Vernunft – Wille – Gefühl

Es gibt manche Erlebnisse, die einfach dauerhaft im Gedächtnis hängen bleiben und immer wieder Anlass geben, die eigenen Einstellungen und das eigene Verhalten daran zu reflektieren.

Bei mir fand so ein prägendes Erlebnis statt, als nach der Musterung – die Wehrpflicht war damals noch auf 18 Monate festgesetzt – der sogenannte Eignungstest zu absolvieren war. Das fand in den Räumen des Kreiswehrersatz-Amtes in Bamberg statt, und weil der Test sich über etliche Stunden hinzog, war in einer nahegelegenen Gastwirtschaft sogar Gelegenheit ein Mittagessen einzunehmen. Das fällt mir im Zusammenhang mit dem eigentlichen Erleben immer wieder ein, denn das, was dort als Schnitzel, wenn ich mich recht erinnere: mit Kartoffelsalat, aufgetischt wurde, spornte meine Kreativität an, dafür eine zutreffendere Bezeichnung zu finden. Herausgekommen ist: „Panierte Fleischfolie“.

Der Eignungstest, der dazu dienen sollte, festzustellen, bei welcher Waffengattung (Heer, Luftwaffe, Marine) und in welcher Verwendung der Wehrpflichtige mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten, aber auch mit seinen Vorlieben, Gewohnheiten und charakterlichen Stärken und Schwächen optimal eingesetzt werden könnte, wurde von einem Bundeswehrpsychologen geleitet. Dieser Mann, nach meiner Erinnerung damals Mitte vierzig, von eher hagerer Gestalt, was ihn etwas größer wirken ließ, als er tatsächlich war, sprach zwar nicht viel, wenn er die Aufgaben verteilte und kurz erläuterte, doch seine Stimme ließ einem das Blut in den Adern gefrieren. Laut, schnarrend, abweisend, arrogant, also dem Röhren des Platzhirsches nicht unähnlich, verschaffte er sich den Respekt der Horde der Achtzehnjährigen und meine tief empfundene Abneigung, die ich dabei auch auf die gesamte Bundeswehr ausweitete.

Als die Aufgaben abgearbeitet waren – vieles davon entstammte den damals sehr beliebten Intelligenz-Tests, die mir bekannt waren – vieles waren aber auch jene heimtückischen Psychologen-Tests, mit hunderten von Fragen und vielen eingestreuten Kontrollfragen, die man ob der schieren Masse gar nicht alle so im Kopf behalten konnte, dass man ein in sich schlüssiges Bild von sich hätte hinmanipulieren können – und der  schnarrende Psychologe die letzten Aufgabenbögen ausgewertet hatte, durfte die Masse der Prüflinge den Heimweg antreten. Fünf oder sechs, darunter auch ich, mussten bleiben, um in einem persönlichen Gespräch mit dem Psychologen eine Art „mündliche Prüfung“ zu bestehen. Der Buschfunk hatte schon vorher davon berichtet, dass es dabei darum ginge, besonders auffällige Ergebnisse, ob nun gut oder schlecht, noch einmal zu überprüfen. Es käme darauf an, herauszufinden, ob jemand sich speziell vorbereitet hätte, um zum Beispiel wegen charakterlicher Schwächen oder wegen Blödheit – hier sei an den braven Soldaten Schwejk erinnert – trotz körperlicher Fitness als untauglich eingestuft zu werden.

Es waren Einzelgespräche. Die Kandidaten saßen draußen auf dem Flur auf harten Stühlen, gleich neben jener Tür, die in meiner Erinnerung mehr als Portal, denn als Türe aufscheint, zweiflügelig zumal. Als der erste Prüfling wieder herauskam, wusste er nicht viel zu berichten und war auch schnell verschwunden. Der Zweite meinte so etwas, wie „ganz einfach“, und war auch weg. Als der Dritte herauskam wurde ich hineingebeten.

Nichts mehr von der lauten, schnarrenden, abweisenden, arroganten Stimme, kein Versuch mich einzuschüchtern. Ich saß einem freundlichen Menschen gegenüber, der an mir als Mensch interessiert war. Wie lange dieses Gespräch dauerte, weiß ich nicht mehr zu sagen. Kurz war es jedenfalls nicht. Zum Abschluss stellte er mir dann jene Frage, die mich seither mein ganzes Leben lang begleitet hat: „Was ist für Sie wichtiger, wie sieht Ihre Prioritätenreihe aus, wenn Sie diese Begriffe einordnen müssten: Wille, Gefühl, Verstand?“

Diese Frage hatte ich mir bis dahin noch nie gestellt, noch war sie mir von anderen gestellt worden, noch war ich mir in diesem Augenblick einer Prioritätenreihe bewusst. Von daher fiel meine Antwort nach einer kurzen Bedenkzeit sehr ehrlich aus: 1. Verstand, 2. Wille, 3. Gefühl. Ich wurde verabschiedet, ohne noch weiter befragt zu werden, zum Beispiel danach, wie sich das in Relationen ausdrücken ließe. Doch schon während der Heimfahrt mit der Bahn ging mir genau das durch den Kopf, verbunden mit der Frage, welche Erkenntnis der Psychologe wohl aus meiner Antwort gezogen haben mochte, und ob sie zum offiziellen Test gehörte, oder doch eher ein Teil seines persönlichen Interesses, vielleicht zur Veröffentlichung einer eigenen Studie, war die vor dem Hintergrund der für ihn ja offen liegenden übrigen Ergebnisse von Tausenden Wehrpflichtiger, eine für die Fachwelt hochinteressante Aussage ermöglicht hätte.

Ich weiß es bis heute nicht. Eingezogen wurde ich am 2. Januar 1969 zum Luftwaffenausbildungsregiment in Roth bei Nürnberg, zur zukünftigen Verwendung vorgesehen beim Fernmelderegiment 72 in Feuchtwangen.

Seither ist die Frage nach der Prioritätenreihe von Vernunft, Wille und Verstand mein ständiger Begleiter. Im Laufe meines Lebens habe ich die Reihenfolge mehrfach verändert. Ich habe mir aber auch die Frage gestellt, wie dieses Verhältnis wohl bei anderen Menschen in meinem persönlichen Umfeld, bei Vorgesetzten im Beruf, bei den jeweils besonders auffälligen, bzw. bei den besonders erfolgreichen Politikern aussehen könnte. Dabei enstand bei mir dann eine Art Tabelle der Möglichkeiten und ein Gefühl für gefährliche Konstellationen, die ich Ihnen gerne hier kurz schematisch nur für jene Fälle vorstelle, in denen der Wille – ausgehend von einem ausgewogenen Verhältnis – dominant wird.

Wille Gefühl Verstand
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Gestern habe ich die jüngste Ausgabe von „EWK – Zur Lage“, Stand April 2021 an meine Förder-Abonnenten auf den Weg gebracht. In der Einleitung dazu, mit der ich jeweils versuche, ein übergeordnetes Stimmungsbild zu zeichnen, hat sich das „Wille-Gefühl-Verstand-Rätsel“ wieder einmal in dieses Stimmungsbild hineingedrängt. Hier ist der Text dieser Einleitung. Sie werden die Stelle finden – und nach der langen Vorrede besser zu interpretieren wissen als ohne die Schilderung meines Erlebnis beim Eignungstest.


EWK – Zur Lage

Stand 5. April 2021

Vor zwei Monaten, Ende Januar 2021, hatte ich den Eindruck, dass sich aus der besorgten Unruhe des vergangenen Jahres heraus etwas Neues entwickelt hat, was ich mit dem Begriff „Lässigkeit“ bezeichnen habe. Jenes neue, sich allgemein verbreitende Motto der agierenden Figuren auf den großen und kleinen Bühnen dieser Welt:

Ist der Ruf erst ruiniert,
lebt sich’s völlig ungeniert.

Ich habe es in der „Lage“ vom Januar dann auch noch eine Spur drastischer ausgedrückt:

„Denen ist inzwischen alles scheißegal!“

Dieser Trend hat sich verfestigt und ein neuer, schriller Oberton ist dazugekommen. Ein Geräusch, wie von einem heranrollenden Tsunami, vermischt mit dem atemlosen Keuchen gipfelstürmender Panik zu jenem Missklang, der stets jegliches Vertrauen in die Führung zerstört hat und nichts anderes bedeutet als:

„Nach uns die Sintflut!“

Doch die Hügel, auf denen sie sich vor dem anschwellenden Volkszorn in Sicherheit bringen wollen, sind keine grundsoliden Felsen, die seit Äonen an ihrem Platze stehen, sondern nur eilig aufgeschüttete Sandhaufen schuldenfinanzierten Konsums, deren trügerischer Zusammenhalt auch durch noch so massive Indoktrination, Gedankenkontrolle und gewaltsame Bekehrung unter Androhung drakonischen Strafmaßnahmen nicht dauerhaft gewährleistet werden kann.

Es zeichnet sich ab, dass eine Dekade des blindwütigen Wollens heraufzieht, in welcher jeder Weise, der die Notwendigkeiten erspürt und mit den Mitteln der Vernunft nach Möglichkeiten sucht, ihnen gerecht zu werden, den verblendeten Massen als subversives Objekt zum Fraß vorgeworfen wird.


Die Überschriften zu den einzelnen Themenkomplexen in dieser Ausgabe lauten:

Welt

  • USA – Shithole-Country
  • Biden, die Billionenschleuder
  • China – Ein schneller Konter
  • Iran – Weltkrisenzentrale
  • Großbritannien – Auf eigenen Füßen
  • Indien – Die Bauern immer
  • Japan – Kirschblütenklimakatastrophe

Europa

  • Das hatte man sich so schön gedacht.
  • Die einzelnen Mitgliedsstaaten kommen in dieser Ausgabe der „Lage“ nur summarisch vor.

Deutschland

  • In diesem, unserem Lande  würde sich wohl selbst Helmut Kohl heutzutage nicht mehr zurechtfinden
  • Die Mietsteigerungen sind rückläufig
  • Wahlprogramm der SPD
  • Wohin schlittert Deutschland bis zum 26. September noch?

 Förder-Abonnenten, bei denen die „Lage“ noch nicht angekommen sein sollte, melden sich bitte bei mir.
Irgendwie stehe ich mit der Software, die die Verteilung übernimmt, immer noch auf Kriegsfuß.