Total überbewertet: Meinungsfreiheit (Satire)

Wer braucht  eigentlich Meinungsfreiheit, und warum?

Seit Jahren eskaliert in Deutschland ein Gedöns, das inzwischen sogar von Umfrage-Instituten gemessen wird, womit „man“ glauben machen will, dass schon dreißig, vierzig oder sogar schon fast fünfzig Prozent der Deutschen nicht mehr wagen,  ihre Meinung zu sagen.

Fragt man sich allerdings, was eine Meinung ist, und wie man sich eine Meinung bildet, und feststellt, dass es sich bei der Meinung um eine – zumeist wertende – Einschätzung von Sachverhalten, Entwicklungen und Absichten handelt, die auf Basis der verfügbaren relevanten Fakten, des Vorwissen und der Lebenserfahrung entwickelt wird um als nützliche Richtschnur für eigene Entscheidungen und eigenes Handeln genutzt zu werden, und dies solange, bis zusätzliche Informationen eine Revision erforderlich machen, dann muss man schon bezweifeln, dass bis zu fünfzig Prozent der Deutschen auch nur annähernd Kenntnis von so vielen relevanten Fakten hätten, dass sich auf diesem Fundament eine gefestigte Meinung aufbauen ließe.

Bevor dieser Aspekt weiter beleuchtet werden kann, muss zwingend ein Blick auf jene 50, 60 oder 70 Prozent der Deutschen geworfen werden, die – laut Demoskopie – die Frage, ob sie Angst hätten, ihre Meinung zu sagen, verneint haben. Könnte es  sein, dass es sich dabei zu 99,9 Prozent um jene sprichwörtlich „schweigende Mehrheit“ handelt, die ihre Meinung nicht deshalb nicht sagen, weil sie sich vor möglichen Konsequenzen fürchten, sondern schlicht und einfach deshalb, weil sie gar keine eigene Meinung haben? Es steht zu befürchten, dass diese aber nicht nur keine eigene Meinung haben, sondern noch nicht einmal jene Einschätzungen und Wertungen übernehmen, die von den Medien transportiert werden, weil ihnen nämlich alles das, worüber andere sich vielleicht eine Meinung bilden, von vornherein völlig egal ist, weil sie sich nicht dafür interessieren, weil  sie überzeugt sind, dass die, die die Verantwortung tragen, schon das Richtige machen werden.

Wieviele genau es sind, wissen wir nicht, die Demoskopen fragen ja immer nur eine Stichprobe von einigen hundert Personen, doch – grob hochgerechnet – dürfte es sich um eine klare, absolute Mehrheit handeln, für die so etwas wie „Meinungsfreiheit“ faktisch irrelevant ist. Das bestätigt die forsche These, die „Meinungsfreiheit“ sei  total überbewertet, schon einmal für die Mehrheit. Da in der Demokratie Mehrheiten entscheiden, dürfte von dieser Seite bei Einschränkungen der Meinungsfreiheit kein Protest zu erwarten sein. Man könnte diese Faktenlage sogar so ausdeuten, dass eine Mehrheit für die Einschränkung oder die gänzliche Abschaffung der Meinungsfreiheit, wie sie das Grundgesetz garantiert, jederzeit mobilisiert werden könnte.

Nun aber zurück zu den Ängstlichen, die nicht mehr wagen, ihre Meinung zu sagen. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, dass es sich – trotz aller möglichen Erfassungsfehler – um die Minderheit im Lande  handelt. Minderheiten sichert die freiheitlich-demokratische Grundordnung besonderen Schutz zu – und, wie sich zeigt: Solange die Angehörigen der Minderheit derjenigen, die nicht wagen, alles zu sagen, sich auch so verhalten, wie sie es den Umfrage-Instituten gegenüber angegeben haben, genießen sie auch den vollen Schutz des Grundgesetzes und tauchen in den einschlägigen Berichten der Landesämter für Verfassungsschutz, sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz auch nicht auf.

Wer daraus schließen wollte, diese – zugegeben – relativ große Minderheit sei von der Meinungsfreiheit ausgeschlossen, befindet sich im Irrtum. Der Meinungsfreiheit wohnt doch nicht der Zwang inne, eine Meinung, kaum dass sie gefasst ist, auch äußern zu müssen. Das hat sich ja schon bei der Betrachtung der Mehrheit ergeben, auch wenn es expressis verbis dort so noch nicht formuliert worden ist. Freiheit ist eben Freiheit. Niemand kommt auf die Idee, dass Religionsfreiheit lediglich bedeutet, unter den angebotenen Religionen wählen zu können, sich aber für eine entscheiden, der entsprechenden Religionsgemeinschaft beitreten und deren Regeln befolgen zu müssen. Nein. Religionsfreiheit heißt eben auch, keiner Religion angehören zu müssen, und so man einer angehört, deren Regeln eben nicht folgen zu müssen.

Bei der Meinungsfreiheit ist es also egal, ob man gar keine Meinung hat, und sie deswegen gar nicht zu sagen vermag, oder ob man sich eine oder gar mehrere Meinungen gebildet hat, diese aber für sich behält. Wenn nun knapp die Hälfte  der Deutschen es vorziehen, ihre Meinung nicht zu äußern, dann fällt das selbstverständlich ebenso unter dem Schutz der Meinungsfreiheit, die es umgekehrt auch erlauben würde,  seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.

Addieren wir nun die Anteile der vorgenannten Mehrheit und die Anteile der zuletzt angesprochenen Minderheit, so dürften an jenen angestrebten 100 Prozent nur die Anteile fehlen, die aufgrund statistischer Erhebungs- und Auswertungsfehle immer übrig bleiben und gewöhnlich durch den Einsatz ausgleichender Rundungsfehler verdeckt werden.

Beließe man es dabei, könnte man behaupten, die Meinungsfreiheit ist eine irrelevante abstrakte Konstruktion, die total überschätzt wird, weil die Mehrheit keine Meinung hat und die Minderheit, also das Komplement zur Vollständigkeit der Bevölkerung, zwar eine Meinung haben mag, es aber vorzieht, von der Meinungsfreiheit allenfalls nur passiv Gebrauch zu machen.

So einfach darf man es sich aber nicht machen, denn Individuen, die sich eine Meinung bilden und sie auch äußern und verbreiten, die gibt es schließlich. Es gibt sie in drei grundsätzlichen Ausprägungen:

  1. Die dazu Berufenen
    Dabei handelt es sich in allererster Linie um die Angehörigen der politischen Parteien, insbesondere die Funktionsträger innerhalb der Parteien, bis hinauf  zum Parteivorstand, die sich der Mühe der Meinungsbildung unterziehen müssen, um im Parlament ihre Stimme zu erheben und ihre Meinungen zur Diskussion zu stellen, auf dass die parlamentarische Mehrheit sich für die richtige Meinung entscheiden möge. Da, im Parlament, ist der Ort, an  dem von den Vertretern des Volkes in Ausübung der ihnen übertragenen Vertretungsvollmacht die gültigen Meinungen festzulegen sind, um nach deren Maßgabe die jeweils erforderlichen Gesetze zu erlassen.
    Da wir in Deutschland in der glücklichen Lage sind, auf eine klare Trennung zwischen Legislative und Exekutive verzichtet zu haben, erübrigt sich die gesonderte  Erwähnung der Rolle der Regierung bei der Meinungsbildung, da die Regierung stets von den Parteien gebildet wird, deren Rolle bereits hinlänglich beschrieben ist.
  2. Die Multiplikatoren
    Was wäre eine vom Parlament festgesetzte Meinung, könnte das Volk davon nur erfahren, wenn es sich auf der Besuchertribüne im Reichstag wohnlich einrichtet? Dafür fehlt erstens der Platz, und zweitens sollten weite Teile des Volkes Besseres zu tun haben – nämlich arbeiten und Wohlstand schaffen – als ihre Zeit mit dem Anhören von Parlamentsdebatten zu verbringen. Es braucht also Botschafter, Herolde, die dem Volk verkünden, was Meinung ist. Glücklicherweise gibt es die Qualitätsmedien, die immer noch in kleinen gedruckten Printauflagen,  aber vermehrt auch über ihre Internetpräsenzen, die im Parlament gründlich ausdiskutierte und damit festgesetzte Meinung, im Verein mit  den öffentlichen und privaten Rundfunk- und Fernsehanstalten flächendeckend verbreiten, womit sichergestellt ist, dass sich niemand mehr der Mühe unterziehen muss, sich eine eigene, in der Regel dann aber irrige Meinung zu bilden.
  3. Die dem mehrfach erwähnten Erfassungsfehler Zuzuordnenden
    Ob  sie nun in den ausgewählten Befragungskohorten der Umfrageinstitute vorsorglich oder zufällig nicht enthalten waren, oder ob sie bei der Befragung vorsätzlich falsche Angaben gemacht haben, ist mit den unterhalb der Geheimdienstschwelle verfügbaren Instrumenten nicht mit Sicherheit festzustellen, doch die Tatsache, dass es sie gibt, kann – auch wenn es sich um eine verschwindende Minderheit handelt – nicht ernstlich in Frage gestellt werden.
    Es sind sonderbare Gestalten die offenbar gar nicht anders können, als der geltenden Meinung eine eigene Meinung entgegenzustellen, gegründet auf Fakten, die jeder Faktenchecker im ersten Lehrjahr zu widerlegen in der Lage ist. Ihnen allen zu eigen ist eine übersteigerte Fantasie, die sich bei fast allen in dystopischen Zukunftsszenarien äußert, die darauf schließen lassen, dass ihr Ziel ist, die Bevölkerung zu ängstigen, vor allem aber das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu zerstören und damit einer Art Anarchie den Boden zu bereiten, ohne dass  sie aber in der Lage wären, dieses brachliegende Feld auch vernünftig zu bestellen.
    Ausgerechnet diese sind es, diese verschwindende, verwirrte Minderheit, die glaubt, sich bei allem Blödsinn, den sie von sich geben, auf die Meinungsfreiheit berufen zu müssen. Nun, das Grundgesetz räumt ihnen dieses Recht ein und der Rechtsstaat wird sich hüten, dieses Recht zu beschneiden, auch wenn sich – wie eingangs erwähnt – eine demokratische Mehrheit dafür finden ließe. Hier geht es schließlich ums Prinzip.

Die unter a. und b. beschriebenen Meinungsbildner und -verbreiter gehen in ihrer demütigen Bescheidenheit jedoch nicht davon aus, etwa allwissend und zugleich die Klügsten unter den Klugen zu sein. Meinungsbildung ist ja, wie bereits beschrieben, ein Prozess, der auf umso tönereren Füßen steht, je dünner die Faktenlage, je schmaler das Vorwissen und je geringer die Lebenserfahrung der Veranwortlichen sind . Von daher sind sie bemüht, sich auch aus anderen Quellen zu informieren, insbesondere dann, wenn die dort verbreiteten Informationen von der Parlamentsmeinung abweichen oder ihr gar widersprechen. Da gilt es, an die Fakten zu gelangen, die von den  unter c. näher beschriebenen Meinungsbildnern genutzt werden, aber selten so vollständig preisgegeben werden, dass  ihre unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehenden Einschätzungen schon nachvollzogen werden könnten. Besonders wenn die veröffentlichte c.-Meinung, was immer wieder vorkommt, als verdächtig vernünftig eingestuft werden muss und es nur noch an den Beweisen fehlt.

Nach dem Geiste des Informationsfreiheitsgesetzes ist es jedoch die Pflicht jedes Informationsbesitzers, alle vorhandenen Informationen auf Verlangen herauszugeben. Das ist keine Einbahnstraße. Es sind keineswegs nur die Bürger, die vom Staat Auskunft verlangen dürfen, das ist umgekehrt genauso und sogar noch viel wichtiger. Wenn sich der Informationsbesitzer allerdings weigert, seine Informationen preiszugeben, und nur dann, genügt ein richterlicher Beschluss, um per Hausdurchsuchung alle auffindbaren Dokumente, Computer, Smartphones und sonstige Datenträger für die staatliche Auswertung zu sichern.

Natürlich ist unter den c.-Meinungsbildnern in jedem Einzelfall die Aufregung groß. Sie lassen sich nicht gerne in die Karten schauen, es könnte ja vorkommen, dass die Regierung im Besitz dieser vertraulichen Informationen ihre Einstellungen und Absichten ändert, was für die Betroffenen fatal ist, weil sie dann nicht mehr gegen Regierung und Volksvertreter in gewohnter Weise agitieren können. Aber im Rahmen der Güterabwägung muss man das Gemeinwohl vor den Eigennutz stellen – und es funktioniert ja!

Sehen Sie, ohne eine ganze Reihe von Hausdurchsuchungen und das Auffinden entscheidender Informationen wäre zum Beispiel die jüngst erfolgte, von den Ampelparteien einvernehmlich, wenn auch mit graduellen Unterschieden, vorgenommene Änderung der Migrationspolitik, die nun seit einigen Tagen die Notwendigkeit von Grenzkontrollen ebenso vorsieht, wie intensivere Bemühungen um die Rückführung Ausreisepflichtiger Ausländer, nie in Gang gekommen. Womöglich können weitere Hausdurchsuchungen Informationen zu Tage fördern, die der Regierung eine Abkehr von der Klimarettungspolitik ermöglichen oder, das erscheint aber weniger wahrscheinlich, das Parlament zu einer Aufarbeitung der Politik der Corona-Jahre bewegen könnten. Man weiß es nicht.

Die Existenz dieser Fundgrube fundierter Informationen ist auch einer der Gründe dafür, warum man diese c.-Leute nicht einfach in die Psychiatrie einweist, wo die meisten von denen zweifellos hingehören. Man will sich die Chance, aus diesen Quellen neue Informationen zu schöpfen, einfach nicht entgehen lassen. Und weil man nie weiß, wer von denen etwas Wichtiges ausgraben wird, muss man sie eben alle verschonen.

Trotz allem gilt, und ich nehme an, dass das jetzt auch alle außerhalb der Bundesregierung so einschätzen:

Die Meinungsfreiheit  ist vollkommen überbewertet.