VW ist nur der Anfang – am Ende stirbt die EU

Die wohlgemeinte Warnung, man sollte nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt, hilft nur demjenigen, dessen Selbsterkenntnis es zulässt, die eigene Sitzposition zu erkennen. Alle anderen sägen im Zweifelsfall munter weiter.

Seit ungefähr 10 Jahren sägt alle Welt an jenem Unternehmen, das von den Nazis einst als Produktionsstätte des „Kraft durch Freude – Wagens“ errichtet wurde, dann aber stattdessen als Rüstungsbetrieb die Mobilität der Wehrmacht zu steigern hatte, bis nach dem verlorenen Krieg mit dem Käfer der weltweite Siegeszug von Volkswagen begonnen hat.

Lange konnte sich der Konzern noch über Wasser halten, nachdem die US-Umweltschutzbehörde EPA am 18. September 2015 – zeitgleich mit Merkels Grenzöffnung – den Krieg gegen Volkswagen eröffnete, indem Geldstrafen in der Größenordnung von 18 Milliarden Dollar in den Raum gestellt wurden, von Schadensersatzforderungen noch ganz zu schweigen. 

Dieser erste Schuss war ein Volltreffer. Die VW-Aktie stürzte um fast 35 Prozent in den Keller. 27 Milliarden Euro Börsenkapitalisierung wurden vernichtet.

Die Bundesregierung sah sich keinesfalls veranlasst, sich schützend vor den wohl wichtigsten deutschen Konzern zu stellen. Im Gegenteil: Man hat sich mutig an die Seite der transatlantischen Freunde gestellt und mit dem Gebrüll nach lückenloser Aufklärung, mit der juristischen Verfolgung der Vorstände und Konstrukteure, das Schadfeuer erst noch richtig angefacht, dessen Entstehung von der EU mit der Festlegung unsinnig niedriger NOx-Grenzwerte überhaupt erst möglich gemacht worden war.

Die Rolle Deutschlands in der EU hat sich seinerzeit für alle Welt erkennbar noch einmal zum Schlechteren gewandelt. Herrschte bis dahin das stille Einverständnis, dass der große Zahlmeister umso mehr für die EU leisten könne (und müsse), je besser es der deutschen Wirtschaft geht, änderte sich das Paradigma dahingehend, dass die Kuh nun erbarmungslos bis zum letzten Tropfen abgemolken werden müsse.

Dass Deutschland selbst der EU angehört, dass Deutschland daher maßgeblich Einfluss auf alle Entscheidungen dieser EU nehmen kann, also durchaus in der Lage wäre, EU-gemachten Schaden von Deutschland abzuwehren, und sei es mit der Drohung, Zahlungen einzustellen oder gar den Austritt zu erwägen, ist eine Tatsache, über die in Deutschland mehr als nur ein Mantel des Schweigens ausgebreitet wurde.

Dem Volkswagen-Management blieb nur eine Option: Sparen!

2017, zwei Jahre nach dem Beginn der Angriffe, wurde der Abbau von 23.000 Stellen in Deutschland beschlossen. Das Handelsblatt erwähnte dies unter anderem im Dezember 2019 in seiner Jahresvorausschau für 2020 noch einmal, weil VW darüberhinaus inzwischen bereits den Abbau weiterer 4.000 Stellen angekündigt hatte.

Als sei es absolut kein Problem, den Strombedarf des Industrielandes Deutschland nach dem Atomaussstieg und dem Kohleausstieg alleine aus erneuerbaren Energien zu decken, auch wenn Zig-Millionen von Wärmepumpen und Zig-Millionen von E-Mobilen zusätzlich an den Steckdosen hängen, die schon heute nur mit massiven Stromimporten am Leben gehalten werden können, stimmte Deutschland dem EU-Verbrennerverbot ab 2035 leichtfertig zu. 

Volkswagen beeilte sich, den Ausstieg aus der Verbrennertechnologie in Angriff zu nehmen und auf die Produktion von E-Mobilen umzusteigen. Dies mündete – und wir alle sind Zeugen dieser Entwicklung – im Fiasko.

Schon vor gut einem Jahr, im Juli 2023, verkündete der VW-Markenchef Thomas Schäfer den Führungskräften bei VW:

„Der Dachstuhl brennt!“

Unter dem Strich sah es damals schon so aus, dass die Fahrzeugproduktion keine Gewinne mehr abgeworfen hat, während sich die auf Halde produzierten E-Mobile bei den Händlern stapelten, die nicht mehr wussten, wohin damit.

Heute wissen wir, dass es Volkswagen nicht gelungen ist, diese Probleme zu überwinden. Verkündete Thomas Schäfer im Sommer letzten Jahres nur einen sofortigen Ausgabenstopp, musste Konzernchef Oliver Blume jüngst zugeben, dass die Beschäftigungsgarantie für VW-Mitarbeiter nicht mehr gehalten werden könne und Werksschließungen in Deutschland nicht zu vermeiden sein werden.

Und wieder hat die EU die Hand im Spiel.

Wie der terroristische Schläfer, der unerkannt bleibt, bis er geweckt wird, kriecht jetzt das Gespenst der EU-CO2-Flottenziele ans Licht.

Vereinfacht beschrieben nimmt man die Summe der CO2-Emissionswerte aller verkauften Neuwagen der „Flotte“, also Verbrenner, Hybride und reine Stromer miteinander, und dividiert diese Summe durch die Anzahl der Einheiten. Das ergibt einen Durchschnittswert, der bei VW, nach den Erkenntnissen der Zeitschrift „Auto Motor und Sport“ bei 123 g CO2/km liegt.

Ab 2025 fordert die EU jedoch einen Durchschnittswert von 93,6 g pro Kilometer, und wer die nicht schafft, zahlt pro Gramm und innerhalb der EU verkauftem Auto 95 Euro Strafe in die EU-Kasse.

Für VW bedeutet dies:

30g x 95 €  = 2.850 Euro pro verkauftem Pkw
(sowohl Verbrenner als auch E-Mobile)

Das ist richtig viel Geld, vor allem wenn man bedenkt, dass VW innerhalb der EU pro Jahre etwa 1,4 Millionen Neuwagen absetzt, womit die EU VW eine Rechnung über etwa 4 Milliarden Euro schicken dürfte.

Nachdem sich die Bundesregierung weiterhin keinesfalls in der Pflicht sieht, sich in der EU für die Rettung der industriellen Basis Deutschlands mit allen Mitteln – bis hin zur DEXIT-Androhung – einzusetzen, treibt das an sich schon verrückte Geschehen nun die allerverrücktesten Blüten:

Nach Aussagen einer Quelle, die ich als glaubwürdig einschätze, zieht es VW vor, Bestellungen für Verbrenner so lange nicht auszuliefern, wie nicht die notwendige Anzahl von E-Mobilen abgesetzt worden ist, um die zu erwartenden Strafzahlungen über den „Flotten-Mix“ zu reduzieren.

Es heißt – nachprüfen kann ich das allerdings nicht –  dass aktuell rund 75.000 Bestellungen für Tiguan und 25.000 für den Golf schlicht im Auftragsbestand auf Halde liegen bleiben, weil es unter dem Strich günstiger ist, diese Autos nicht zu bauen und nicht zu verkaufen, statt die Strafzahlungen für die gesamte Flotte  damit noch weiter in die Höhe zu treiben.

Es gibt allerdings eine brandaktuelle Auflistung der Lieferzeiten von Verbrennern – hier verlinkt – die für den Tiguan 6 bis 7 Monate, für den Golf 5 bis 6 Monate ausweist, was kaum mit dem Jammern über nicht ausgelastete VW-Werke zusammenpasst, wohl aber mit einer Strategie zur Minimierung von Strafzahlungen wegen Überschreitung der Flottenziele.

Um zum Bild vom Ast und den darauf Sitzenden zurückzukehren:

Volkswagen ist nicht einfach nur Volkswagen. Volkswagen ist ein wesentliches und unverzichtbares Element der EU-europäischen Automobilindustrie, die unterhalb der Konzernmarken, die ja nur wie die Fruchtkörper der Pilze den sichtbaren Teil jenes Geflecht von Zulieferern und Grundstoffproduzenten darstellen, die markenunabhängig nicht nur die Reifen, die Scheiben, die Sitze, die Kabelbäume für alle Hersteller produzieren, sondern ganze Baugruppen, wie voll bestückte Armaturenbretter und einbaufertige Türen zuliefern.

Die Auslastung der Kapazitäten der Zulieferer ist für die Herstellkosten mindestens so wichtig, wie die Auslastung der Endmontage. Brechen da die Stückzahlen ein, wird es schnell zappenduster.

Im schlimmsten Fall, der gar nicht so unwahrscheinlich ist, muss davon ausgegangen werden:

Fällt VW, fällt erst die deutsche, dann die gesamte EU-Automobil-Produktion.

Ob die Hersteller ihre Produktion im EU-Ausland aufrecht erhalten können, ist unsicher. Sicher ist jedoch: Mit der Auto-Branche geht in der EU auch der Maschinen- und Anlagenbau in die Knie.

Was sich an Firmensterben längst beobachten lässt, weil schon der teilweise Umstieg auf  die E-Mobilität viele Geschäftsmodelle zerstört hat, wird sich mit dem Ausfall eines Branchenriesen wie VW in noch viel stärkerem Ausmaß fortsetzen.

Die EU hat von Deutschland, Deutschland hat vom Automobil gelebt.

Noch hält der angesägte Ast.

Ein Sturm darf allerdings nicht kommen.