Pandemie der Ahnungslosen

PaD 43 /2021 – Hier auch als PDF verfügbar: PaD 43 2021 Pandemie der Ahnungslosen

Lassen Sie mich diesen Paukenschlag mit einer wahren und selbst erlebten Geschichte beginnen:

Der für das Foyer bestellte Tannenbaum hatte den Transport gut überstanden und lag nun in seiner vollen Länge vor dem Tresen des Pförtners. Das war alle Jahre gelungen und alle Jahre hatten es die vereinigten Hausmeister geschafft, den jeweiligen Baum in die Vertikale zu bringen und standfest zu verankern. Nun muss man wissen, dass das Foyer mit einer lichten Höhe von etwas mehr als vier Metern, einen liegenden Tannenbaum von etwas mehr als fünf Metern Länge zwar liegend aufnehmen konnte, aber eben nicht dazu geschaffen war, ihn senkrecht zu beherbergen.

„Das geht nicht! Der ist zu lang!“, sagte Nummer Drei, und wollte sich schon wieder davonmachen, nachdem er seine fachkundige Einschätzung abgegeben hatte. Er war ja nur dazu da, den Baum aufzustellen, und da das offensichtlich nicht möglich war, war er überzeugt, alles für den Weihnachtsschmuck des Foyers getan zu haben, was in seiner Macht lag.

„Halt! Hiergeblieben!“, rief ihm sein Chef nach. „Sie sollen doch den Baum aufstellen. So, wie er da liegt, kann er nicht liegenbleiben, man kommt ja gar nicht mehr dran vorbei.“

„Der ist zu lang. Den kann ich nicht aufstellen. Oder soll ich etwa die Deckenplatten abmontieren. Da ist noch ein Meter Platz nach oben. Aber schön sieht das nicht aus.“

„Ja Herrschaftszeiten! Was anderes fällt Ihnen nicht ein?!“

„Nö.“

„Gut. Dann sage ich Ihnen jetzt, was Sie tun werden. Sie kürzen den Baum jetzt so ein, dass er passt – und dann stellen Sie ihn auf.“

Zwei Stunden später stand der Baum.

Gekürzter Tannenbaum (Symbolbild)

Dieses Ergebnis ansehen zu müssen, kann zwischen stiller Resignation und dionysischer Raserei alles hervorrufen, nur keine Freude.

Dabei ist es egal, ob Nummer Drei wirklich so blöd war, wie es den Anschein hatte, oder ob er sich nur – in einer Art Schwejkiade – absichtlich so blöd anstellte. Schließlich hatte er den Auftrag ausgeführt. Wie genau er den Baum kürzen sollte, war ihm ja schließlich nicht aufgetragen worden. Also konnte er, ja musste er sogar, selbst entscheiden und das Ergebnis war ja durchaus auch in Ordnung und entsprach dem Auftrag.  Schließlich stand der Baum jetzt und hatte noch ein bisschen Luft nach oben.

Damit sind wir bei einem Sonderfall der Inkompetenz angekommen. Dieser Sonderfall wurde früher als „Fachidiotentum“ bezeichnet, was, übertragen auf den geschilderten Fall heißen sollte: Der kann zwar mit der Säge umgehen, versteht auch, was „kürzen“ heißt, kann sich aber nicht vorstellen, dass es in bestimmten Fällen von Bedeutung sein kann, ob man am Werkstück links oder rechts ein Stück abschneidet, bzw. ob man am Weihnachtsbaum oben die Spitze oder unten den Stamm kürzt.

Heute treffen wir auf einen anderen Typus, dessen Fähigkeiten darin bestehen, die Emotionen ihrer Mitmenschen manipulieren zu können und damit innerhalb von Parteien, NGOs und Behörden Karriere zu machen. Ihr Erfolg wird daran gemessen, in welchem Maße es ihnen gelingt, ihre Mitmenschen zu bestimmten erwünschten Handlungen und Verhaltensweisen zu bewegen. Das Rezept ist einfach und seit Jahrtausenden erprobt: Angst schüren und Rettung anbieten. Es lässt sich auf ALLES anwenden, und es funktioniert immer, vorausgesetzt, man schafft es, jene, die behaupten, die Angst sei unbegründet und die Hoffnung sei trügerisch, soweit mundtot zu machen, dass ihre Argumente nicht zur Masse vordringen können.

Wir wissen nicht, wer diesen Leuten den Auftrag erteilt hat, sich um die Pandemie zu kümmern, erst recht nicht, wie genau, bzw. wie unpräzise dieser Auftrag formuliert war, doch lässt sich erkennen, wie sie diesen Auftrag verstanden haben: Angst schüren vor dem Virus, Hoffnung machen auf die erlösende Spritze.

Horst Seehofer hat ja inzwischen sogar zugegeben, dass er Anfang 2020 eine Studie in Auftrag gegeben hat, mit der eine maximal verheerende Prognose über die Wirkungen des Corona-Virus in die Welt gesetzt wurde. Wer sich daran nicht erinnern kann, sollte kurz dieses Video ansehen:

Seither ist Karl Lauterbach als selbsternannter Bußprediger unermüdlich im Einsatz, um alle furchteinflößenden Erkenntnisse und Prognosen, die vom RKI und vom PEI kommen, aufzunehmen, miteinander zu verwursteln und wie ein allgegenwärtiger Lautsprecherwagen den Menschen, die ihm seit mindestens einem Jahr einfach nicht mehr aus dem Weg gehen können, in die Hirnwindungen zu pressen.

Er hat es aber auch leicht.

Ansteigende Inzidenzen, zu denen nie die Zahl der durchgeführten Tests genannt wird, sind gut geeignet, den Menschen das Fürchten zu lehren.
Ansteigende Hospitalisierungsraten und Krankenhaus-Auslastungs-Diagramme, bei denen der während der Pandemie erfolgte Abbau von Betten und ganzen Kliniken allenfalls im Kleingedruckten erwähnt wird, bei denen die Klassifizierung in Corona-Patienten und Sonstige Patienten mit positivem Test ebenso unterbleibt, wie es auf die Frage, ob jemand „mit“ oder „an“ Corona verstorben ist, keine klärende Antwort gibt. Außerdem die immer neuen Varianten, die ja immer erst einmal als viel infektiöser und sehr viel gefährlicher geschildert werden können, weil, bevor sich die Wahrheit herausstellt, schon die nächste Variante neue Gelegenheit gibt, das Publikum in Angst und Schrecken zu versetzen.

Man weiß inzwischen auch nie, ob der jeweils jüngste Kassandra-Ruf Lauterbachs auf „eigene Erkenntnisse“ zurückgeht und dann von RKI und PEI aufgegriffen wird, oder ob die Institute die originäre Aussagen liefern, die Lauterbach dann in „einfache Sprache“ für die Talkshows und den Blätterwald übersetzt.

Ich muss es wiederholen: Wir wissen nicht, wer diesen Leuten den Auftrag erteilt hat, diesen Tannenbaum einzukürzen, wir wissen auch nicht, wie dieser Auftrag formuliert war, doch das Tun und Lassen der diesen Auftrag Exekutierenden lässt darauf schließen, dass ihre Interpretation dieses Auftrags lautete: „Macht das Volk mürbe!“

Wer aber das Volk in Bewegung setzen will, kann sich nicht damit begnügen, Angst zu säen. Da verkriecht sich das Volk doch bloß in seine Höhlen und womöglich findet sich auch noch jemand, der von Höhle zu Höhle zieht und erzählt, man solle sich doch nicht gleich in die Hosen machen. Die Gefahr, am Virus zu erkranken, sei selbst für positiv Getestete sehr gering. Nur die Alten, die sollten sich, wie bei jeder grassierenden Infektionskrankheit, ein bisschen mehr vorsehen, weil sie halt nicht mehr die Abwehrkräfte haben, mit denen die Jungen mit der Sache fertig werden.

Es kann nun sein, dass der Auftrag lautete, dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung die bestmögliche medizinische Betreuung erhalten soll. Das Tun und Lassen der diesen Auftrag Erfüllenden lässt darauf schließen, dass sie das Neueste für das Bestmögliche gehalten haben und immer noch dafür halten. Selbst wenn es noch vollkommen unerprobt ist, kann das Neueste ja nur das Beste sein. Warum soll man da bekannte und wirksame Heilmittel anpreisen? Warum soll man da einfach zur Mund- und Rachendesinfektion raten? Da macht ja doch wieder jeder nur, was er will. Wenn das Volk in Bewegung gebracht werden soll, dann darf es nur ein Ziel geben, das anzustreben ist.

Da darf dann auch kein Zweifel gesät werden. Da gibt es nur eine in Stein gemeißelte Botschaft, und die lautet: „Die Impfung ist wirksam und sicher.“ Die Verträge mit den Herstellern, in denen zu Wirksamkeit und Sicherheit der Impfung Einschränkungen gemacht werden, die müssen geheim gehalten werden. Wir wollen das Volk, nachdem wir es verängstigt haben, nun doch nicht auch noch verunsichern. Die immer stärker wachsende Zahl von  bekanntgewordenen Ansteckungen vollständig Geimpfter, die lässt sich doch mit der neuen Variante begründen, gegen die halt nur die dritte Spritze mit dem gleichen Wirkstoff hilft. Und dass es  da in sehr, sehr vereinzelten Fällen zu dem Verdacht gekommen ist, die Impfung könnte Nebenwirkungen haben? Bitte: Jede Impfung hat Nebenwirkungen, und bisher sind das ja alles nur Verdachtsfälle, bewiesen ist gar nichts. Kein Grund sich nicht impfen zu lassen. Nur die Impfung ermöglicht es, sich und alle anderen zu schützen. Es gibt auch noch eine Bratwurst dazu! Und zu der Bratwurst gibt es Freiheiten zurück.

Wir wissen nicht, ob das Ergebnis nach fast zwei Jahren Pandemiebekämpfung dem entspricht, was der Wille der Auftraggeber war. Wir wissen ja noch nicht einmal, wer die Auftraggeber sind. Wir sehen nur, dass der Tannenbaum immer weiter gekürzt wird, und dass es so aussieht, als würde fröhlich immer weiter an der falschen Seite gesägt.

Erinnern Sie sich an die Fernsehbilder vom frühen Frühjahr, wo aufgebrachte Impfwillige im Straßeninterview auf die „Vordrängler“ schimpften, die sich den Impfstoff sichern, obwohl sie noch gar nicht dran sind, an die Fernsehbilder vom Frühsommer, wo die Impfwilligen im Straßeninterview inbrünstig darauf hofften, bald selbst an der Reihe zu sein. Haben Sie die jüngsten Bilder von Impfwilligen im Straßeninterview gesehen, die inständig darauf hoffen, bald ihren dritten Schuss und die Verlängerung des Impfpasses zu erhalten?

Natürlich handelt es sich bei den gesendeten Straßeninterviews um eine fein dosierte Auslese. Drei oder vier Rechtgläubige von glaubwürdiger äußerer Erscheinung und ein zwielichtiger Typ, der irgendwie eine Kritik zusammenstottert, das ist der Mix, der dem Publikum angeboten wird, um die Ahnungslosen in ihrer Ahnungslosigkeit zu bestätigen und die Zweifler an ihren Zweifeln zweifeln zu lassen. Das ist inszeniert, wie jede beliebige Talkshow: Drei vier Gute als Verstärker der zu vermittelnden Botschaft – ein Böser als Zielscheibe.

Bayern hat nun den Katastrophenfall ausgerufen.

Bayern? Doch nicht Bayern. Für das Bundesland Bayern hat die bayerische Staatsregierung den Katastrophenfall ausrufen lassen. Was hat Markus Söder zu diesem Schritt veranlasst?

Der Katastrophenfall würde eine bessere Koordination der Krankenhausbelegung ermöglichen, heißt es. Man könnte da jetzt „zentral“ Einfluss nehmen. Als Begründung werden die Horror-Inzidenzen in einigen Landkreisen angeführt. Im am stärksten betroffenen Landkreis, Rottal-Inn, wurden in den letzten sieben Tagen 1.344 Menschen positiv getestet. Seit Beginn der Pandemie waren es 11.076. In einer Woche mehr als 12 Prozent aller Infektionen seit Anfang 2020!

Man kann es auch anders lesen. Der Landkreis hat rund 121.000 Einwohner. Davon wurden in den letzten 7 Tagen 1,11 Prozent positiv getestet. Etwa jeder  Fünfzigste davon wird an Corona so schwer erkranken, dass er ins Krankenhaus eingewiesen werden wird. Das sind dann 0,022 Prozent oder etwa jeder Viertausendfünfhundertste Einwohner des Landkreises Rottal-Inn. Etwa die Hälfte davon wird  intensivmedizinisch betreut werden müssen, also jeder Neuntausendste – und davon wiederum wird etwa die Hälfte an Covid-19 versterben, also jeder Achtzehntausendste.

Den 11.076 bisher im Landkreis Rottal-Inn erfassten „Fällen“ stehen 204 Todesfälle (an oder mit Corona) gegenüber. Das heißt, es gibt, Stand heute, mindestens 10.800 Genesene im Landkreis. Bei einer Impfquote von 65,2 Prozent, kommen 78.900 Geimpfte hinzu, so dass immer noch 31.300 Ungeimpfte seit Anfang 2020 vom Virus verschont geblieben sind. Bliebe die 7-Tage-Inzidenz auf dem jetzigen Stand, gäbe es nach 23 Wochen noch 151 Todesfälle und dazu 31.150 Genesene. Pandemie beendet.

Das ist natürlich Quatsch, weil die Inzidenzzahlen zurückgehen müssen, je mehr Geimpfte und Genesene es gibt.

Warum aber steigen sie gerade jetzt? Jetzt, wo zwei Drittel der Bayern vollständig geimpft sind und im am schwersten betroffenen Landkreis immerhin 9 Prozent Genesene anzutreffen sind?

Es gibt eine sehr plausible Erklärung dafür. Das sind die rigorosen Corona-Maßnahmen des Herrn Söder.

Wo vermehrt 2G gilt, wo es bei 3G nicht mehr mit dem Schnelltest getan ist, sondern der PCR-Test verlangt wird, der ungefähr 120 Euro kostet und vom zu Testenden selbst bezahlt werden muss, da werden die Jungen erfinderisch. Wissen sie doch, weil sie die Staatsmedien längst nicht mehr nutzen, dass ihnen von Corona praktisch keine Gefahr droht, außer eben der, positiv getestet zu werden, und wissen sie doch auch, dass sie als positiv Getestete nach ein paar Tagen Quarantäne als Genesene gelten und damit die gleichen Rechte haben, wie vollständig Geimpfte, nur eben ohne das Risiko unerwünschter Neben- und Langzeitwirkungen einzugehen. Also verabredet man sich zur Corona-Party.

Hier ein aufschlussreicher Link: https://www.nordbayern.de/corona-partys-in-bayern-jugendliche-stecken-sich-absichtlich-an-1.11481560

Google findet unter dem Suchbegriff „Corona Party“ übrigens noch sehr viel mehr Einträge. Es wird also was dran sein.

Ich gehe übrigens davon aus, dass Markus Söder sehr genau weiß, wo die weiß-blauen Inzidenzen herkommen, dass er ganz genau weiß, dass von den Jugendlichen, die sich absichtlich infizieren, kaum einer auf der Intensivstation landen wird, sondern stattdessen die Zahlen der Genesenen in die Höhe gehen werden. Doch weil er glaubt: „Nur ein geimpfter Bayer ist ein guter Bayer“, hält er von den „Genesenen“ gar nichts, denn die wird er so schnell nicht zum Impfen treiben lassen können.

Mag sein, dass er dies als jene Katastrophe empfindet, deretwegen er jetzt den Katastrophenfall hat ausrufen lassen.

Das eröffnet ihm nämlich unter anderem die Möglichkeit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit und die Freizügigkeit und die Unverletzlichkeit der Wohnung einzuschränken. Was braucht es mehr, um das Unwesen der Corona-Partys in den Griff zu bekommen.

Pandemie der Ahnungslosen. Die Überschrift dieses Paukenschlages meint sowohl jene, die sich erst Angst haben einjagen lassen und dann im blinden Vertrauen auf die rettende Spritze ohne ausreichende Aufklärung haben impfen lassen, und die nun erkennen müssen, dass sie wohl alle halbe Jahre den Ärmel werden hochkrempeln müssen, um sich ihren Grundrechte-Ausübungs-Berechtigungsschein verlängern zu lassen, sie meint aber vor allem auch jene, die nur aufgrund ihrer Parteikarriere in die Lage versetzt wurden, weitreichendste Entscheidungen über das Wohl und Wehe ihrer Mitmenschen zu treffen und dies – unbeeindruckt von Wirkungen und Folgen – auch tun.