HASS ist kein schönes Wort

PaD 8 /2024 – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 8 2024 Hass ist kein schönes Wort

Es ist mir schwergefallen, diesem Paukenschlag einen Titel zu geben. Er hätte vielleicht auch „Hassprävention“ lauten können, oder „Die Ursprünge des Hasses“, oder „Nieder mit dem Hass!“, aber schließlich habe ich mich entschieden, den lautmalerischen Aspekt des Hasses in den Vordergrund zu stellen.

Warum? Weil alle, die den Hass in unserer Zeit so inflationär im Munde führen, mit diesem herausgehechelten, scharfen Zischlaut, der des Vokals im Grunde gar nicht bedarf (Üben Sie mal laut: H_SS), eine gewaltige akustische Umweltverschmutzung herbeigeführt haben, unter der inzwischen das ganze Volk, ja so ziemlich der gesamte Wertewesten zu leiden hat.

Natürlich handelt es sich bei dem zu bekämpfenden Hass um das Ergebnis eines Sprechaktes.

Die von Jürgen Habermas auf den Theorien von  John Langshaw Austin, John Searle und Ludwig Wittgenstein aufgebaute Lehre von einem, dem Sprechakt innewohnenden Wahrheitsanspruch, der in der kühnen Aussage gipfelt:

Wahrheit ist ein Geltungsanspruch, den wir mit Aussagen verbinden, indem wir sie behaupten„,

wird von vielen belustigt abgetan, wie der Kinderglaube an den Fluch der bösen Fee. Doch dem ist nicht so. Zwar kann der Sprechakt keine (direkten) Folgen in der materiellen Welt auslösen, denn seine Mächtigkeit zeigt sich nicht in den Dingen, sondern in unseren Einstellungen zu den Dingen, ihrer Wahrnehmung und Beurteilung.

Der Sprechakt eines Einzelnen, der sich gegen etablierte „Wahrheiten“ einer Gemeinschaft richtet, hat nur wenig Gewicht, es sei denn, jener Einzelne hat sich in der Gemeinschaft ein hohes Maß an Autorität erworben. Doch mit der Übernahme einmal ausgesprochener Wahrheiten durch weitere Gruppenmitglieder und deren häufige Wiederholung, breitet sich die neu behauptete Wahrheit schnell aus und verdrängt die alte Wahrheit nicht nur, sondern drückt ihr auch noch das Schandmal der Lüge auf, und macht jeden, der sich noch der alten Wahrheit erinnert, mindestens zum Lügner, häufig aber zum Feind, und im äußersten Fall zum Schädling, den es zu vernichten gilt.

Den es zu vernichten gilt, … weil sein Denken und Verhalten geeignet wäre, das gesamte Gebilde das um die Neue Wahrheit herum errichtet wurde, zum Einsturz zu bringen.

Das war so, als das heliozentrische das alte geozentrische Weltbild zum Einsturz und damit den Wahrheitsanspruch der katholischen Kirche ins Wanken brachte, obwohl sich an der beobachtbaren Erscheinung der Sonne, die im Osten auf- und im Westen untergeht, nicht das Geringste geändert hat. Für die große Mehrzahl der Menschen ist es mangels eigener, direkter Erkenntnismöglichkeit nichts als die Wirkung eines Sprechaktes, der noch immer wiederholt wird, vor allem von Lehrern gegenüber ihren Schülern, der ihre Überzeugung stützt, die Erde drehe sich um die Sonne, und nicht umgekehrt.

Bitte gehen Sie kurz in sich: Hätten Sie nie etwas von der Gestalt des Sonnensystems gehört oder gelesen, wären Sie je von sich aus auf die Idee gekommen, dass nicht die Sonne über den Himmelsbogen wandert, sondern dass die sich drehende Erde, die Sonne mal im Osten, mal im Zenit und mal im Westen erscheinen lässt?

Sicher, Sie wären draufgekommen, wenn Sie sich dafür interessiert hätten, wenn Sie vor allem nachts den Sternenhimmel beoachtet, Aufzeichnungen gemacht, und daraus Schlüsse gezogen hätten. Sie wären draufgekommen, wenn Sie sich eines wissenschaftlichen Vorgehens befleißigt hätten und den Mut gehabt hätten, scheinbar feststehende Wahrheiten in Zweifel zu ziehen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Sie – als Einziger mit dieser Erkenntnis – auch heute noch um Leib und Leben fürchten müssten, würden Sie damit an die Öffentlichkeit gehen.

Das gerade angeführte Beispiel steht unumstritten für den Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis. In jüngerer Zeit nehmen jedoch Sprechakte einer anderen Qualität überhand, bei denen nicht das wissenschaftliche Forschen die Feder führt, sondern der rein auf Behauptungen beruhende Geltungsanspruch. Diese Behauptungen, oft genug wiederholt und mit Anreizen besetzt, sich ihnen anzuschließen, bringen letztlich auch Wissenschaftler dazu, Belege für diese Behauptungen zu suchen, bzw. zu konstruieren, weil sie den Entzug von Forschungsgeldern und den Verlust der persönlichen Reputation fürchten müssten, wollten sie der neuen, schon weitgehend verfestigten Wahrheit widersprechen.

Sie alle kennen diese Neuen Wahrheiten und deren Geltungsanspruch, der sich auf nicht als Behauptungen stützt.

Aus den Erkenntnissen von Habermas, die durchaus dem Verständnis der Prozesse der „Wahrheitsschöpfung“ dienen, wurde eine psychologische Waffe geschmiedet, in Stellung gebracht und immer wieder mit jener verheerenden Wirkung abgefeuert, die von den alten weißen Männer als galoppierende Verblödung diagnostiziert wird.

  • Die mRNA Impfstoffe schützen vor Ansteckung und Übertragung. Sie sind sicher und wirksam.
  • Lockdowns, Kontaktverbote und Maskenpflicht verhindern die Ausbreitung der Pandemie.
  • Joe Biden ist physisch und psychisch in der Lage, die Amtsgeschäfte des Präsidenten der USA wahrzunehmen und die Kontrolle über die Atomwaffen auszuüben.
  • Es gibt deutlich mehr als zwei Geschlechter und es kommen laufend neue hinzu.
  • Seit Beginn der Industrialisierung erwärmt sich die Erde.
  • CO2 ist ein schädliches Klimagas, dessen atmosphärische Konzentration reduziert werden muss.
  • Wladimir Putin wird ganz Europa unterjochen, wenn es der Ukraine nicht gelingt, seine Truppen zu besiegen.
  • Die AfD ist in Gänze gesichert rechtsextremistisch.
  • Robert Habeck ist Deutschlands Wirtschaftsminister.
  • etc.

Dies alles waren, bzw. sind Sprechakte. Ob diese Sprechakte eine Wirkung, eine neue Wahrheit hervorgebracht haben oder nur eine alte Wahrheit bestätigen, gilt es im Einzelfall zu untersuchen.

Was bewirkte jener Sprechakt des Bundespräsidenten, als er zu Herrn Habeck sagte: „Hiermit ernenne sich Sie …“?

Ein klassischer Sprechakt. Sofort aufgegriffen und in die Welt hinausposaunt von den Grünen und der gesamten Ampel und allen ihren  Anhängern, aufgegriffen von Rundfunk und Fernsehen, von Zeitungen und Journalen – und selbstverständlich von der Masse als neue Wahrheit angenommen. Natürlich ist da  etwas geschehen. Natürlich hat sich die Wahrheit, unser Wissen über die Welt verändert. Aber es war nicht Robert Habeck, der mittels dieses Sprechakts verändert wurde und neue Qualitäten erhalten hat. Was der Sprechakt des Bundespräsidenten veränderte, war unser Verständnis vom Inhalt des Begriffs „Wirtschaftsminister“.

Die Sprechakte von Lauterbach, Wieler und Drosten haben nicht die Qualität von mRNA-Impfstoffen verändert, auch nicht die Sinnhaftigkeit von Lockdowns und Kontaktverboten, noch nicht einmal die Eigenschaften von FFP2-Masken, sondern lediglich die Inhalte der Begriffe „sicher“ und „wirksam“.

Inwieweit Sie den hier nicht eigens besprochenen Sprechakten noch gedanklich nachhängen wollen, überlasse ich Ihnen. Die Muster sind sich zum Verwechseln ähnlich, und wenn Sie noch nicht genug haben, dann bieten Wärmepumpen und E-Mobilität, das Selbstverteidigungsrecht Israels, die Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke, die Willkommenskultur, das neue Deutschland-Tempo, Wumms- und Doppelwumms, das Fortschrittshindernis Schuldenbremse, die Delegitimierung des Staates, das Lieferketten- und das Tierwohlgesetz immer noch genügend Stoff, um Sprechakte zu identifizieren, deren Grundgedanke lautet: „Wahrheit ist ein Geltungsanspruch, den wir mit Aussagen verbinden, indem wir sie behaupten

Die Methoden, per Sprechakt die Logik so zu verändern, dass „false “ zu „true“ und „wahr“ zu „falsch“ wird, sind  so weit vervollkommnet, dass zwischen dem ersten Aussprechen und der mehrheitlichen Akzeptanz nur noch wenige Monate vergehen. Eingeübt haben wir das unter anderem mit scheinbar harmlosen Sprachverstümmelungen

  • zur Unterdrückung des latenten Rassismus, der sich an jedem Zigeunerschnitzel und jeder Mohrenapotheke entzünden und zum Lynchmob ausufern kann,
  • zur Unterdrückung der latenten Frauenfeindlichkeit, die mit jedem generischen Maskulinum ihre Giftzähne tief ins Fleisch der Feministimmen gräbt,
  • zur Unterdrückung der LBSTQxyz-Communitiy – die ohne Gendersternchen (und w/m/d) am eigenen Weltschmerz zugrunde gehen müsste.

Zuletzt war es eine Sache von nur noch Tagen, bis der Sprechakt aus der Correctiv-Redaktion, wiederholt vom politischen Führungspersonal und den rechtschaffenen Medien, die empörten Massen auf die Straße brachte und immer noch bringt, obwohl die Correctiv-Kampagne inzwischen so durchsichtig geworden ist, dass des Pudels Kern zu erkennen ist: Ein Geltungsanspruch, der mit Aussagen verbunden wurde, indem sie behauptet wurden.

Widersprüche und Ungereimtheiten, augenscheinliche Unwahrheiten, die inzwischen ans Licht gelangten und in Hamburg ein erstes Urteil gegen Correctiv auslösten, verbreiten sich hingegen nicht so schnell. Die Ursache: Es wird bis in höchste Regierungskreise unbeirrt an den von Correctiv in die Welt gesetzten Behauptungen, bzw. behauptungsähnlichen Suggestionen festgehalten, und anderslautende Sprechakte sind mit Verbreitungshemmnissen belegt.

Zu diesen Verbreitungshemmnissen gehört in erster Linie jene scharfe Schere, die in die Köpfe implantiert wurde, die da lautet: Schwurblern, Verschwörungstheoretikern, Rattenfängern und rechten Hetzern hört man nicht zu. Eine Schere, die gerade eben noch einmal nachgeschärft wurde, indem ganz frisch zu den bereits bestehenden Meldestellen für dies und das eine weitere „Meldestelle Antifeminismus“ eingerichtet wurde. Zur Schärfung dieser Schere trägt aber auch die staatlich finanzierte „Beratungsstelle entschwört“ bei, die ihre Zielgruppe so anspricht:

„Du bist überfordert, weil dein Vater dir krude Videos schickt und rassistische Verschwörungserzählungen im Familienchat teilt?“

„Wenn du den Eindruck hast, auch deine Familienmitglieder oder Freund*innen leben langsam in einer anderen Realität, melde dich bei uns.“ 

Da kommt es im Mäntelchen der Fürsorge und der Liebe daher, will den Denunzianten helfen, den richtigen Umgang mit den Falschen zu erlernen, schärft die Schere im Kopf der Kinder in der Familie, damit sie den Vater denunzieren, der – sollte er denn von dieser Meldestelle erfahren haben, sich selbst die Schere  im Kopf schärft, darauf verzichtet, in seiner Familie noch von dem zu sprechen, was er für wahr hält, um nicht eines Tages mit von jenem Geschrei erfasst zu werden und gemeint zu sein, dass sich bereits zu einem ohrenbetäubenden Lärm in der deutschen Gesellschaft ausgewachsen hat.

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Millionenfach verstärkter Sprechakt. Vollautomatisch ausgelöst, wo ein Narrativ sich fürchtet, als bloße Behauptung enttarnt zu werden. Hass und Hetze. Die tödliche Gefahr. Gegen Hass und Hetze ist das Phänomen der Übersterblichkeit doch keiner Beachtung wert. Gegen Hass und Hetze ist die Deindustrialisierung Deutschlands doch nur eine Petitesse. Gegen Hass und Hetze stehen doch selbst Nancy Faeser und Lisa Paus wie die guten Feen da, die dir drei Wünsche freistellen. Gegen Hass und Hetze ist die Inflation doch schon beinahe eine Wohltat. Gegen Hass und Hetze ist die zunehmnde Kriegsrethorik doch nur ein laues Lüftchen. Nein. Nichts. Gar nichts steht in der Rangreihe der Gefährlichkeit noch über Hass und Hetze. Selbst Messerattacken und Gruppenvergewaltigungen verblassen gegen Hass und Hetze wie die Taschenlampen-App neben dem Flakscheinwerfer.

Nun. Das ist die neue Wahrheit, mit ihrem Geltungsanspruch, der  aus behaupteten Aussagen stammt.
Wessen Angst wird da aber artikuliert und zur kollektiven Angst der Gesellschaft aufgeblasen?

Und wo  sind die alten Bedeutungen von Hass und Hetze geblieben?

Schauen Sie sich um. Sie werden sie finden. Drehen Sie ruhig jeden Stein um. Das machen ernsthaft Suchende heute so.

Da liegt schon so ein Trumm. Drauf steht: „Demokratie verteidigen“. Was steckt drunter?

Ein anderer Brocken: „Minderheitenschutz“. Schaun Sie mal drunter.

„Verteidigung der Meinungsfreiheit“ – ach du lieber Gott!

Da liegt auch noch „der starke Rechtsstaat“ …

Erinnern Sie sich an Siegfried, den Drachentöter. Er galt einst als ebenso unverwundbar, wie unsere  Demokratie.

Es gab nur eine Stelle an Siegfrieds Rücken, die von dem Drachenblut, in dem er gebadet hatte, nicht benetzt worden war.

Hagen von Tronje war es,  der Kriemhild mit seinem Sprechakt: „Ich will Siegfried beschützen“, dazu verleitete, an Siegfrieds Hemd, genau über der verwundbaren Stelle, die Zielscheibe zu sticken, nach der Hagen dann seinen todbringenden Speer warf.

Hängen Sie diesem Vergleich nicht zu lange nach. Es gibt keinen Zweifel, dass das völkisch-nationalistische Element dieser Sage zu den Kennzeichen des gesicherten Rechtsextremismus zu zählen ist.

Hass und Hetze!