Der Herr Wüst rechnet

Das ZDF hat es so formuliert:

NRW-Ministerpräsident Wüst rechnet damit, dass viele Geflüchtete dauerhaft in Deutschland bleiben. Dafür bräuchten Länder und Kommunen mehr Hilfe vom Bund.

Irgendwie hat das etwas von einer Geisterdebatte.

Als ob finanzielle Hilfe vom Bund, selbst wenn sie in jeder erforderlichen Größenordnung geleistet werden könnte, dazu beitragen könnte, die Probleme, die aus der massenhaften Zuwanderung zwangsläufig entstehen, zu lösen.

Früher machte ein Witz die Runde, der ging ungefähr so:

„Eine Frau braucht für ein Kind 9 Monate. Wie lange würden 9 Frauen brauchen?“

So blöd die Fragestellung auch klingen mag, sie hat ihre Berechtigung.

Formulieren wir um:

Die gesamte deutsche Bauwirtschaft braucht ein Jahr für 400.000 Wohnungen. Wie lange würden drei deutsche Bauwirtschaften brauchen?

Wir haben keine drei deutschen Bauwirtschaften, und die Bauwirtschaft, die wir haben, hätte im letzten Jahr vielleicht 400.000 Wohnungen bauen können, hat aber nur etwa die Hälfte an Neubauten erstellt.

Das hat viel damit zu tun, dass sich die Investitionen in den Wohnungsbau nicht mehr lohnen. Die größte deutsche Wohnungsbaugesellschaft, die Vonovia, hat alle für 2023 geplanten Neubauvorhaben auf Eis gelegt. Gestiegene Baukosten, nicht zuletzt durch verschärfte Bauvorschriften, aber auch durch Inflation verursacht, sowie gestiegene Zinsen machten Quadratmeter-Kaltmieten von 20 Euro erforderlich – und die zu erzielen sei in weiten Teilen Deutschlands völlig unrealistisch, begründet die Vonovia ihre Zurückhaltung.

Sollte die Bauwirtschaft allerdings Staatsaufträge für den Wohnungsbau erhalten, so dass die Kapazität voll ausgeschöpft werden kann, dann könnte es sein, dass der Ausbau der Windenergie überhaupt nicht mehr vorwärtskommt. Auch wenn die Bauwirtschaft wollte. Knappheit an Beton und Stahl, aber auch die Kapazitäten der Schwerlasttransport-Unternehmen und der Monsterkran-Verleiher sind nirgends am Horizont zu erkennen.

Rund eine Million Lehrkräfte für allgemeinbildende Fächer arbeiten in Deutschland daran, Schülerinnen und Schülern Wissen, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Die sichtbaren Ergebnisse dieser Arbeit verschlechtern sich von Jahr zu Jahr. Wären zwei Millionen Lehrkräfte in der Lage, das gleiche Ergebnis in sechs, ein besseres in acht Monaten zu erzielen?

Es gibt sie halt nicht. Offiziell zugegeben wird ein ungedeckter Bedarf  in der Größenordnung von 40.000 Lehrkräften. Mit den erhöhten Anforderungen, vor allem in der Sprachausbildung der Kinder der Zuwanderer, erscheint diese Zahl noch deutlich untertrieben.

Diese beiden Problemfelder sollen genügen, um deutlich zu machen, dass auch mit noch so viel Geld aus der Berliner Wumms-Anstalt nicht gelingen kann, was Hendrik Wüst meint, wenn er sagt, diesen Menschen müsse man gerecht werden.

Es ist doch nicht das „krasse Missverhältnis“ zwischen den Leistungen des Bundes und den Leistungen der Landkreise und der Kommunen, womit die Aufnahme von Flüchtlingen an ihre Grenzen stößt. Es sind die natürlichen Grenzen der vorhandenen und aktivierbaren Ressourcen, die auch mit dem allerbesten Willen einfach nicht überschritten werden können.

Wenn die Feuerwehr mit 3-C-Rohren zu Brandbekämpfung ausrückt, von denen jedes pro Minute 600 Liter Wasser ins Feuer spritzen könnte, die Pumpe, die das Wasser aus dem Löschteich fördert, aber nur maximal 800 Liter pro Minute fördern kann, dann wird das nichts mit der Brandbekämpfung.

Deutschland ist in den letzten 10 Jahren bis Ende 2022 nach Schätzung des Statistischen Bundesamtes um mindestens 3,5 Millionen Einwohner (netto) gewachsen, im letzten Jahr alleine um 1,1 Millionen.

Das ist mit einer Wirtschaft, einer Infrastruktur, einem Wohnungsbestand und einer Gesundheitsversorgung, die darauf eingerichtet ist, eine sich natürlich in Menge und Altersstruktur verändernde Bevölkerung zu versorgen, nicht aus dem Stand so zu bewältigen, dass man immer noch allen gerecht werden könnte.

Man kann die Wirtschaft zwar ankurbeln, die Infrastruktur ausbauen, den Wohnungsbestand vergrößern, Ärzte und Pflegekräfte ausbilden, Schulen bauen, Lehrkräfte ausbilden, und so weiter, und so weiter, aber eben nicht aus dem Stand heraus. Das muss sich entwickeln, das sollte planbar sein und geplant werden, anstatt sich aus freien Stücken einer Situation auszusetzen, die zwangsläufig aus dem Ruder läuft.

Putin hat heute seine Rede an die Nation gehalten. Das ZDF stellt verwundert fest: Putin gibt Westen Schuld an Ukraine-Krieg.

Wer sich nicht Ohren und Augen fest zugehalten hat, muss mitbekommen haben, dass so ziemlich alle, die am Minsker Abkommen von westlicher Seite beteiligt waren, inzwischen zugegeben haben, dass dies nur eine Kriegslist war, Lug und Betrug, um Zeit zu gewinnen, die Ukraine gegen Russland aufzurüsten, und dass die Zeit von 2014 an von der Ukraine genutzt wurde, neben der Aufrüstung den Donbass permanent massiv zu beschießen.

Wenn also der kollektive Westen genau dieses Vorgehen gebilligt und unterstützt hat, dann sollte der kollektive Westen, der gerne die Ukraine in EU und NATO sehen würde, das Ergebnis der Anstrengungen, den Krieg möglich, führbar und gewinnbar zu machen,  auch gemeinsam tragen und sich bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme die Lasten teilen.

Man sollte sich die Lasten so teilen, dass sie für alle noch zu bewältigen sind, ohne dass es zu verrückten Situationen kommen muss, wie jüngst in Lörrach, ohne dass die deutschen Landräte und Bürgermeister Brandbriefe schreiben müssen, und man sich im Bund mit dem Argument: „Die Taschen sind leer“, aus der Verantwortung stehlen und die Kommunen alleine im Regen stehen lassen muss.

Sollte man sich nicht wenigstens in der EU auf Kontingente einigen können? Warum sollte Deutschland nicht im Frühjahr 2022, als die Fluchtbewegung aus der Ukraine begann, von sich aus erklärt haben können: Wir nehmen 250.000 ukrainische Flüchtlinge auf. Dann aber sind unsere Kapazitäten erschöpft und unsere Grenzen werden geschlossen?

Man kann doch nicht einfach immer weiter behaupten: Wir haben Platz.

Abgesehen davon, dass nur Malta, die Niederlande, Belgien und Luxemburg unter den EU-Staaten eine höhere Bevölkerungsdichte als Deutschland haben: Frankreich und die meisten anderen Mitgliedsstaaten kommen nicht einmal auf die Hälfte der Einwohner pro Quadratkilometer. Dort wäre Platz. Doch da will niemand hin, oder es wird niemand eingelassen.

Seit Merkels Grenzöffnung 2015 hat es die Bundesregierung nicht für erforderlich gehalten, sich auf einen neuen Flüchtlingsansturm anders vorzubereiten, als darauf zu vertrauen, dass es schon irgendwie wieder gutgehen wird.

Selenski will eine Frühjahrsoffensive auf den Weg bringen und der Westen warnt vor der Frühjahrsoffensive Russlands. Wenn es dazu kommen sollte, dann droht uns ein neuer Flüchtlingsstrom. Es könnten zwei oder drei Millionen werden.

… und dann sieht das vielleicht nicht nur in der Hauptstadt so aus: