Noch einmal die Windkraft

Vor ein paar Tagen habe ich darauf hingewiesen, dass stillstehende Windräder jede Menge Strom aus dem Netz brauchen, um „am Leben“ zu bleiben.

Dazu gab es mehrere Anfragen, wie lange so ein Stillstand denn dauern würde, so nach dem Motto: „Je länger Stillstand desto weniger Strom.“

Ich sehe ein, dass ich das Problem dabei etwas zu oberflächlich geschildert habe. Also, noch einmal auf Anfang:

Im europäischen Verbundnetz muss in jedem Augenblick exakt so viel Strom erzeugt werden, wie von den Verbrauchern abgenommen wird. Die Netzbetreiber kennen ungefähr die Lastverläufe im Wochen- und Tagesverlauf und können die entsprechenden Kraftwerkskapazitäten ganz gut dem Bedarf entsprechend hoch-, bwz. runterfahren.

Dass, was die Verbraucher abnehmen, wird nicht umsonst als „Last“ bezeichnet. Bei normaler Last bleibt die Drehzahl der Generatoren in den Kraftwerken stabil und damit bleibt  auch die Netzfrequenz des Wechselstroms stabil bei 50 Hertz. Steigt die Last an, dann werden die Generatoren gebremst, die Drehzahl sinkt und damit auch die Netzfrequenz. Dank der großen Schwungmasse der Generatoren drehen die aber auch noch ganz gut weiter, wenn die Leistung der Turbine nicht mehr ausreicht, sie auf der Soll-Drehzahl zu halten. Daher können solche Lastspitzen leicht abgefangen werden.

Nun kommen die Windkraftanlagen ins Spiel.

Die liefern Strom, wenn viel Wind weht, sie liefern mehr Strom, wenn starker Wind weht, sie liefern noch mehr Strom, wenn sehr starker Wind weht, und sie liefern keinen Strom, wenn zu viel Wind weht, oder wenn kein Wind weht. Daher stehen die Netzbetreiber inzwischen auch in innigem Kontakt mit den Meteorlogen, um frühzeitig abschätzen zu können, was von der Windkraft – aus welcher Region – zu welchen Tags- und Nachtzeiten an Energie auf das Netz zukommt, und um rechtzeitig die Leistung der konventionellen Kraftwerke anzupassen.

Wenn genug Wind weht, lässt sich alles regeln.

Nun ist die reguläre Kraftwerkskapazität (Kernkraft, Braunkohle, Steinkohle, Gas) aber bereits so weit reduziert, dass wird in Deutschland über keine gesicherte autarke Stromversorgung verfügen.

Insgesamt verfügen wir zwar noch über konventionelle Kraftwerke mit einer Brutto-Stromleistung von 79 Gigawatt. Doch die sind nicht alle am Netz. Zum Teil, weil sie wegen Wartungsarbeiten stillstehen,  zum Teil weil sie als „Reservekraftwerke“ vorgehalten werden. Als schnell aktivierbare Reserve stehen nur Gaskraftwerke zur Verfügung.

Bei zu wenig Wind und Sonne muss schon seit Jahren und in zunehmendem Maße Strom von ausländischen Erzeugern eingekauft werden. Allerdings steht auch auf diesem Weg nicht jede gewünschte Menge zur Verfügung –  und dieser Importstrom ist, weil sehr knapp, auch sehr teuer.

Und jetzt kommt’s:

Weil die Windkraftanlagen, im aktuellen Bestand bei großflächiger Flaute nicht nur keinen Strom ins Netz speisen, sondern zusammen bis zu 3,5 Gigawatt zur Eigenversorgung verbrauchen, wird ein nicht unbeträchtlicher Teil des teuer importierten Stroms  benötigt, um die Windräder „am Leben“ zu erhalten.

Gleichzeitig ist dieser Stromverbrauch der stillstehenden Windräder eine Last für das sowieso schon überlastete Netz, so dass ein nicht mehr abfangbarer Abfall der Netzfrequenz eintreten kann. Was darauf folgt, sehen Sie auf der hier verlinkten Seite: https://www.netzfrequenzmessung.de/abschaltung.htm

Was dort als „Trennung der Kraftwerke vom Netz“ bezeichnet wird, entspricht dem, was üblicherweise als Blackout bezeichnet wird. Die Lichter gehen aus, und es kann sehr lange dauern, bis das Netz wieder aufgebaut ist.

Es ist also im Grunde egal, wie lange eine Flaute währt. Es kommt nur darauf an, wie viele Windräder deswegen gleichzeitig ausfallen. Sind es zu viele, kann es zum Lastabwurf und schlimmstenfalls zum Blackout kommen.

Das lässt sich von der Kuriosität her aber noch steigern.

Vor der Insel Borkum wurde der Windpark „Riffgatt“  mit 30 Windrädern in die Nordsee gesetzt. Die sind fertig, betriebsbereit, und könnten Strom liefern, doch es fehlt der Stromanschluss an das Netz am Festland. Weil so ein Windrad aber ohne Strom stirbt, und weil in diesem speziellen Fall sogar die Flügel bewegt werden müssen, sorgen Dieselaggregate für die Stromversorgung des Windparks – und das noch bis ins Jahr 2014.

BILD hat darüber berichtet.

Und dann noch ein Witz der Sonderklasse:

Anfang Februar trafen sich die Außen- und Gesundheitsminister der EU in Lyon. Umweltbewusst, wie diese Herrschaften nun einmal sind, sollten sie nach der Veranstaltung mit rund 50 Elektromobilen der Extraklasse zum Flughafen gefahren werden.

Damit dieser Konvoi überhaupt fahren konnte, mussten Lyon große Dieselgeneratoren anmieten, die genug Strom lieferten, um die  Akkus aufzuladen. Auch darüber hat BILD berichtet.

Marcel Arndt hat seine Gedanken dazu in einer Karikatur zum Ausdruck gebracht.

In diesem Sinne: Ein schönes, windiges Wochenende!