Die vierte Welle – und das dritte Déjà-vu

PaD 42 /2021 – Hier auch als PDF verfügbar: PaD 42 2021 Die vierte Welle – das dritte Déjà-vu

Man sagt, es gäbe zwei Sorten von Leuten. Solche, die immer wieder den gleichen Fehler machen, und solche, die immer neue Fehler machen.

Es wäre nun tollkühn zu behaupten, diejenigen, die immer den gleichen Fehler machen, seien konservativ. Konservative wiederholen nicht Fehler, sondern bewahren das Gute und Richtige. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Ebenso wäre es tollkühn zu behaupten, diejenigen, die gar nicht genug davon bekommen können, von einem Fehler zum nächsten zu hasten, seien progressiv.

Mir fällt jener alte Witz ein, von den zwei Freunden, die sich im Kino einen Western anschauen. An der Stelle, an welcher das Pferd des Helden scheut und diesen abwirft, so dass er voll in einen großen, stacheligen Kaktus kracht, meint der eine:

„So ein Depp!“
„Wieso?“, fragt der andere. „Der kann doch nichts dafür.“
„Doch! Ich hab‘ den Film jetzt zum dritten Mal gesehen. Jedesmal passiert ihm das Gleiche. Der lernt einfach nichts dazu.“

Oberflächlich betrachtet ist das ein Witz von der harmloseren Sorte, den man getrost wieder vergessen kann. Fragt man sich jedoch, wie es zu dieser Verwechslung zwischen der inszenierten Illusion und der Realität kommen kann, wird der Witz zur explosiven Daseinsfrage.

Wenn sich viermal hintereinander, im Abstand von einigen Monaten, erkennbar eine bedrohliche Situation aufbaut, und die Reaktion darauf viermal hintereinander auf die gleiche Weise und mit dem gleichen unbefriedigenden Ergebnis erfolgt, dann stellt sich schon die Frage, ob die Akteure einfach nichts dazulernen – das wäre die Wahrnehmung als Realität – oder ob es sich um eine inszenierte Konserve handelt, die einfach immer wieder abgespielt wird, weil das Publikum darauf, im Sinne von Drehbuchautoren und Regie, so positiv reagiert.

Ein Leser, mit fürwahr hinreichender Fachkompetenz, hat mir vor einiger Zeit seine Einschätzung mitgeteilt. Auch wenn inzwischen geimpft wird, auf Teufel-komm-raus, wird seine Grundthese, in Anbetracht der schnell nachlassenden Wirkungen der Impfungen, die nun alle halbe Jahre wiederholt werden müssen, immer noch bestätigt.

Von Anfang an war die Behandlung der Epidemie in Deutschland darauf gerichtet, die Infektion zuzulassen. Bloß sollte der R-Faktor nahe 1 gehalten werden „Vollständige, aber kontrollierte Durchseuchung“. Das bedeutet, die Zahl der Neuinfizierten bleibt ewig gleich hoch, für jeden Genesenen rückt einer nach. Wie lange? Bis 70-80% der Bevölkerung die Krankheit durchgemacht haben. Das sind 56-60 Millionen. (…)  Zusätzlich entstehen Mutanten dann, und nur dann, wenn sich das Virus produktiv in der Bevölkerung fortpflanzt..

Die Entscheider wollten „mutmaßlich“, daß die Epidemie ewig dauert, bloß nicht zu Ende geht.

Geht’s denn auch anders?? Ja!

Man braucht ein Konzept. Man muß die Maßnahmen einrichten, mit dem Ziel der Beendigung der Epidemie. In Taiwan gab es so ein Konzept seit Jahren, es wurde am 31.12.2019 in Kraft gesetzt: In Taiwan gab es keine Epidemie. Ähnlich China. Aber anfängliches Zögern bedeutete, die Epidemie konnte nicht mehr vermieden werden, aber sie wurde binnen Wochen beendet. Asien wollte die Epidemie nicht, also haben die Staaten sie beendet, auch Australien und Neuseeland.

Ein Programm mit dem Ziel der Beendigung einer Epidemie zu entwerfen, ist kein Hexenwerk. Die Entscheider hierzulande könnten, sollte ihnen selbst nichts dazu einfallen, gerne bei den asiatischen Staaten freundlich anfragen.

Die neuesten Nachrichten besagen, dass Australien, Thailand und auch Israel ihre rigorosen Abschottungsmaßnahmen beendet haben. Anscheinend handelt es sich dabei um Erfolge im Bemühen um die Beendigung der Epidemie. Dass Maßnahmen gegen die Wiedereinschleppung getroffen wurden, was bedeutet, dass nur Besucher aus Niedrigrisiko-Ländern zugelassen sind, die zudem geimpft oder frisch negativ getestet sein müssen, ist bei diesem Vorgehen nur folgerichtig.

Selbst wenn man sich auf die Seite jener stellt, die eine derart rigorose Politik mit Rücksicht auf die Wirtschaft und auf den Erhalt eines Minimums gesellschaftlicher Interaktion für überzogen halten, bleibt die Frage offen, warum das Suchfeld nach anderen Lösungen zur Eindämmung der Folgen der Pandemie nicht längst erweitert worden ist. Paul Watzlawick, der Kommunikationsforscher und Psychotherapeut hat dazu in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ die Geschichte vom verlorenen Schlüssel aufgegriffen:

Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: “Meinen Schlüssel.“

Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: “Nein, nicht hier, sondern dort hinten — aber dort ist es viel zu finster.“

Wir wissen vermutlich alle aus leidvoller eigener Erfahrung, dass es nicht erforderlich ist, betrunken zu sein, um die Lösung eines Problems unablässig da zu suchen, wo die Grenzen des eigenen Horizonts noch ein gutes Stück weit entfernt sind. Wir bewegen uns lieber in bekanntem Terrain als in unbekanntem. Wir vertrauen lieber auf die Schnellschüsse, die wir auf Basis unseres Wissens und unserer Erfahrung für sinnvoll halten. Wir verhalten uns, als hätten wir einen Hammer, und könnten daher in allen Problemen nur Nägel erkennen, die man nur richtig treffen muss, um das Problem zu lösen.

Und mit dem Hammer, als Universalproblemlöser, kommt dann der nächste kühne Gedanke in die Welt: Wenn sich das Problem mit einem Hammerschlag nicht lösen lässt, dann muss man eben öfters draufschlagen, und wenn der Nagel zu dick und das Brett zu hart ist, dann braucht es eben einen schwereren Hammer.

Das ist ein uralter Reflex, mit der Bezeichnung: „Mehr von demselben“, der grundsätzlich vor allen anderen Optionen gerne zum Einsatz kommt. Ein Reflex, der nach mehrmaligem Misserfolg oft noch verstärkt und damit zur nahezu unausrottbaren fixen Idee wird.

Herdenimmunität bei 60 % geimpfter Erwachsener.
Herdenimmunität bei 80 % geimpfter Erwachsener und Jugendlicher.
Herdenimmunität bei 90 % geimpfter Erwachsener, Jugendlicher und Schüler.
Herdenimmunität bei 100 % geimpfter Bevölkerung.
Herdenimmunität bei 100 % Auffrischungsimpfung alle sechs Monate.

Auch das erinnert irgendwie an ein exponentielles Wachstum.

Dass die Verantwortlichen bei dieser Herkules-Aufgabe dabei alles aus dem Blick verlieren, wodurch ihre heroischen Anstrengungen im gleichen Maße konterkariert werden, wie sie sie immer noch verstärken, ja jeden Hinweis darauf als Behinderung ihres alternativlos segensreichen Wirkens wüst zurückweisen, gehört ebenfalls zum Repertoire einfacher, reflexartiger menschlicher Verhaltensweisen, die beim Übergang zum homo erectus nicht abgelegt wurden. Es ist der Rest jenes panischen Fluchtverhaltens, das im vollkommen ziellosen Davonrennen: „Bloß weg von der Gefahr, was anderes bleibt mir nicht übrig!“, seinen Ursprung hat. Vermutlich war dieses Verhalten während einer langen Entwicklungsphase ein wichtiger Beitrag zur Arterhaltung. Vielleicht hilft es ja heute noch der Joggerin im Park, einem Vergewaltiger zu entkommen, vielleicht hilft es heute noch den sicheren Hügel zu erklimmen, bevor der Tsunami den Strand erreicht, aber von Politikern, denen ich mein Vertrauen schenken möchte, erwarte ich eben gerade nicht, dass sie beim geringsten Stress in archaische Verhaltensmuster zurückfallen, egal, ob nun Greta zur Klimapanik aufruft, oder Karl Lauterbach zur Corona-Panik. Ich erwarte nicht, dass sie mit ihrem alten Hammer unaufhörlich zuschlagen, ohne – außer vermeidbaren Schäden – irgendetwas Sinnvolles zu bewerkstelligen.

Doch dazu gehört auch Mut. Der Mut, sich das eigene Versagen einzugestehen. Der Mut, den Irrweg zu verlassen und nach einem neuen Weg zu suchen, selbst wenn das kostbare Zeit kosten sollte. Denn in Wahrheit ist die Suche nach dem richtigen Weg kein Zeitverlust, sondern sogar ein Zeitgewinn, der umso größer ausfällt, je früher der Irrweg verlassen wird.

Eine Führungspersönlichkeit sollte um alle diese Prinzipien wissen, Erfahrungen im situationsgerechten Verhalten, auch unter Stress, gesammelt haben, und vor allem stets versuchen, im Getümmel der Schlacht den Überblick zu behalten, die eigenen Stärken und Schwächen ebenso ins Kalkül einzubeziehen, wie die des Gegners. Doch sehe ich nirgends in der deutschen Politik eine Figur, die es wenigstens mit einem „Schlachtenlenker“ wie Hansi Flick oder Julian Nagelsmann aufnehmen könnte, geschweige denn jemand, der hoch auf dem Feldherrenhügel wohlabgewogene Entscheidungen fällt.

Wer angesichts der nackten Zahlen von Impfdurchbrüchen und Impf-Nebenwirkungen und der klar erkennbaren Abstufung des Risikos, ernsthaft an Coid-19 zu erkranken, das von „nahe null“ bei den Jungen,  bis in den niedrigen einstelligen Prozentbereich bei den Alten und Vorgeschädigten reicht, die gesamte Bevölkerung, vom Neugeborenen bis zu Greis, mit der ganz großen Gießkanne mit mRNA-Vaccinen überschwemmen will, entspricht nicht meinem Ideal des verantwortungsvollen Politikers.

Wer noch dazu darauf setzt, die Bevölkerung auch vor der vierten Welle wieder mit massiven Fehlinformationen über die Auslastung der Krankenhäuser und Intensivstationen mit Covid-Patienten zu ängstigen, in der Hoffnung sie damit zur Zustimmung für die getroffenen Maßnahmen und für ihre schon an Zwang erinnernden Empfehlungen bewegen zu können, macht sich doch selbst unglaubwürdig!

Zurück zum Anfang.

Da kracht ein Westernheld, nach gewissenhafter Beobachtung eines Kinobesuchers, in drei Vorstellungen nacheinander immer wieder in den gleichen Kaktus.

Wer ist da der Depp? Der Westernheld? Der Schauspieler, der den Westernhelden mimt? Oder der Zuschauer, der das Geschehen auf der Leinwand für ebenso real hält, wie die Popcorn-Tüte in seiner Hand?