Gestern in den Tagesthemen

Die Tagesschau titelt auf ihrer Website zwar

„Baerbock in den Tagesthemen“,

doch weil nichts so veraltet ist, wie die Zeitung von gestern, habe ich mir erlaubt, auch zur Vermeidung urheberrechtlicher Probleme, in meinem Titel „Baerbock“ einfach durch „Gestern“ zu ersetzen.

Die Vita der Baerbock ist ja seit 2021 angeschwollen, um die  Abschnitte „Kanzlerkandidatin und mit eher aus dem Völkerrecht“, „Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland“, „Welt-feministische Außenministerin“ und ist jetzt in der Phase „Vierfach geimpft und doch schwer verlaufen“ angekommen, in welcher die Attitüde, im Grunde nicht nur das Außenministerium, sondern auch das „Erneuerbare Ministerium“ zu führen, unverkennbar ist.

Was hat sie nicht alles Schönes gesagt, gestern. Gestern, in den Tagesthemen.

„Es.“

Sie hat „Es“ gesagt. Worum es sich bei ihrem „es“ handelt? Wir wissen es nicht. Vermutlich ist „es“ ihr auch egal. Hauptsache, es gibt etwas, wofür man die Erneuerbaren braucht. Und so fügte sie dem „Es“ hinzu: „geht nur mit den Erneuerbaren.“

Erinnert mich an den netten Herrn, der beim Arzt mit seinem „Es“ so lange herumdruckst, bis er das Rezept für die blauen Pillen in Händen hält, weil „Es“ nur mit denen geht.

Aber was langweile ich Sie mit meinen Assoziationen.

„Es“ geht hier schließlich primär um die gestrige Baerbock in den Tagesthemen.

Über das „Es“ hinaus ist sie nämlich an anderer Stelle in märchenhafter Weise präzise geworden, als sie ganz präzise „die Krise“ in die Mikrofone lautmalerte. Man könnte meinen, sie meinte die Energiekrise, die mit dem Abschalten der Atomkraftwerke und dem Kohleausstieg und der CO2-Abgabe und der Verengung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und der Zunahme der mit Energie zu versorgenden Bevölkerung heraufbeschworen wurde.

Weit gefehlt! Baerbocks Krise besteht aus „Sicherheitsherausforderungen“. Sicherheitsherausforderungen, von denen uns in Zukunft noch viel „größere“ drohen, wenn wir die Krise, also die Sicherheitsherausforderungen,  jetzt nicht gemeinsam bekämpfen.

Das Bekämpfen der Sicherheitsherausforderungen müsse aber nicht etwa zum Ziel haben, die Sicherheitsherausforderungen zu minimieren, was durch Diplomatie – statt Feminismus – in der Außenpolitik vermutlich erreichbar (gewesen) wäre, sondern die CO2-Emissionen innerhalb der nächsten acht Jahre zu halbieren.

Doch leider steht da eine große Frage im Möglichkeitsraum der Zukunft, denn die große Frage „ist“ nicht etwa schon bekannt, sondern die große Frage, Annalena Baerbock sieht es kommen: „Die große Frage –  –  wird sein.“

Ein hübscher rhetorischer Kunstgriff. Eine Frage, von der sie behauptet, dass sie erst in Zukunft sein wird, eine Frage, die sich also noch gar nicht gestellt hat, die braucht sie auch nicht zu beantworten.

Dabei bezieht sich die Frage auf etwas, was die feministische Außenministerin im gleichen Satz als bereits „heftigst aufgetreten“ erkannt zu haben suggeriert. So heftigst aufgetreten etwa, wie Rumpelstilzchen, als die schöne Müllerstochter seinen Namen nannte. Aber ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Hier der Satz mit der erst noch sein werdenden Frage im Ganzen:

„Wie stellen wir Gelder bereit, damit wir die Länder unterstützen, bei denen die Klimaveränderungen schon heftigst auftreten?“

Gut. Vermutlich hatte sie noch keine Zeit, mit dem Finanzminister darüber zu sprechen, wie er sich das vorstellt, wenn sich die Frage irgendwann stellen sollte. Geld fällt schließlich nicht in ihr Ressort, und bis der Richtlinienkompetente sich entscheidet und die Richtlinie vorgibt, kann es noch eine Weile dauern.

Noch etwas aus den Tagesthemen von gestern hat meinen Erfahrungsschatz bereichert:

Ein Euphemismus, das zeigte Annalena Baerbock in den gestrigen Tagesthemen deutlich, muss nicht immer im Beschönigen des eher Negativen liegen, er kann auch über einen weiten Bogen der Umgehung des Negativen mit der Herausstellung des Gegenteils vermittelt werden.

Das war jetzt zu abstrakt?

Gut. Wir alle könnten wissen, dass mit den Sanktionen eine Energiekrise ins Rollen gebracht wurde, für die es keine Lösung zu geben scheint, außer jenen ominösen drei Körperstellen, die maximal noch gewaschen werden dürfen, den dicken Pullovern, den abgesenkten Heizungen und den 10 einzusparenden Prozenten.

Annalena Baerbock fasst das so zusammen:

„Selbst wenn der russische Präsident Wladimir Putin definitiv nicht beabsichtigt hat, dass dieser furchtbare Krieg dazu führt, dass wir besser werden bei den Erneuerbaren Energien: Das ist jetzt das Ergebnis.“

Sprachlich unsauber:

Entweder, „Putin hat es definitiv nicht beabsichtigt“, was Baerbock nicht zu wissen scheint, oder Baerbock ist überzeugt, dass, „selbst wenn er  es definitiv nicht beabsichtigt haben sollte“ …

Macht aber nichts: „Putin hat erreicht, dass wir besser werden bei den Erneuerbaren Energien.“

Ich will mich nicht aufhalten mit der Frage, was dieses „bei“ bedeuten soll. Auch das macht nichts.

Die viel wichtigere Frage, die Frau Baerbock mit dem „Besserwerden bei“ ganz elegant und euphemistisch umschifft hat, lautet doch:

Geht es uns, obwohl nicht klar ist, ob Putin das so beabsichtigt haben sollte, nun auch besser, mit den besser gewordenen Erneuerbaren.

Da müssten wir in Putin doch einen Teil von jener Kraft vermuten, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, oder? Da fällt es  uns wie Schuppen von den Augen, warum wir den USA und der NATO und Frau Nuland so dankbar sind, dass sie so lange an des Pudels Kern herumgestochert haben, bis er sich in voller Größe offenbarte! Da muss doch wieder einmal der alte Anti-Pazifistenspruch: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“, im Goldrahmen an die Wand gehängt werden!

Es gibt es allerdings noch Restzweifel. Entweder, es bewahrheitet sich wieder einmal die Weisheit: „Undank ist der Welten Lohn“, oder das Besserwerden mit der Butter bei die Fische und bei den Erneuerbaren ist nur ein im Schlick steckender Strohhalm im ausgetrockneten Flussbett der Energieversorgung. Natürlich kann man sich an jeden Strohhalm klammern. Das wird immer wieder versucht. Es wird sogar immer wieder ein anderes Ergebnis erwartet, aber „erwarten“ ist mit „warten“ verknüpft, und über die Dauer gibt es keine verlässliche Auskunft.

Robert Habeck, der vor unseren Augen früh Ergrauende, ist ja inzwischen so weit, dass er besser geworden ist, bei der Einsicht in die Sinnhaftigkeit der Restnutzung der letzten drei Atomkraftwerke, dass sogar seine Einsicht in die Notwendigkeit der Reaktivierung von Kohlekraftwerken gewachsen ist, nur an North Stream 2, da wagt  auch er sich nicht hinan.

Selbst Annalena Baerbock ruderte schon zurück, auch wenn sie ihr Zurückrudern geschickt in eine unter Vorbehalt gestellte Vorwärts-Parole verpackt hat.

„Wenn wir raus wollen aus den Fossilen, dann geht das nur mit einem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien.“

Hat das niemand bemerkt?

„Wenn wir wollen …, dann …“

Sie hat nicht gesagt: „Weil wir wollen …“, sie hat das Wollen in Frage gestellt. Entweder, unter halbwegs korrekter Verwendung des „Wenn“, im Sinne von „irgendwann später auf der Zeitachse“, oder unter Verwendung des „Wenn“ im Sinne von „falls“, also möglicherweise überhaupt nicht.

Sie hat dann auch noch gesagt – und auch das gilt es, zu bedenken, dass Deutschland keinen Zentimeter von unseren Klimazielen abweichen werde. Abgsehen davon, dass da nicht Deutschlands, sondern „unsere“ Klimaziele von Deutschland eingehalten werden: Der Satz entbehrt auch in anderer Hinsicht nicht einer gewissen Pikanterie:

Eine neue, dritte Maßeinheit für die Klimaziele, hat sich nun zu den Einheiten für Temperatur (Grad Celsius) und den Einheiten für die Masse (Gigatonnen CO2) mit dem Längenmaß „Zentimeter“ hinzugesellt.

Wie geht das, einen Zentimeter  von 1,5 Grad abzuweichen? Gibt es da eine Umrechnungsformel?

Meines Erachtens ist es vollkomen unmöglich, einen Zentimeter von 1,5 Grad abzuweichen. Wohl aber wäre es möglich um ein Grad Kelvin von 1,5 Grad Celsius abzuweichen. Und diesen Ausweg hat sie sich offengehalten. In meinen Ohren klingen wieder einmal die die altbekannten Merkel-Worte:

„Ich habe nie gesagt …“

 

(Das Foto ging um die Welt. Die grafische Adaption stammt von Marcel Arndt)