Die Reduktion der Grünen auf eine reine Trotzpartei

Der Anlass für diese Betrachtung ist der Beschluss des Bundeskabinetts, den vom Grünen Habeck vorgelegten Entwurf für den Wegfall von Unweltverträglichkeits- artenschutzrechtlichen Prüfungen im Genehmigungsverfahren für Windkraft- und Solaranlagen zu billigen. Es handelt sich dabei um die Umsetzung einer für den Notfall geschaffenen Notfallverordnung der EU, die nicht zufällig an die Notfallzulassung der mRNA-Impfstoffe  erinnert.

Es geht mir dabei heute nicht um die Frage, ob der Notfall denn schon eingetreten ist, nicht um die Details dieser Verordnung, nicht um Sinn oder Unsinn des Ausbaus der Erneuerbaren Energien (EE), sondern um die mentale Entwicklung jener juristischen Person, die als die Partei „Bündnis 90 – Die Grünen“ in Erscheinung tritt.

In der Psychologie ist es schon lange üblich, zur Beurteilung einer Persönlichkeit auch zu überprüfen, ob sie eher gefühlsbetont, emotional und im Sinne der Gesinnungsethik eingestellt ist, oder ob  die Vernunft, das rationale Abwägen von Aufwand und Nutzen, als das verantwortungsethische Moment im Vordergrund stehen, und nicht zuletzt, wie stark der Wille, Ansichten und Absichten durchzusetzen, ausgeprägt ist. Es ist bekannt, dass sich diese Persönlichkeitsausprägungen im Laufe des Lebens mehrmals – schleichend oder schlagartig – verändern können, ohne dass sich die Person dessen objektiv bewusst sein muss. Die bekannteste Darstellung dieses Veränderungsprozesses findet sich in dem geflügelten Wort, das Churchill zugeschrieben wird: „Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 40 noch Kommunist ist, hat keinen Verstand.“

Die deutschen Grünen sind ein Ergebnis – und zugleich Relikt – der Studentenbewegung jener Jahre der Nachkriegszeit, in denen die Aufräumarbeiten längst beendet und der Wiederaufbau in die Phase eines Wachstumsprozesses übergegangen war, der keine Grenzen zu kennen schien. Die schlimmen Zeiten hatten harte Männer hervorgebracht und die harten Männer gute Zeiten. Die Eigenschaft der Jugend, sich beweisen zu wollen, fand in dieser Welt nur wenige Ansatzpunkte. Einer bestand darin, die Aufbauerfolge zu kritisieren. Teils, weil sie von Menschen hervorgebracht worden waren, die auch schon in der Zeit des Nationalsozialismus in Amt und Würden waren, teils weil in den Jahren bis dahin „das Fressen vor der Moral“ rangierte, und der Aufbau vor der Rücksicht auf die „Umwelt“ erfolgt war. So entstand, von den Hippies bis zur Studentenschaft ein verträumtes und zugleich moralinsaures Milieu, das sich in seiner ausufernden sexuellen Freizügigkeit als Ersatz eine neue – eben die grüne – Moralität zulegte, in der kommunistisches Gedankengut die Grenzen des Vertretbaren festlegte und der Antikapitalismus sich dort seine Reibungsflächen suchte, wo Flüsse zu Abwässerkanälen gemacht wurden, wo schwefelige Abgase die Wälder bedrohten und Fluorkohlenwasserstoffe ein Loch in die Ozonschicht fraßen. Der Krieg der USA in Vietnam, die autoritäre Herrschaft des Reza Pawlehwi und das kleine rote Buch des Mao Tse Tung genügten, um in vielfältiger Betroffenheit auf die Straße zu gehen.

Die Grünen hatten sich als emotionale Vernunftverstärker etabliert und hatten den „Nur-Linken“ im Ringen um Aufmerksamkeit und Zustimmung den Rang abgelaufen. Die Emotionen richteten sich auf kritikwürdige Zustände, der Wille begnügte sich damit, anzuklagen, die Vernunft stammte aus zweiter Hand, von Wissenschaftlern, die damals noch nicht grün sein mussten, um publizieren zu können, und aus den Veröffentlichungen des Club of Rome. Die Grünen waren nette Zeitgenossen, die mit Birkenstock-Sandalen und selbstgestrickten Wollpullovern auftraten, ihre Babys in Wickeltüchern auf dem Rücken oder vor der Brust spazierentrugen und gerne auch mal öffentlich säugten. Sie plädierten auf gesellschaftlicher Ebene für die Gleichberechtigung der Frauen, für  die Trennung von Amt und Mandat und führten das Rotationsprinzip ein, nach dem politische Ämter innerhalb der Legislaturperioden neu besetzt werden mussten.

Die Wurzeln der Grünen finden sich in der gnadenlosen Gesinnungsethik der Fundamentalisten der frühen Jahre. Das hat die auch damals schon existierenden, aber nicht so genannten „Gutmenschen“ angezogen, so dass die Wahlergebnisse ausreichten, um in die Kommunal- und Länderparlamente einzuziehen. Diese Erfolge führten innerhalb der Grünen zu der Spaltung in  die Fraktionen der Fundis und der Realos. Die Realos wollten grüne, der Gesinnungsethik entsprungene Grundsätze aufweichen, um so koalitionsfähig zu werden und den Grünen zu tatsächlicher legislativer und exekutiver Macht zu verhelfen, weil nur so die großen Ziele erreichbar seien, während die Fundis argumentierten, dass die Ziele, wenn man sie erst einmal eingeschränkt oder aufgegeben habe, auch in Regierungskoalitionen nicht mehr erreicht werden könnten.

Die Realos haben diese Schlacht gewonnen, die Fundis haben sich diesem Machtwillen mehrheitlich gebeugt und selbst noch davon profitiert. Nach dem Motto: Was wiegt schon die Teilnahme am Krieg in Jugoslawien nach dem Willen Joschka Fischers in der damaligen rot-grünen Koaltion, gegen die Einführung des Dosenpfands nach dem Willen von Jürgen Trittin, oder die Verhinderung von Gewerbeansiedlungen durch die Versicherung, einen Feldhamster gesichtet zu haben?

Gesinnungs- und Verantwortungsethiker waren unter dem Primat des Machtwillens zusammengeschweißt und holten an beiden Seiten der Medaille ihre Wählerstimmen, und Gerhard Schröder duldete die Fundis, weil er die Realos zum Regieren brauchte. 

Das änderte sich schlagartig, als Angela Merkel die von Müntefering provozierten, vorgezogenen Neuwahlen gewinnen konnte. Angela Merkel sammelte alles an Themen ein, womit sich die Grünen bis dahin ihr Alleinstellungsmerkmal gesichert hatten, was die Macht der Realos innerhalb der Grünen minderte, die Fundis dafür umso mehr radikalisierte, weil nur so überhaupt noch ein grünes Lebenszeichen an die Wählerschaft gesendet werden konnte.

In der Realsierung des Atomausstiegs übertraf Angela Merkel alles, was die Grünen Schröder abgetrotzt hatten bei Weitem. In Bezug auf die altkommunistischen Ideale von der Gleichheit aller Menschen unter der Sonne, stellte Merkel mit ihrem Beschluss, die deutschen Grenzen zu öffnen und dauerhaft offen zu halten, die Grünen in ihren Schatten. Es musste erst die Klimaänderung als neues Thema in die Welt kommen. Hier war  Merkel nicht mehr die Lokomotive, sondern eher die Bremserin, die lange versuchte, die Interessen der deutschen Industrie zu wahren und den Zeitgeist so weit einzuhegen, dass bei vollmundigen Bekenntnissen zur großen Transformation doch zumindest der Umstellungsprozess – in der Hoffnung auf sein Scheitern – hinausgezögert werden sollte. 

Dummerweise waren die Weichen weltweit anders gestellt, der grüne Arm im europäischen Parlament, die Klimaretter des IPCC und der Vereinten Nationen, hatten die Weichen anders gestellt, die Medien mit auflagenverstärkenden Katastrophen-Szenarien gefüttert und die Pläne zur weltweiten Dekarbonisierung von Klimakonferenz zu Klimakonferenz immer fester geklopft, so dass  es nicht verwunderlich war, dass Merkel das Handtuch geworfen, ihre Hände in Unschuld gewaschen und ihre nochmalige Kandidatur schon lange im Vorfeld der Bundestagswahlen ausgeschlossen hat.

Mit meinem Buch „Wollt ihr das totale Grün“ habe ich im März 2021, ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl aufgezeigt, was auf Deutschland zukommen wird, sollten die Grünen zusammen mit der SPD und evtl. der LINKE oder der FDP in eine Koaltion eintreten oder gar selbst, mit Annalena Baerbock, den Bundeskanzler stellen. Dafür genügte es, das Wahlprogramm der Grünen mit ein bisschen Verstand durchzulesen und die Konsequenzen daraus abzuleiten. Schon die Tatsache, dass die urgrünen Themen darin kaum noch erwähnt wurden, also das, worauf sich die Gesinnungsethik der Grünen einst stützte, und stattdessen erklärt wurde, „Wie man eine Industriegesellschaft ins Zeitalter der Klimaneutralität führt“ und „Wie man eine vielfältige Einwanderungsgesellschaft gestalten kann“, wiesen deutlich darauf hin, dass die Grünen beabsichtigen, wider die Gesetze der Physik, wider die gesellschaftliche Realität, wider jegliche Logik, eiskalt und rücksichtlos einzig ihren Willen durchzusetzen.

Das erleben wir jetzt. Die Grünen, wie Gollum aus Tolkiens „Herr der Ringe“, besinnungslos ihrem „Schatz“ nachjagend und bereit, dafür alles zu opfern, was sie noch an funktionsfähiger Infrastruktur, an wirtschaftlicher Leistungskraft und an Attributen eines lebenswerten Lebens mit dem Eintritt in die Ampel-Koaltion in Deutschland vorgefunden und übernommen haben.

Das alles findet sich schon im Vorwort des Buches „Wollt ihr das totale Grün?„, das ich hier einfüge:

Vorwort

Am 26. September 2021 soll in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt werden. Die Chance, dass dies wegen Corona nicht in gewohnter Weise gelingen wird, ist relativ hoch einzuschätzen.

Wenn Wahllokale erst gar nicht öffnen, oder geöffnete nur von Geimpften besucht werden dürfen, wird auch in Deutschland die Briefwahl zum bestimmenden Element der Wahl werden, vermutlich in noch höherem Maße als dies in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei den Landtagswahlen im März schon festzustellen war.

Schon ein halbes Jahr vor dem Urnengang kann eine relativ sichere Prognose abgegeben werden: Wenn sich nicht Grundlegendes in der Stimmung der wahlberechtigten Deutschen ändert, werden die Grünen mit einem hohen Anteil von Sitzen im Bundestag eine von zwei oder drei Regierungsparteien sein und womöglich sogar den Kanzler stellen.

Die Verdienste, welche sich die Grünen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts um die Ökologie erworben haben, sollen hier nicht geschmälert werden. Es ist ihnen gelungen, ihre Themen und frischen Ideen bei einer bestimmten Wählerschar so stark zu verankern, dass SPD und Union gar nicht anders konnten, als aus diesen Ideen Konzepte zu entwickeln, die Konzepte in realisierbare und finanzierbare Pläne zu gießen und die Pläne dann in wirksame Maßnahmen umzusetzen.

Rauchgasentschwefelung, bleifreies Benzin, eine Vielzahl neuer Kläranlagen waren die ersten erkennbaren Folgen grünen Engagements, lange bevor sie selbst in Regimentsstärke in die Parlamente und Gemeinderäte eingezogen sind.

Robert Townsend, ein erfolgreicher US-Manager, hat in seinem Buch „Up the Organization“ (1970 auf Deutsch unter dem Titel „Hoch lebe die Organisation“ erschienen), eine Warnung an seine Managerkollegen ausgesprochen, die heute dringend an die Führung der Grünen adressiert werden muss:

„Manager neigen dazu, ihre größten Fehler auf den Gebieten zu machen, in denen sie sich bisher am besten bewährt haben. Im Geschäftsleben ist – wie auf allen Gebieten – die Hybris die unverzeihliche Todsünde, vorwitzig zu handeln, wenn alles in Butter ist.“

Setzt man statt „Manager“ den Begriff „Parteien“ und interpretiert „bewährt haben“ als „etwas erreicht haben, wie auch immer“, dann wird das vorwitzige Wesen der heutigen Grünen nicht nur in ihren beiden Führungsfiguren sichtbar, sondern auch darin, dass, nachdem die großen und wichtigen Aufgaben des ökologischen Wandels erledigt sind, ihre Suche nach immer neuen „Problemen“, mit denen sie die Altparteien in Zugzwang bringen könnten, zu ideologischen Höhenflügen geführt haben, die dem Drang des Ikarus nicht unähnlich sind.

Das Problem unserer deutschen Gesellschaft besteht nun darin, dass die Grünen, wie während ihrer ganzen Geschichte, zwar ganz toll mit den Flügeln schlagen, den Auftrag, tatsächlich Richtung Sonne zu starten, aber schlicht an die gesamte Gesellschaft delegieren, in der naiven Überzeugung, wenn sie nur genügend Druck machen, werden die anderen, und diese anderen, das sind letztlich wir alle, es schon hinbekommen.

Das totale Grün, dass unserer Republik droht, wird dahinführen, dass wir für voraussichtlich mindestens vier volle Jahre auszubaden haben, was sie uns einbrocken werden.

Die Brocken zum Einbrocken liegen schon bereit. Sie sind im Wahlprogramm der Grünen nachzulesen.

Gott schütze uns vor Sturm und Brand
und vor dem grünen Sachverstand!

 

 

Im März 2021
Egon W. Kreutzer

Nun ist es also so weit:

Die einstige Umweltpartei
setzt die Umweltverträglichkeitsprüfung
bei der Errichtung von Industrieanlagen
(und das sind Windparks und Solarfarmen nun einmal)
außer Kraft.

Sie scheißen buchstäblich auf ihr einstiges Heiligtum.
Was sollen sie sich da noch um das scheren, was für die Bürger, die ihnen faktisch ausgeliefert sind, erhaltenswert oder unverzichtbar notwendig ist?

Es ist nichts mehr als Trotz vorhanden.
Trotz gegen die Realität, die einfach nicht so sein will, wie sie nach grünem Willen sein sollte.