Weber, Manfred

Und sie gerieten in Verlegenheit und sprachen einer zum anderen: Was soll das wohl sein? Andere aber spotteten und sprachen:

Sie sind voll süßen Weines! 

Manfred Weber, der Bio-Niederbayer und einst beinahe zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt worden Wärende, hätte damals nicht für Ursula von der Leyen dringlicher eine neue Wirkungsstätte gefunden werden müssen, warf wieder wichtige Worte in die Waagschale, vermutlich im eigenen und im Namen der EVP, noch bevor die feministische Außenministerin Gelegenheit fand, die Wiederwahl des Wächters am Bosporus zu würdigen.

Als wäre die Türkei die Verlobte der EU, kündigte Manfred Weber stellvertretend für Rat, Kommission und Parlament das in die Jahre gekommene Eheversprechen sinngemäß mit den tröstlichen Worten: „Lasst uns Freunde bleiben!“

Er erörterte sogar detailliert, welche Bereiche der Beziehung weiterhin gepflegt werden sollten, nämlich bei den Friedensbestrebungen für die Ukraine (da hat die EU selbst ja gar nichts auf der Pfanne), bei der Migrationspolitik (wo die EU noch nicht einmal ein Ziel hat, auf das sie sich einigen könnte), bei der wirtschaftlichen Modernisierung (vermutlich geht es da um den Ankauf der tollen türkischen Bayraktar-Drohnen) und auch bei der Zypern-Frage (die eigentlich eine bilaterale, griechisch-türkische Frage ist).

Um aber Freunde bleiben zu können, stellt der EVP-Vorsitzende, halb bittend und bettelnd, halb ultimativ die Forderung auf, Erdogan müsse nun endlich den Weg für den NATO-Beitritt Schwedens freimachen. (Erdogan wird das amüsiert haben.)

So also lässt die EU dem türkischen Präsidenten ihre Glückwünsche zur Wiederwahl übermitteln:

Ein – im Vergleich mit Erdogan – politischer Leichtmatrose, Vorsitzender einer vielfältig multinational zusammengewürfelten Partei eines weitgehend weisungsgebundenen Parlamentes, an dessen „Karriere“ der Zustand der Demokratie innerhalb der EU so sonnenklar abgelesen werden kann, dass sich eigentlich jegliche Verurteilung anderer wegen Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit und demokratische Prinzipien verbietet, wird vorgeschickt, um nach der bitteren Enttäuschung darüber, dass Erdogan vom türkischen Volk schon wieder  gewählt worden ist, das Ende der Beitrittsverhandlungen anzudrohen.

Manche mögen das für die Vollendung der Diplomatie halten, die Bande zu zerschneiden ohne sie dabei aufzulösen, doch so, wie zwischen Genie und Wahnsinn oft nur ein ganz schmaler Grat zu finden ist, ist auch die Trennlinie zwischen krampfhaftem Herumgeeiere und Diplomatie nicht immer einfach zu erkennen.

Wo sich ein solches Spiel jedoch über viele Jahre unverändert hinzieht, ohne dass es zu einer Klärung gekommen wäre, ist der Verdacht gerechtfertigt, dass die EU, schwankend zwischen eigenen Interessen und den geostrategischen Plänen Washingtons, nur noch außenpolitisches Porzellan zerdeppert und dabei ein erbärmliches Bild der Schwäche abgibt.

 

Weiterhin frohe Pfingsten!