Olaf „Blitzreisender“ Scholz

Inmitten seiner „Lieben“ in Schloss Meseberg sind Olaf Scholz die Strapazen seiner Blitzreise in die USA nicht mehr anzusehen. Es ist auch nicht festzustellen, dass das geheime Thema dieser Reise im Regierungskreis Thema gewesen sei.

Der Versuch, den Blitzbesuch des deutschen Bundeskanzlers in Washington zu analysieren, endet – nach Abwägung der Wahrscheinlichkeiten – mit einer sehr überraschenden Erkenntnis.

Der Reihe nach:

80 Minuten soll das Vier-Augen-Gespräch zwischen Joe Biden und Olaf Scholz gedauert haben. Das ist zwar knapp Tatortlänge, aber weit von dem Zeitaufwand entfernt, den eine intensive Beratung über die Details und das Für- und Wider eines geplanten Vorgehens – in  welcher Angelegenheit auch immer – erfordern würde. Bedenkt man zudem, dass hier zwei weit von den Niederungen der Details abgehobene Personen ein Thema von zentraler globaler Bedeutung besprochen haben sollen, dann kann mehr als eine oberflächliche Behandlung nicht stattgefunden haben.

Die von den meisten Kommentatoren angenommene Tatsache, dass es sich um ein „Briefing“ des vollkommen überrumpelten Bundeskanzlers gehandelt habe, der grob in ein Lagebild eingewiesen und anschließend seine Befehle erhalten habe, ist von daher nachvollziehbar.

Dass Scholz eigens dafür nach Washington jetten musste, kann sowohl als ein Zeichen für die hohe Dringlichkeit der Thematik, als auch als ein Indiz für eine extrem extreme Geheimhaltungsbedürftigkeit der Gesprächsinhalte angesehen werden, was durch die Abwesenheit von Dolmetschern nochmals unterstrichen wurde.

Hektische Aktivitäten in Berlin nach Rückkehr des Kanzlers, würden den Eindruck der Dringlichkeit bestätigen – eine Klausurtagung der Ampel auf Schloss Meseberg kann ich allerdings nicht als Indiz für eine solche Dringlichkeit werten.

Es bleibt als praktisch einzige Information über den Inhalt des Gesprächs die Notwendigkeit darüber absolutes Stillschweigen zu wahren. Das entpuppt sich jedoch bei näherer Betrachtung als eine Farce. Wer glaubt, Joe Biden habe sich da im stillen Kämmerlein des Oval Office ganz alleine einen genialen Plan ausgedacht, ohne sich auch nur in Stichworten Notizen zu machen, er habe dann mit Berlin telefoniert und Olaf Scholz gebeten, schnell mal vorbeizukommen er wisse jetzt, wie die Welt gerettet werden könne und welche Rolle Deutschland dabei zu spielen hat, entbehrt jeglicher Grundlage.

Wenn Biden einen Plan zu verkünden hat, dann ist der über eine längere Zeitstrecke von einer ganzen Reihe von Spezialisten erarbeitet worden. Die Zahl der vollständig Eingeweihten auf Seiten der US-Administration dürfte irgendwo zwischen fünf und fünfzehn angesiedelt sein, dazu ungefähr das Zehnfache an Führungsfiguren aus dem Außenministerium, den Diensten und dem Militär, die jeweils soweit informiert sind, dass sie sich „das Ganze“ mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit zusammenreimen können. Dies steht in einem absoluten Missverhältnis zur Geheimnistuerei eines Vier-Augen-Gesprächs. Es hätte nichts dagegen, viel aber dafür gesprochen, auf amerikanischer Seite ein oder zwei der führenden Verfasser des Planes hinzuzuziehen, und sei es nur, um Nachfragen des Kanzlers beantworten zu können.

Dies gilt natürlich für die deutsche Seite ebenso. Selbst wenn es gelingen könnte, Olaf Scholz im Laufe von 80 Minuten auf eine komplexe Situation vorzubereiten und seine Rolle im geplanten Spiel aufzuzeigen: Was kann denn der deutsche Bundeskanzler – back home – an seinem Schreibtisch im Kanzleramt bewirken, wenn er nicht die beteiligten Minister und Führungskräfte bis in jedes Detail, an das er sich zu erinnern vermag, informiert? Nichts.

So entpuppt sich das Vier-Augen-Gespräch als ein dramaturgisches Element  das lediglich der Erhöhung der Aufmerksamkeit dient.

Sollten Olaf Scholz also tatsächlich konkrete Handlungsanweisungen übermittelt worden sein, dann ist anzunehmen, dass ihm diese im Verlaufe der Unterredung in digital verschlüsselter, schriftlicher Form übergeben wurden. Wobei seine Rolle in diesen  80 Minuten darin bestanden haben dürfte, seine unbedingte Bereitschaft zu erklären, die ihm übermittelten Befehle gehorsam und buchstabengetreu auszuführen.

Dass Scholz anschließend in Berlin zur Befehlsausgabe antreten lassen muss, daran ändert sich dadurch nichts.

Kurz: Wenn Olaf seine Leute, also zum Beispiel Pistorius und zwei Generäle der Bundewehr, oder Habeck mit Graichen, oder Lindner mit den Chefs von Rheinmetall und KMW, oder alle zusammen mitgenommen hätte, wäre – von der Zahl der informierten Personen her – nichts anders gewesen. Abgesehen davon, dass die Qualität der Information in der zweiten Reihe vermutlich besser gewesen wäre als beim Prinzip „Stille Post“, das hier offenbar bevorzugt wurde.

Nun war Biden kürzlich bei Selenski und anschließend in Polen. Mag sein, dass der gleiche Plan dort bereits besprochen und nach Informationsaustausch und Diskussion noch einmal überarbeitet wurde.

Das hieße, dass Polen und die Ukraine gemeinsam mit den USA die Rolle Deutschlands für einen geplanten Prozess festgelegt hätten, während Deutschland nur noch Befehlsempfänger ist.

Da taucht die Frage auf, welche Rolle Deutschland denn zugedacht sein könnte?

Alles, was Deutschland in Bezug auf die Ukraine tun kann, tut es bereits. Was es ggfs. noch mehr tun könnte oder sollte, hat nicht das Gewicht, um ein eilends angesetztes, hochgeheimes Vier-Augen-Gespräch zu rechtfertigen.

Wenn etwas dieses Gewicht hätte, dann der offizielle Kriegseintritt der NATO mit der kaum auszuschließenden Folge der Vernichtung weiter Teile der Welt im nuklearen Feuer.

Aber über einen solchen Plan vorher den deutschen Bundeskanzler zu informieren, wie verrückt wäre das denn? Abgesehen davon, dass ein Atomkrieg schon verrückt genug wäre.

 

Es bleibt nichts übrig, was die Dringlichkeit einer Kanzlervisite bei Joe Biden begründen könnte, und es bleibt nichts übrig, was die zur Schau gestellte Geheimhaltung begründen könnte.

Nach meiner Einschätzung handelt es sich um eine hochdramatische, aber inhaltsleere Inszenierung, um einen großen Bluff, an dem sich die Analysten Russlands und Chinas die Zähne ausbeißen sollen ohne die geringste Chance, zu einem Ergebnis zu gelangen.

Zu diesem Bluff könnten auch Berichte über die Konzentration von 12.000 ukrainischen Kämpfern in einem Aufmarschgebiet vor Saporischja gehören.

Möglicherweise zielt alles nur darauf ab, die Unsicherheit über die immer wieder angesprochene Frühjahrsoffensive der Ukraine  so weit zu steigern, dass Russland in Verhandlungen über einen Waffenstillstand eintritt und dabei mehr Zugeständnisse macht als nach der Lage im Kriegsgebiet erforderlich wären.

Und sollte Olaf Scholz auf die hartnäckigsten Fragen von Journalisten nur immer wieder wahrheitsgemäß die Auskunft geben, es habe sich nur um einen Besuch zur Bereinigung von Unstimmigkeiten im bilateralen Verhältnis gehandelt, wird ihm das niemand glauben wollen und die Unsicherheit weiter verstärken.