Im Auge des Klimas – Katastrophenfilm

Ob sich nun der San Andreas Graben auftut und San Franzisko verschluckt, ob der lange für erloschen gehaltene Vulkan doch wieder ausbrechen wird, ob ein Flugzeug entführt wird oder eine U-Bahn führerlos durch die Stadt rast, in Einem gleichen sich alle Katastrophenfilme: Am Ende gelingt es dem Helden doch stets, den größten Teil der Welt und einige schon verloren geglaubte Protagonisten zu retten.

Außerdem ist es stets so, dass demjenigen, der als Erster oder Einziger die Gefahr erkennt und darauf hinweist, kein Glauben geschenkt wird, dass man ihn – ggfs. auch mit Gewalt –  daran hindert, das  Notwendige zur Rettung in die Wege zu leiten, oder, dass sich jemand findet, der behauptet, die Rettung gelänge nur, wenn man genau das Gegenteil dessen tut, was der Erste vorschlägt.

Eine  weitere Ähnlichkeit, welche die allermeisten Katastrophenfilme aufweisen, besteht darin, dass zuerst alle jene Filmfiguren vorgestellt werden, deren Schicksal sich im Laufe der Katastrophe entscheiden wird, dass diese Figuren dann nach und nach an den „Ort“ der bevorstehenden Katastrophe gebracht werden, wo sich einige von ihnen begegnen und kennenlernen.

Ja, und wenn es so weit ist, geht es los. Der Himmel verdunkelt sich, die Hochhäuser stürzen ein, das Kreuzfahrtschiff treibt kieloben, … Was immer Sie wollen, die Hollywood-Studios können es auf die Leinwand bringen.

Eine Stunde später geht dann das Licht im Kino wieder an. Die Besucher treten hinaus ins Freie, atmen noch einmal tief durch und das war’s dann.

Unser Katastrophenfilm folgt einem anderen Muster.

Im „Freitag“ lese ich am heutigen Freitag mit Entsetzen einen Beitrag von Michael Jäger, der doch tatsächlich meint:

„Unser derzeitiges System kann den Kollaps des Klimas nicht aufhalten.
Das kann nur eine demokratische Revolution.“

In diesen beiden Sätzen ist so viel Blödsinn enthalten, dass es Didi Hallervorden für ein halbes Dutzend großartiger Sketche gereicht hätte.

Das beginnt mit „Unser“ und „derzeitiges System“. Da „das Klima“ sich zwar nach wie vor in unterschiedlichen Klimazonen aufhält, sich aber über alle Klimazonen hinweg verändert, es sich beim Klima also um ein „globales Phänomen“ handelt, kann kein wie immer geartetes deutsches, EUropäisches oder im weitesten Sinne „westliches“ System – als unser System – vor der Aufgabe stehen, den Kollaps des Klimas aufzuhalten, und dass es ein die ganze Welt dominierendes politisches System gäbe, das den Kollaps nicht aufhalten kann, ist mir nicht bekannt.

Es ist mir auch nicht bekannt, dass das Klima vor dem Kollaps stünde. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie ein Kollaps des Klimas, also der Zusammenbruch des Klimas aussehen würde. Gäbe es dann kein Wetter mehr? Keinen Wind, keine Wolken, keinen Regen, keinen Sommer, keinen Winter? Würde die Erde schlagartig ihre Atmosphäre verlieren? Gäbe es dann nur noch Tag und Nacht? Blieben auch die Temperaturen nach dem Kollaps auf ewig unverändert, würden sie dauerhaft ansteigen oder dauerhaft sinken? 

Gut, Hollywood könnte sich dazu eine ganz und gar fantastische Geschichte einfallen lassen und die mit tausendundeinem Spezialeffekt und in 3-D auf Zelluloid bannen, aber – in Echt?

Jäger sieht also mit dem Klimakollaps eine absolut unbeschreibliche Katastrophe auf die Welt zukommen und er scheint ein menschengemachtes, politisches System erkannt zu haben, welches die ganze Welt beherrscht, aber nach seiner Einschätzung eben nicht in der Lage zu sein scheint, den absolut undenkbaren Kollaps aufzuhalten, geschweige denn, zu verhindern.

Aber: Er hat ja auch eine Lösung parat. Er empfiehlt sozusagen „kochendes Eis“ herzustellen, was den Vorteil habe, dass man sich daran weder verbrühen (Brühe wäre ja flüssig) noch eine Frostbeule holen kann, weil Eis, wenn es erst einmal kocht, so kalt ja gar nicht mehr sein könne.

Das war – von mir boshafterweise vorangestellt – meine Assoziation zu seiner Idee einer „demokratischen Revolution“. Entschuldigung. Eine „Idee“ steht ja gar nicht dahinter, Jägers „demokratische Revolution“ ist nur eine sinnleere Parole. Was er tatsächlich meint, und es löst bei mir starkes Fremdschämen aus, das hier wiederzugeben, hat er in diesen Sätzen auf den Punkt gebracht:

Diese Demokratie wäre neu in einem unmittelbar praktischen und auch in einem mehr menschheitsgeschichtlichen Sinn.
Der unmittelbar praktische Aspekt liegt darin, dass die Sache koordiniert und geradezu verfassungsmäßig ablaufen müsste.
Man müsste sagen können, soundsoviele Leute haben sich jetzt entschieden, vom Auto auf öffentlichen Verkehr umzusteigen.
Es müsste dann garantiert sein, dass der öffentliche Verkehr entsprechend ausgeweitet wird und die Autoproduktion entsprechend abnimmt.
Wahrscheinlich funktioniert das nicht ohne einen förmlichen Wahlakt der Konsumentinnen, die auf diesem Umweg die gesellschaftliche Produktion wählen würden.

Alleine die Lektüre dieser fünf Sätze ersetzt mir ein halbes Dutzend jener seltenen Katastrophenfilme, die ohne happy end auskommen müssen.

Was ist ein mehr menschheitsgeschichtlicher aber zugleich unmittelbar praktischer Sinn anderes als „Geschwurbel“? Die Erfindung des Rades oder des Buchdrucks meint er ja ebensowenig wie den SUV oder das Internet. Das wären Dinge, deren unmittelbarer praktischer Nutzen menschheitsgeschichtliche Bedeutsamkeit erlangt hat. Aber eine Demokratie in der „die Sache“ geradezu verfassungsmäßig ablaufen müsste? Wäre die neu?

Ja. Doch. Versuchen Sie, zumindest den dritten und vierten oben zitierten Satz zu verstehen:

„Man“ (also die Kommission oder der Rat  oder die Räte oder die Komsomolzen oder der Oberste Sowjet oder Angela Merkel) „müsste sagen können“ (einfach so sagen können, einfach drauflosplappern, ohne sich die Mühe zu machen, wirklich abstimmen zu lassen), „soundsoviele Leute haben sich jetzt entschieden“ (also eine x-beliebige Menge), „vom Auto auf öffentlichen Verkehr umzusteigen.“ (Und wenn das dann einmal so gesagt worden ist, dass also „soundsoviele“ sich entschieden haben, was nicht nach Mehrheit klingt!, dann) „müsste garantiert sein, dass der öffentliche Verkehr ausgeweitet wird und die Autoproduktion entsprechend abnimmt.“

Leider, fügt Herr Jäger noch hinzu, wird das nicht ohne einen förmlichen Wahlakt der Konsumentinnen funktionieren.
Gottseidank, füge ich hinzu, kann es gar nicht funktionieren, und gottseidank haben wir dieses Experiment bereits durchgeführt und unter dem Verlust von Millionen von Menschenleben, unter Inkaufnahme unnötiger materieller Not, nun zu einem Ende gebracht, so dass wir es nicht noch einmal zu wiederholen brauchen.

Revolutionäre Demokratie – so könnte man das jetzt missverstehen wollen – wäre nach Jäger ein Zustand, in dem unglücklicherweise auf Wahlen nicht verzichtet werden kann, wobei man allerdings die Männer vom Wahlrecht bereits ausschließen konnte. Revolutionäre Demokratie – so könnte man das jetzt missverstehen wollen – ist der Wiedergänger der 10-Jahres-Pläne der ehemaligen Ostblockstaaten, allerdings mit einem Wahlrecht der Bevölkerung, bezüglich der Produktionszahlen aller Gebrauchsgüter für die nächsten 120 Monate.

Jägers demokratische Revolution wäre nur mit 100%ig planwirtschaftlichen Mitteln zu erreichen, wobei demokratische Mitbestimmung die Planwirtschaft, alleine wegen der Notwendigkeit der Darstellung alternativer Szenarien, selbst unter Einsatz der mächtigsten verfügbaren Computer, zu einem ewig im Leerlauf rotierenden Bürokratimonster nie gesehener Größe aufblasen würde.

Dass Jäger es in seinem Text für ein Problem hält, dass sich die Demokratie nicht auf die Wirtschaft bezieht, offenbart seinen grundsätzlichen Denkfehler, ich zitiere dazu frei aus „Das EU Diktat“ von Florian Stumfall:

Wäre die Demokratie ein universelles Prinzip, wie Jäger offenbar irrtümlich annimmt, dann müssten Chefarzt, Anästhesist, OP-Schwestern, Pfleger und Putzfrauen in einem demokratischen Prozess über alle Angelegenheiten der Klinik und der Patienten abstimmen. Schütze Bumm und General Horst von Eichenlaub hätten demokratisch über die Anschaffung von Kampfpanzern und den strategischen Angriffsplan zu entscheiden. Im Flugzeug gäbe es nach dem Start unter den Passagieren und der Besatzung eine Wahl des Reiseleiters, der dann bestimmen dürfte, wohin die Reise gehen soll, usw., usw.

Glücklicherweise greifen „in unserem derzeitigen System“ noch überall da, wo es gefährlich werden kann, die Prinzipien von Fähigkeit, Zuständigkeit und persönlicher Verantwortung.

Was aber die Wirtschaft angeht, und die vielfältigen Bemühungen, sie zu „demokratisieren“, so wird deren Art und Weise dann offenbar, wenn man das Wort „demokratisieren“ durch „sozialisieren“ ersetzt. In diesem Kontext sind nämlich die beiden Begriffe deckungsgleich und das wird noch deutlicher, wenn man sieht, dass solche Bemühungen der „Demokratisierung“ einhergehen mit der Marginalisierung der Eigentumsrechte bis hin zu deren Aufhebung. In beidem, dem „Demokratisieren“ wie dem „Sozialisieren“, verbirgt sich die Absicht, den Einfluss des Staates auf den gesellschaftlichen Bereich auszudehnen.

Dies aber wäre keine demokratische Revolution, sondern eine Revolution gegen die Demokratie!

Man kann den ganzen Artikel Jägers immer wieder lesen. Im Grunde kommt dabei nur immer wieder heraus, dass er die Demokratie liebend gerne durch eine kommunistische oder sozialistische Diktatur ersetzen wollte.

Gedanken, die uns längst – allerdings viel unverblümter und deutlicher – auch aus der vermeintlich politisch unschuldigen Klima-Szene angeboten wurden. 

Ob FFF oder XR, ob die Frage aufgeworfen wird, warum die Großeltern noch mitreden dürfen, wo sie doch eh bald nicht mehr dabei sind, oder ob die „Erkenntnis“ vermittelt wird, es sei keine Zeit mehr für irgendwas, außer für blinden Aktionismus: Von diesen „Bewegungen“ wird derzeit das Drehbuch für den großen, realen Katastrophenfilm geschrieben, der ohne Happy End ins deindustrialisierte, grenzenlose Massenelend führen wird, wo wir versuchend dürfen, ohne Strom, Tablet und Smartphone, ohne Auto, ohne Arbeit, ohne Heizung, aber frei vom Zwang zu jener schweren Verdauungsarbeit, die der Verzehr tierischer Lebensmittel erfordert, zu überleben.

Ein Drehbuch das uns in kargen Kulissen bei Kerzenschein in dunklen und kalten Gemeinschaftsunterkünften sitzen lässt. Und während wir auf das Trappeln des Pferdegespannes der Post warten,

damit wir unseren Antrag auf Zuteilung eines ebenso warmen, wie veganen Winterpullovers, den wir im 64 Seiten starken Amazon-HO-Katalog gefunden haben, an die Zentralverwaltung endlich auf den Weg bringen können,

wird vom Blockwart per Aushang am Schwarzen Brett bekanntgegeben, dass zwei Kegeljungen gesucht werden, die an jedem zweiten Mittwoch ab 14 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit (danach kann ja auch nicht mehr gekegelt werden), flink die gefallenen Kegel wieder aufstellen.

Ich habe noch eine Bitte:

Hier ist der Artikel von Michael Jäger aus dem Freitag verlinkt. Lesen Sie das alles selbst. Sie glauben mir sonst nicht, welches Gedankengut da von Augstein jr. gefördert wird.