Das Coming-Out von Volkswagen – einen Tag nach der Wahl

Volkswagen taumelt.

Deutsche Werke aufgeben, Abschied von der Beschäftigungsgarantie,

das sind die Nachrichten aus Wolfsburg, mit denen am Montag nach den Wahlen bestätigt wird, was die AfD vor der Wahl über das Wirken des amtierenden deutschen Wirtschaftsministers gesagt hat.

Es ist aber keineswegs so, dass VW über seine Probleme bisher geschwiegen hätte. Schon am 13. November letzten Jahres berichtete der NDR über massive Sparpläne bei VW, die insgesamt – alleine für die Marke Volkswagen – ein Volumen von 10 Milliarden Euro p.a. umfassen sollten. 

10 Monate später offenbaren die Wolfsburger, dass an diesen 10 Milliarden, die gespart werden müssen, immer noch 5 Milliarden fehlen. Das ist bitter.

Ich hatte seinerzeit im November 23 geschätzt, dass nach Ausschöpfung aller (über die 20%-Verwaltungs-Einsparung hinaus: 8000 Jobs) noch möglichen Sparmaßnahmen (dies vor allem vor allem auf der Zulieferer-Seite) nur 2 Milliarden offen bleiben würden, die man sich per Personalabbau an inländischen Standorten würde holen müssen.

Dafür, so  meine sehr niedrig gehaltene Schätzung, müssten in D 10.000 Jobs abgebaut werden. Die sind in meiner Stellenabbau-Statistik seit November 23 erfasst.

So wie man in Wolfsburg jetzt tönt, so, wie man die heilige Kuh der Beschäftigungsgarantie (bis 2029) einfach schlachten und zudem deutsche Werke komplett schließen will, wird das nicht ausreichen. Ich erweitere meine Schätzung für den bevorstehenden Stellenabbau bei VW in Deutschland daher um weitere 10.000 Jobs.

Über die Statistik des Stellenabbaus hinaus

Volkswagen demonstriert mit dieser Ankündigung – stellvertretend  für die gesamte Branche, dass die Fertigung von Automobilen in Deutschland nicht mehr lohnt.

Volkswagen zeigt mit der Option, ganze Werke in Deutschland aufzugeben aber auch, dass Kosteneinsparungen durch Rationalisierungsmaßnahmen in der gesamten Wertschöpfungskette nicht mehr möglich sind, bzw. bei Weitem nicht ausreichen werden, um den erforderlichen Spareffekt zu erreichen.

Volkswagen lässt mit der in Aussicht genommenen Schließung ganzer Werke erkennen, dass der Absatz von Automobilen aus deutscher Produktion weiterhin deutlich unter den Erwartungen zurückbleiben wird.

Dazu ein paar Takte Erfahrungswissen aus der Praxis:

  • Für einen Großkonzern wie VW ist es ein Leichtes, jährlich 2 bis 3 Prozent der Belegschaft vollkommen geräuschlos alleine dadurch abzubauen, dass die natürliche Fluktuation nicht ersetzt wird. Natürliche Fluktuation, das sind insbesondere die Abgänge in die Rente oder in die Arbeitsunfähigkeit, es sind jene, die von der Konkurrenz abgeworben werden, und natürlich die Lottogewinner, die es nicht mehr nötig haben, zu arbeiten.
    Bei VW in Deutschland sprechen wir hier von der Größenordnung von 3.000 Jobs, die alle Jahre frei werden, und von einer Kostenersparnis von etwa 300 Millionen Euro.
  • Wenn es die Umstände erfordern, ist es für einen Großkonzern mit Zigtausenden Mitarbeitern immer möglich, ein hartes Sparprogramm aufzulegen und im Zuge dessen fünf bis sieben Prozent der Belegschaft abzubauen. Da wird einerseits „Luft“ abgelassen, andererseits die Motivation und das Engagement derer, die hoffen, so den Job zu behalten, stark erhöht, und nicht zuletzt kommt es konzernweit zum Verzicht auf „die letzten Feinheiten“, weil die erfahrungsgemäß mehr Kosten als Nutzen verursachen.
    Das wären dann bei VW etwa 8.000 Jobs (maximal), und eine Kostenersparnis von etwa 800 Millionen Euro p.a.
  • Mit sieben Prozent Personalabbau sind die Grenzen pauschaler Kürzungen nach der Rasenmäher-Methode erreicht. Jeder darüber hinausgehende Abbau bedeutet Verluste in der Funktionalität, die sowohl quantitativer als auch qualitativer Art sein können. Alleine der im November 23 angekündigte Abbau von 20 Prozent der Stellen in der Verwaltung, hat erkennen lassen, dass auch die Zahl der von der Verwaltung zu bewältigenden „Vorgänge“ sinken soll. Es ist nicht klar, was bei VW alles zur Verwaltung gezählt wird, ob auch „Entwicklung“, „Vertrieb und Marketing“ oder „Strategische Planung“ gemeint sind. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass ein solcher Abbau nur gelingen kann, wenn sowohl eine Reduzierung der Produktpalette als auch der Abbau von Produktions-Kapazitäten ins Auge gefasst wird.
    Daraus wiederum geht hervor, dass es Voraussetzung für den Abbau in der Verwaltung ist, dass ein ähnlich starker Abbau in den übrigen Beschäftigungsfeldern stattfindet.
  • Das schöne Wort vom „Gesundschrumpfen“ lässt sich hier nicht anwenden. Die Gewaltkur, die sich VW jetzt verordnet, hat nichts mehr mit dem Abbau von Fettpölsterchen zur Verbesserung der Fitness zu tun. Es handelt sich um eine Kombination aus Aderlass und Amputation. 

Volkswagen und Deutschland waren einst ein untrennbares Begriffspaar. Heute hängt die Zukunft von VW von der Wirtschaftlichkeit der ausländischen Standorte und der Attraktivität der Marke auf dem Weltmarkt ab.

Für den deutschen Markt und die deutschen Fabriken gilt:

VW hat fertig.

VW ist damit das dritte Opfer im Überlebenskampf der deutschen Automobilindustrie.

Mit OPEL, dem einst zweitgrößten deutschen Automobilhersteller, hat das Trauerspiel begonnen. Gerade noch 13.000 Mitarbeiter beschäftigt OPEL in Deutschland. Zum Vergleich: Bei Porsche werkeln über 37.000 Autobauer. Derweil klagt der OPEL-Betriebsrat: „Selbst Konstrukteure wird es bei OPEL in Zukunft nicht mehr geben.“

FORD, ebenfalls schon länger auf Schrumpfkurs, musste im November letzten Jahres verkünden, dass es für die Mitarbeiter im Werk Saarlouis schlecht aussieht, nachdem der chinesische Automobilbauer BYD vom Kauf des Standorts Abstand genommen hat. Die Mitarbeiterzahl von Ford in Deutschland sinkt weiter und dürfte Ende 2025 deutlich unter 12.000 fallen. So viele türkische Gastarbeiter beschäftigte Ford in den 70er Jahren übrigens alleine im Werk Köln.

Welcher deutsche Hersteller als nächster ein Werk in Deutschland aufgeben wird, ist noch unklar. Bis spätestens Ende 2025 dürften die Karten jedoch auf dem Tisch liegen.