigenen Fähigkeiten auch die Möglichkeit braucht, andere Menschen dazu zu bewegen, die eigenen Ziele tätig zu unterstützen. Die Möglichkeit, andere Menschen im eigenen Sinne zu beeinflussen, stellt immer eine Form von Macht, bzw. Machtausübung dar. Damit ist zwar schon viel gewonnen, doch es müssen auch die materiellen Voraussetzungen, die Ressourcen beschafft werden, was zusätzlich den Besitz, bzw. den Erwerb von Geld erfordert.

Der Ausdruck „eine Form von Macht“ bedarf noch einer Erläuterung. Nur zu gerne werden Macht und Gewalt gedanklich gleichgesetzt. Dabei sind die Anwendung oder die Androhung von Gewalt die primitivsten Formen der Macht, das letzte Mittel, zu dem nur jene greifen müssen, die zu beschränkt sind, um andere Formen der Machtausübung anwenden zu können.

Kompetenz, Vertrauen, Gerechtigkeit, drei Beispiele, um das weite Feld der Formen der Macht nur anzureißen, müssen auch in Betracht gezogen werden. Es geht um Führung, und Führungsfiguren. Menschen, deren Kompetenz unbestreitbar sichtbar geworden ist, deren Zusagen und Versprechen sich ebenso als wahr erwiesen haben, wie ihre Prognosen und Einschätzungen künftiger Entwicklungen, gewinnen das Vertrauen ihrer Mitmenschen, ebenso jene, deren Handeln und Entscheidungen einen tiefen Sinn für Gerechtigkeit erkennen lassen. Solchen Menschen wächst ihre Macht aus den Eigenschaften ihrer Persönlichkeit zu. Es handelt sich um Formen der persönlichen Autorität, deren Wirken jedoch nicht als „autoritär“ wahrgenommen wird. Je mehr dieser Eigenschaften in einer Person vereinigt sind, desto stärker ist ihre Macht, andere Menschen dazu zu bewegen, die eigenen Ziele tätig zu unterstützen. 

Neben diesen eher positiv konnotierten Formen der Macht gibt es allerdings auch solche, die eher negativ beurteilt werden. Es handelt sich dabei um alle Formen der Werbung, der Verführung, des schönen Scheins, aber auch um die Kunst, sich Menschen durch Ängste gefügig zu machen.

Ich will versuchen, dies alles an einem einzigen Beispiel erkennbar zu machen.

Der Deutsche Fußballbund  und der DFB Pokal.

Alle Jahre wieder spielen die Mannschaften der dem DFB angeschlossenen Vereine um die deutsche Meisterschaft. Am Ende nimmt eine Mannschaft im Berliner Omlympia-Stadion als Sieger den Pokal in Empfang und trägt ihn nach Hause, um ihn stolz den jubelnden Fans zu präsentieren.

Stecken die alle unter der gleichen Decke
und spielen uns ein Spielchen vor,
zur Durchsetzung ihrer Interessen?

Ja. Natürlich gibt es die gemeinsame Decke, unter der alle stecken. Das ist der DFB. Wenn wir allerdings die Decke lüften, finden sich da der DFB-Präsident und sein Stab, die mit der Organisation des Fußballspielens in Deutschland ihren Lebensunterhalt verdienen, sowie eine große Zahl rivalisierender Mannschaften, samt  deren Sponsoren und Fangemeinden, eingeteilt in mehrere Qualitätsklassen, kaum anders als wir es von den Champignons in der Gemüseabteilung des Supermarkts kennen.

Anders als die Champignons, die ja bereits tot sind, verfolgen die Fußball-Champions in allen Ligen allerdings noch ihre Ziele, die sich grob klassifizieren lassen, in das

  • Minimalziel „nicht absteigen, den Klassenerhalt schaffen“ und das
  • Maximalziel „Aufsteigen in die nächsthöhere Liga, bzw. Zugang zu den internationalen Wettbewerben bekommen“.

Bei dieser Gleichartigkeit der Interessen darf jedoch nicht übersehen werden dass es sich bei allem, was unter der gemeinsamen Decke versammelt ist, keineswegs um unwandelbare monolithische Blöcke handelt. Im Gegenteil!

  • Es soll vorkommen, dass Spieler von einem Verein zum anderen wechseln, teils, weil sie es selbst wollen, teils weil sie von ihrem Verein verkauft oder verliehen werden.
  • Es soll vorkommen, dass Trainer hier entlassen und dort wieder eingestellt werden.
  • Es soll vorkommen, dass Ergebnisse zu Gunsten Dritter – die Sportwette lacht – oder zu Gunsten anderer Mannschaften beeinflusst werden, wozu sowohl Spieler als auch Schiedsrichter beitragen können.
  • Es soll vorkommen, dass die Regeln des DFB verändert  werden.
  • Es soll vorkommen, dass die Verteilung der Einnahmen aus Übertragungslizenzen verändert wird.
  • Es soll vorkommen, dass nach einer Spielunterbrechung – der Fairness halber – der Ball der gegnerischen Mannschaft überlassen wird.

Die Aufzählung möglicher Vorkommnisse ist längst nicht vollständig. Dem gegenüber ist die Aufzählung der grundsätzlich, immer und überall vorzufindenden Bestrebungen übersichtlicher.

  1. Es ist immer und überall so, dass versucht wird, eine möglichst große Fangemeinde an sich zu binden.
  2. Es ist immer und überall so, dass jede Mannschaft versucht, das für sie unter dem Strich bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Diese Analogie offenbart nichts anderes als das übliche menschliche Verhalten.

Ziele erreichen durch

  • eigenes Engagement und eigene Fähigkeiten,
  • verstärkt mit der Macht, andere zur Unterstützung zu bewegen und
  • dabei die erforderlichen materiellen Ressourcen anzusammeln.

Es ist ein Wachstumsprinzip, an dessen vermeintlichem Ende die erste Bundesliga und die Champions League stehen.

Nur auf dem Platz, da wo sich die Gladiatoren in der Arena in der Begegnung Mann gegen Mann messen, finden wir dann auch jene Macht, die durch physische Gewalt ausgeübt wird. Es gehört zum Spiel, dass der Verteidiger seinen Körper einsetzt, um den gegnerischen Stürmer möglichst noch vor dem 16-Meter-Raum von den Beinen zu holen. Der dadurch gewonnene Vorteil wird vom Schiedsrichter geahndet, indem er ein „Gottesurteil“ veranstalten lässt. In der härtesten Form ist das der „Elfmeter“, der sowohl verschossen als auch abgewehrt werden kann. Nur wenn der gegnerische Schütze den Torwart überwindet und in das Tor trifft, ist der Nachteil, der entstanden ist, weil die andere Mannschaft am erfolgreichen Abschluss gewaltsam gehindert wurde, wieder ausgebügelt. Die Regeln verbieten das Foulspiel nicht, sie legen lediglich fest, dass dem  Foul ein Freistoß oder ein Elfmeter zu folgen hat, und in besonderen Fällen die Verwarnung per gelber Karte oder der Platzverweis. Der des Platzes verwiesene Spieler hat deswegen aber im eigenen Verein keine (nennenswerten) Nachteile zu erwarten, schon gar nicht dann, wenn sein Einsatz genau den Anweisungen folgte, die der Trainer vorher ausgegeben hat.

Die gemeinsame Decke ist das „Geld-verdienen-Wollen“.

Nur deshalb freut sich der Drittligist, wenn der FC Bayern in der ersten oder zweiten Pokalrunde in sein Stadion kommt. Das volle Stadion entschädigt für die nahezu  garantierte Niederlage und ermöglicht es unter Umständen, für die nächste Saison zwei neue Spieler zu kaufen, also mit dem Geld auch Macht zu gewinnen und ggfs. damit in die nächsthöhere Liga aufzusteigen. Das „Angebot Fußball“ muss attraktiv sein, um die Fans ins Stadion und die Gebührenzahler (Free- und PayTV) an die Fernsehgeräte zu locken. Es sind Kompetenz (spielerisches Können) und Vertrauen (die geben ihr Bestes) was die Fans „machtvoll“ anzieht, verstärkt durch mediales Interesse und natürlich durch die besonderen Angebote (Werbung) mit denen Fans an „ihren“ Verein gebunden und neue, bereits im Kindergartenalter, umworben und gewonnen werden.

Wenden Sie den Blick einen Augenblick vom Fußballplatz und werfen Sie ihn stattdessen auf Selenski und die Ukraine.

Ein Pokalspiel. Drittligist gegen Erstligist. Auf eigenem Platz.

Die Fans ganz und gar aus dem Häuschen. Internationale Sponsoren stehen mit vollen Taschen am Spielfeldrand. Alle wissen um die geringen Chancen und dennoch hoffen alle auf das Wunder. Der Vereinsvorstand aber weiß: Auch wenn seine Mannschaft erwartungsgemäß geschlagen vom Platz gehen wird, die Mitglieschaft in EU und NATO ist ihm sicher – seine Mannschaft muss nur die beiden Halbzeiten überstehen.

Ja. Betrachten Sie das Verhalten Selenskis doch auch einmal unter diesem Aspekt …

Da, wo die Ligen am Ende sind, hat der Fußball das Ventil gleich mehrerer internationaler Wettbwerbe geschaffen, weil es halt langweilig wäre, wenn Jahr für Jahr  alleine der FC Bayern wahlweise gegen BVB oder RBB antreten müsste, ohne dabei jemals weiterkommen zu können, als eben den ersten Tabellenplatz  in der Bundesliga zu belegen.

Den Verein, der Jahr für Jahr unangefochten die Champions-League dominiert, gibt es nicht. Es kann ihn wahrscheinlich auch gar nicht geben. Zu unterschiedlich sind die Mentalitäten, die Strategien und Taktiken, die sich in den nationalen Wettbewerben als erfolgreich herauskristallisiert haben und weiterentwickelt wurden, als dass sich daraus eine dauerhafte Dominanz ergeben könnte. Auch das Zusammenkaufen von Mannschaften aus den besten der Besten der nationalen Ligen und die Anwerbung des hervorragendsten Trainers sind keine Garantie für den Erfolg auf der internationalen Bühne, auch wenn in den Vorständen der Spitzenvereine fest daran geglaubt wird,.

Noch weniger funktioniert das auf dem Gebiet der Auseinandersetzung zwischen den knapp 200 anerkannten Staaten dieser Erde. Dem Wunsch, die eigenen Ziele und Vorstellungen durchzusetzen, stehen die jeweils Dominanten im Wege und blockieren den Aufstieg der weniger Mächtigen. Doch der Druck, den die Dominanten auslösen, führt auch zu einem gewissen Gegendruck, der sich unterschiedlich auswirken kann.

  • So haben zum Beispiel Israel, Südafrika, Pakistan und Nordkorea ihre Hintermannschaften (Viererkette!) verstärkt. Konkret: Durch die Entwicklung oder den Erwerb von Atomwaffen sind sie überzeugt, eine drohende Niederlage durch ausreichende Abschreckung vor jeglichem Angriff von vornherein ausschließen zu können. Die Erfahrungen, die damit gemacht wurden, geben ihnen bisher recht. Sie sind damit von der dritten in die zweite Liga aufgerückt.
  • China und Indien haben ihre gesamte Mannschaft auf allen Positionen immer weiter verstärkt, dabei quantitativ den Sprung in die erste Liga geschafft und sich – spieltheoretisch sinnvoll – an Russland angenähert.
  • Die USA haben weltweit ein dichtes Netz von Stützpunkten geschaffen und fühlen sich in der Lage, jederzeit an jedem Ort eingreifen und die weniger Mächtigen zur Räson bringen zu können.
  • Russland wiederum hat vollkommen neuartige und kaum abzuwehrende Waffen geschaffen, um sich unangreifbar fühlen zu können. Ein paar Jahre noch, und die USA werden wieder gleichgezogen haben.

Wenn es nun überall auf der Welt und immer wieder kriegerisches Gerangel zwischen Staaten gibt, dann werden als Ziele regelmäßig Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation angenommen. Es geht um Öl. Es geht mancherorts um Wasser. Es geht um Uran, Seltene Erden, es geht um landwirtschaftliche Flächen. Es geht um Güter, die entweder selbst genutzt, oder anderen mit Gewinn verkauft – bzw. unter Ausnutzung einer Notlage vorenthalten werden können. Gewalt über Sachen zu erringen, ermöglicht es, Macht über Menschen auszuüben.

Es geht aber nicht nur um Güter und Waren, nicht nur um Einfluss auf die Märkte. Es geht, und das wird leider oft vergessen, vor allem auch um die Köpfe auf dem beherrschten Territorium. Die müssen allerdings gesondert gewonnen werden. Die müssen von Feinden zu Freunden, mindestens aber zu Bundesgenossen gemacht werden. Die müssen Vertrauen in den Aggressor gewinnen, seine Kompetenz anerkennen, Vertrauen entwickeln und ihn als gerecht wahrnehmen.

Als kleiner Junge, ich war vielleicht elf oder zwölf, mit meinem jüngeren Bruder unterwegs am Muppberg, einem 500 Meter Hügel, direkt an der Zonengrenze zwischen Bayern und Thüringen gelegen, habe ich erlebt, dass ein Schützenpanzer der Amis uns überholt und dann vor uns angehalten hat. Die Heckklappe ging auf, ein baumlanger Neger stieg aus, kam auf uns zu, und begann auf Englisch eine Unterhaltung. Mit meinen ersten paar Brocken Schulenglisch kamen wir nicht wirklich weit, aber eine Tafel Schokolade hat er uns geschenkt, bevor es er sich verabschiedete und der Panzer weiterfuhr, zum Beobachtungsposten, oben auf dem Muppberg.

Gelesen habe ich seinerzeit sprichwörlich alles, was mir unter die Finger kam. Dass alle deutschen Zeitungen eine Lizenz der Alliierten brauchten, um überhaupt erscheinen zu dürfen, wusste ich damals nicht. Dass mit Hilfe der Medien ein Bild von Amerika aufgebaut wurde, das mit „dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten begann“, dass mit Musik, die in Deutschland allenfalls zwischen den Kriegen in Berlin zu hören war, gerade die Jugend begeistert und dem traditionellen deutschen Lied entfremdet wurde, dass selbst „mit dem Duft der großen weiten Welt“ aus der Zigarettenwerbung die Sehnsucht nach der strahlenden Metropole New York geweckt werden sollte, hat seine Wirkung nicht verfehlt. Noch verstärkt durch den netten GI mit seiner Tafel Schokolade, wurden die USA zu einem strahlenden Sehnsuchtsort für eine ganze junge Generation, deren Eltern dem – nach dem verlorenen Krieg und der aufgebürdeten Schuld – nichts mehr wirksam entgegenzusetzen wussten. Es war ein Ringen um die Köpfe und die USA haben klar gewonnen.

Warum aber sind die Köpfe so wichtig?

Es geht nicht nur darum, zu verhindern, dass eine neue Armee enststeht, die sich mit Rachegelüsten erheben könnte, um die Besatzer zu vertreiben oder sie gar auf ihrem eigenem Land anzugreifen. Das könnte man – ganz nüchtern betrachtet – mit dem Abschlagen der Köpfe leichter sicherstellen.

Es geht um die Schöpfungskraft der Menschen, die man sich zunutze machen will.

  • Wenn es statistisch gesehen über all auf der Welt pro 10.000 Einwohner einen Hochbegabten gibt, sind Länder mit 1 Milliarde Einwohnern jenen mit nur 250 Millionen Einwohnern rein rechnerisch vierfach überlegen. Das kann unter Umständen durch bessere Ausbildungs- und Förderungssysteme kompensiert werden. Kostet aber nicht unbeträchtlichen, zusätzlichen Aufwand.
  • Wenn es pro 10.000 Ew. 500 gibt, die in der Lage – und dafür frei – sind, Waffen zu entwickeln und zu produzieren, läuft es auf die gleiche Wirkung der höheren Quantität hinaus. Das kann durch Automatisierung kompensiert werden, oder aber auch dadurch, dass alle anderen Interessen zurückgestellt und mehr Menschen für die Waffenproduktion freigestellt werden, wie z.B. in Nordkorea.
  • Wenn es pro 10.000 Einwohnern 5.000 gibt, die in der Lage sind, alles preiswert und mit hoher Qualität zu produzieren, was sich auf der Welt verkaufen lässt, kann man als Exportweltmeister das Ausland von Importen abhängig machen und die ausländische Wirtschaft schwer beschädigen. Gewinnt man ein solches Land, samt den zugehörigen Köpfen für sich, das sogar dann noch glücklich ist, wenn es nur mit Geld aus der Notenpresse bezahlt wird, kann der eigene Wohlstand ohne eigene Anstrenung erheblich gesteigert werden.
  • Wenn es aber pro 10.000 Einwohner  nur 1.000 gibt, die Krieg, Waffen und Verteidigung aus moralischen und religiösen Gründen ablehnen, ist der Staat bereits soweit geschwächt, dass die Motivation zur wirksamen Verteidigung dieses Landes nicht mehr ausreicht. Solche Entwicklungen können durch Indoktrination, Überwachung und abschreckende Strafen ein Stück weit kompensiert werden, müssen aber letztlich durch totalitäre Maßnahmen unerdrückt und unwirksam gemacht werden.

Es ist also wichtig, sinnvoll und zweckmäßig, nicht nur das Land, sondern vor allem die Menschen darauf zu beherrschen, ihren Geist zu formen und sie zu den eigenen Ressourcen hinzuzufügen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ein Staat mit vielen Menschen im Krieg auch viele Verluste verkraften kann.

Das gilt für alle Spieler auf Brzezinskis Chessboard.

Jeder spielt in seiner Liga. Alle versuchen, den Abstieg zu verhindern und stattdessen in die nächsthöhere Liga aufzusteigen. Wer die höchste Liga erreicht hat, spielt um die Weltherrschaft.

Alle spielen nach den gleichen, ungeschriebenen Regeln, die in der menschlichen Natur verankert sind. Sie wechseln nur hin und wieder die Strategie.

Insofern stehen die Überlegungen, die der Fragesteller angestellt hat, gleichberechtigt nebeneinander:

  • Alle stecken unter einer Decke spielen miteinander ein Spiel,
  • und jeder – also nicht nur, aber eben auch Putin – verfolgt dabei seine eigenen Interessen.

Ideologien, aber auch (Staats-) Religionen, so unterschiedlich sie auch auf den Betrachter wirken mögen, sind nur Stilmittel, bzw. die Rechtfertigung für die Anwendung bestimmter Stilmittel. Die damit verbundenen Verschiebungen von Werten, die individuelle Definition von gut und böse, ermöglichen erst den Angriff aus dem eigenen Wert heraus auf die Werte des Gegners, wo dann das eine „gut“ und das ganz andere „gut“ aufeinandertreffen. Dazu braucht es aber wieder die Köpfe, in denen das eigene „gut“ als „wahrhaftig gut“ verankert ist und das andere „gut“ als “ wahrhaftig böse“ angesehen wird. Jeder Zweifel an diesen Definitionen und Werten ist zu unterdrücken, soll die Macht nicht auseinanderfallen.

Daher ist es umgekehrt erfolgversprechend, mittels unterschiedlichster Methoden, das „gut“ des ins Auge gefassten Gegners in dessen Bevölkerung in Zweifel zu ziehen, längst bevor der eigentliche Angriff gestartet wird. Der Name für dieses überall angewandte Vorgehen ist „Zersetzung“.  Die Symptomatik, die beklagt  und teils mit wunderschönen Krokodilstränen beweint wird, heißt „Spaltung“.

Die Spalter sind daran zu erkennen, dass sie sich zum fremden „gut“ bekennen, es als „zeitgemäß“, dem Stand der Erkenntnis entsprechend, fördern und unterstützen, und den konservativen Kräften, die ihr altes, bewährtes „gut“ verteidigen, vorhalten, als „Ewig-Gestrige“ die Spaltung der Gesellschaft überhaupt erst zu verursachen.

Wenn  Ihnen das  zu abstrakt erscheint, dann biete ich die alternativlose Willkommenskultur im Deutschland der Jahre 2015 ff. als Beispiel, und frage Sie, ob die konservativen Kräfte, die das Bild des Volkes als Abstammungsgemeinschaft hochhalten und dabei zwar das Recht auf Asyl uneingeschränkt befürworten, aber niemandem das Recht auf bedingslose Zuwanderung zuerkennen wollen, die Spalter sind? Spaltung, das besagt schon das Wort, ist eine gewaltsam herbeigeführte Veränderung. Wer sich erdreistet, den Widerstand gegen gewaltsame Veränderung als Spaltung zu bezeichnen, und damit auch noch bei den Abgespalteten Zustimmung einfährt, ist ein Meister der Agitation.

Wer es nicht bei einer Spaltung belässt, sondern ein Spalterthema nach dem anderen aufgreift – Gender vs. Familie, Veganismus vs. Mischkost, Verbrenner vs. E-Mobilität, Konventionelle Kraftwerke vs. Erneuerbare, und selbst innerhalb der so geschaffenen Fraktionen weiter die Spaltaxt ansetzt, und die Veganer in Transatlantiker und Russophile, die CO2-Bekämpfer in Radikale und Bremser, die E-Mobilisten in Mobilistinnen und Mobilister spaltet, und am 3. Oktober unbekümmert „Einigkeit und Recht und Freiheit“ anstimmt, dennoch ein gewähltes Parlament in Demokraten und Demokratiefeinde, Wähler in straffrei richtig Wählende und solche, die keine mildernden Umstände in Anspruch nehmen können, unterteilt, schafft die Voraussetzungen für einen Bürgerkrieg, jeder gegen jeden, der schon vor dem Übergang in die heiße Phase, die sich in Deutschland übrigens schon ankündigt, ein heilloses Durcheinander stiftet, das die allerbeste Basis für ein müheloses Durchregieren bietet.

Dass ähnliche Tendenzen überall auf der Welt – soweit uns die Kunde davon erreicht – zu beobachten sind, lässt man die Unterschiede im Fortschritt, in der Intensität und in den zur Spaltung gewählten Themen einmal beiseite, beweist lediglich, dass die Regeln menschlichen Verhaltens überall gleich sind, ist jedoch kein Indiz dafür, dass eine Weltverschwörung im Gange ist, dass eine geheime Weltregierung sich schon gebildet hätte, dass Scholz und Macron, Erdogan und Öcalan, Arif Alvi und Modi, da Silva und Trudeau, Xi und von der Leyen, Putin und Biden unter ein und derselben Decke stecken, ihre Regie-Anweisungen von Gueterres (UNO), Schwab (WEF), Skea (IPCC) oder Tedros (WHO) erhalten und diesen im Vertrauen in die Weisheit der Institutionen, blind und aufs Wort gehorchen.

Es ist nicht so, dass alle Aktionen abgesprochen sind. Das wäre m.E. vollkommener Blödsinn. Wäre man sich einig, wäre das ganze Spiel nämlich überflüssig.

Übertragen wir die Annahme, alle seien sich einig, spielten nach einheitlichen Verabredungen und Regievorgaben, einfach zurück auf den DFB-Pokal. Malen Sie sich das Ergebnis selbst aus!

Übertragen wir die Annahme auf das Zusammenwirken der deutschen Bundesländer. Formal gedeckt durch die föderale Struktur der Bundesrepublik herrscht eifersüchtiges Misstrauen untereinander. Einig ist man sich allenfalls in den Forderungen an den Bund, als sei die Bundesrepublik Deutschland Gegner des jeweiligen Bundeslandes. Aber weder bei den Schulsystemen, noch beim Länderfinanzausgleich herrschen Friede, Freude und Eierkuchen.

Übertragen wir die Annahme auf den Wettbewerb der international agierenden Automobilkonzerne. Die DDR hat es doch gezeigt, worauf fehlender Wettbewerb hinausläuft: Erst auf den großen Erfolg, sich für Trabant oder Wartburg entscheiden zu können, dann auf den Erfolg, das Fahrzeug Jahre nach der Bestellung auch in Empfang nehmen zu dürfen, aber letztlich, nach 40 Jahren, ist alles auf den vollständigen Zusammenbruch hinausgelaufen.

Das große Spiel unterliegt den Regeln der Chaostheorie. Kausalitäten aus Aktion und Reaktion bleiben unscharf, es bleiben Unwägbarkeiten, bekannte, aber nicht vorhersagbare Imponderabilien, Chancen bergen Risiken, Risiken bergen Chancen, am Ende fällt die Kugel aber immer wieder einmal weder auf Rouge noch auf Noir, weder auf Pair noch auf Impair, sondern auf die Null.

Der Spieler, der alles verloren hat, verlässt den Tisch, doch der nächste steht schon bereit. Und die Bank,  der eigentliche Dauergewinner, öffnet am nächsten Tag ebenfalls wieder. So treten alle wieder gegeneinander an.

Um noch einmal auf die Ausgangsfrage für diese Überlegungen einzugehen:

Was ist „wahr“?

Entweder,  Putin ist der Gute, denn er verteidigt die multilaterale Weltordnung,

oder, alle Staaten stecken unter einer Decke, Putin, EU, USA, usw. spielen uns ein Spielchen vor.

Diese Fragestellung ist nicht zielführend, weil die entscheidende Antwortmöglichkeit gar nicht vorkommt.

Erweitert, so wie ich sie für zielführender halte, sähe die Frage nämlich so aus:

Entweder,  Putin ist der Gute, denn er strebt die multilaterale Weltordnung an,
oder, Biden ist der Gute, denn sein Bestreben ist der Erhalt der unilateralen Weltordnung,
oder XI ist der Gute, denn sein Bestreben ist es, China zur dritten, gleichberechtigten Weltmacht zu machen.

So gefragt, fällt die ursprünglich vorgesehene, weitere Auswahlantwort den Gesetzen der Logik zum Opfer. Russen, US-Amerikaner und Chinesen, aber auch der Rest der Welt, werden ganz unterschiedliche Antworten geben, die wiederum selbst innerhalb der Staatsangehörigkeiten noch unterschiedlich ausfallen können.

Doch alle drei Antworten können gleichzeitig wahr und gültig sein. Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters.

Der Theorie von der großen Weltverschwörung, in der alle drei miteinander verbrüdert sind, fehlt sowohl die Evidenz als auch eine Grundlage in der Erfahrung.

„Ockham’s Razor“, den ich hier bemüht habe, hilft dabei, auch noch Restzweifel zu beseitigen.