Clara von Civey – Meister der saublöden Fragen

Was, meinen Sie, sollte ein Mann, der seine Frau noch nie geschlagen hat, unter den Auswahlmöglichkeiten

  • Ja, auf jeden Fall
  • Eher ja
  • Unentschieden
  • Eher nein
  • Nein, auf keinen Fall

ankreuzen, wenn er gefragt wird:

Schlagen Sie Ihre Frau immer noch?

Bei vier der fünf Auswahlantworten, würde er zugeben, seine Frau immer noch zu schlagen, obwohl er noch nie eine Frau geschlagen hat, und mit der letzten verbleibenden Antwortmöglichkeit würde er immerhin noch einräumen, sie in der Vergangenheit geschlagen zu haben.

Clara von Civey, die im Netz allgegenwärtige Online-Umfrage-Plattform, schafft es immer wieder, ähnlich „perverse“ Fragestellungen unters Volk zu streuen, bei denen man anklicken kann, was man will, ohne die Antwort, die man gerne geben möchte, geben zu können.

Ich empfinde dabei zunehmend ärgerliche Gefühle. Natürlich kann jeder, der einen etwas differenzierenderen Blick auf die Fragestellung wirft, die Umfrage einfach ignorieren, aber das ist es vermutlich, was man bei diesem „Meinungsforschungs Institut“ erreichen will. Differenzierte Betrachtungsweisen ausklammern und lediglich noch abfragen, wie gut das jeweils propagierte Narrativ in den Köpfen derer bereits verankert ist, die das Selberdenken aufgegeben haben.

Heute ist mir der Kragen geplatzt, und das führt dann dazu, dass ich entweder die Spaltaxt hole und an der Umwandlung von Stammabschnitten in ofenfertiges Brennholz arbeite, oder eben – wie in diesem Fall – die Tastatur vorwärme und einen Kommentar von mir gebe.

Anlass war die aktuelle Frage der Clara von Civey:

Sollte der jährliche Wehretat Ihrer Meinung nach zur Modernisierung der Bundeswehr erhöht werden?

Ich halte es – nach alter weißer Männer Sitte – mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Dort steht schon länger dazu geschrieben:

Art 87a

(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.
.
Neu hinzugekommen ist jüngst der 1a-Wumms-Satz:
.
(1a) Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen für die Bundeswehr mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
.
Was würde ich Civey nun antworten wollen?
.
Das beginnt zunächst einmal mit meiner Einstellung zum neuen Satz 1a des Artikels 87 GG. Ich bin nicht der Auffassung, dass die Bundeswehr zur Stärkung der Bündnisfähigkeit – also zur Stärkung der NATO – modernisiert werden sollte.
Ich bin hingegen sehr wohl der Meinung, dass die Bundeswehr zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit gem. Satz 1, modernisiert werden sollte – und jetzt kommt das Wesentliche:
.
falls
  • die Verteidigungsfähigkeit durch Modernisierung überhaupt verbessert werden kann, bzw.
  • die Modernisierung tatsächlich der Verteidigungsfähigkeit dient.
.
Es ist ja kein Geheimnis, dass die Bundeswehr längst von der Verteidigungsarmee zur Interventionsarmee umgebaut wurde.
.
Es ist kein Geheimnis, dass der Bundeswehr praktisch keine Mittel für eine auch nur halbswegs ausreichende Luftverteidigung der Bundesrepublik zur Verfügung stehen.
.
Es ist kein Geheimnis, dass es eine glaubhafte Strategie für den Einsatz der Bundeswehr zur Landesverteidigung mit der zur Verfügung stehenden Ausrüstung nicht gibt.
.
Ich könnte mit meiner Meinung zur Modernisierung der Bundeswehr also alle Auswahlantworten ankreuzen.
.
Ja, auf jeden Fall
weil ich Grund zu der Annahme habe, dass es um die Ausrüstung der Bundeswehr nicht zum Besten gestellt ist, weil ich die Fähigkeit zur Landesverteidigung für wichtig halte und notwendigen und sinnvollen Modernisierungsmaßnahmen auf jeden Fall zustimme.
.
Eher ja
weil ich es, wie bei „Ja, auf jeden Fall“ für richtig und wichtig halte, aber Zweifel daran habe, dass die notwendigen Milliarden wirklich vollständig zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit genutzt werden, sondern mindestens im gleichen Maße der Stärkung der Interventionsfähigkeit der NATO dienen würden.
.
Unentschieden
weil ich meine Pro- und Contra-Argumente als gleich stark ansehe und würfeln müsste, um eine andere Antwort zu geben. Andererseits wäre der Klick an dieser Stelle ein falsches Zeichen von Unkenntnis oder Desinteresse, was ich aber absolut nicht abgeben will.
.
Eher nein
weil ich mit dem Begriff „Modernisierung“ nur wenig anfangen kann, so lange die beabsichtigten Maßnahmen nicht konkret genug bekannt sind, um abschätzen zu können, ob es um Landesverteidigung, NATO-Verstärkung oder einfach nur um Beschaffungsaufträge zur Stützung der Rüstungsindustrie der westliche Wertegemeinschaft geht.
.
Nein, auf keinen Fall
weil ich glaube, dass schon der 100 Milliarden Wumms ein Schuss ins Blaue war, weil ich überzeugt bin, dass eine pauschale jährliche Erhöhung dem Gedanken des Grundgesetzes aus Satz 1 ebenso widerspricht, wie das Sondervermögen, weil sich die zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge der Organisation aus dem Haushaltsplan ergeben sollen, der jährlich einmal vom Bundestag zu verabschieden ist.
.
Um das Abstimmungsergebnis, das bis zu diesem Zeitpunkt erreicht war, sehen zu können, habe ich „eher nein“ angeklickt.
.
Olaf Scholz, Robert Habeck, Annalena Baerbock und Marie Agnes Strack-Zimmermann dürfen sich um den Hals fallen, wie Torschütze, Vorlagengeber und der Rest der Mannschaft wenn kurz vor dem Ende der Nachspielzeit der zweiten Hälfte der Verlängerung des Pokalspiels der entscheidende Treffer erzielt wurde:
.
60 Prozent der Umfrageteilnehmer wollen den Wehretat auf jeden Fall erhöht sehen.
.
Irgendein Qualitätsmedium wird daraus die Jubelmeldung machen:
.
60 Prozent der Deutschen forden die unbedingte Erhöhung des Wehretats.
.
Nun greift der Schiedsrichter zur Pfeife. Das Spiel ist gelaufen. Der Sieg ist sicher.
.
Stoltenberg, Blinken und Biden, die hohe Wetten auf dieses Ergebnis abgeschlossen hatten, reiben sich vergnügt die Hände.

.

Michel zahlt.