Frau Baerbock weiß es auch nicht

Unsere omnipotente feministische Außenministerin hat nach den umstrittenen Erfolgen der Konferenz auf dem Bürgenstock bei Luzern gestatementet, dass sie auch nicht weiß, wie viel es kosten würde, wenn wir unsere Freiheit und Sicherheit selbst verteidigen müssten. Sie hat natürlich ihr Nichtwissen nicht so plump geoutet, wie ich das hier formuliert habe. Frau Baerbock hat stattdessen erklärt, „es sei kaum zu beziffern, was es kosten würde“.

Natürlich versucht Frau Baerbock mit dieser Formulierung zu suggerieren, dass die Obergrenze der Kosten der Selbstverteidigung kaum zu beziffern sei, was wohl bedeuten soll, dass wir mit den Euro-Milliarden, die wir dafür ausgeben, dass die Ukraine weiterkämpfen kann, immer noch sehr gut und billig davonkommen.

Es ist Frau Baerbock zugute zu halten, dass sie das außenpolitische Geschäft erst Ende 2021 übernommen hat und, kaum dass die Freude über die Ernennung dem Tagesgeschäft Platz machen musste, festzustellen hatte, dass Russland in die Ukraine eingefallen ist.

Vorher, als sich unsere Kosten für die Verteidigung unserer Freiheit und Sicherheit noch am Verteidigungshaushalt ablesen ließen, war sie schließlich noch nicht im Amt. Woher sollte sie es also wissen, dass wir uns mit weniger als 50 Milliarden Euro jährlicher Verteidigungsausgaben ziemlich sicher fühlen konnten. Von der Freiheit, die wir dabei genießen konnten, soll gar nicht die Rede sein. Das führt zu weit weg vom Thema.

Nun hat der russische Präsident ja vor dem Beginn der Konferenz am Vierwaldstätter See eine Art Grußwort an die Teilnehmer des Treffens gerichtet.

Aus Sicht Deutschlands liefe die Annahme der russischen Vorschläge darauf hinaus, dass die militärische Ukraine-Hilfe eingestellt werden könnte. Russland will ja nur den Rückzug der Ukrainischen Truppen aus jenen Gebieten, deren Bewohner sich in Volksabstimmungen für den Anschluss an Russland entschieden haben, und dass die Ukraine nicht NATO-Mitglied wird.

Das würde dem deuschen Finanzminister manche Sorge um den nächsten Haushalt nehmen.

Aber im Auswärtigen Amt macht man sich weniger Sorgen um die Staatsfinanzen als darum, dass russische Truppen an der Grenze zu Polen stünden, wenn die Ukraine nicht – so lange es nötig ist – mit Waffen und Munition und Geld in die Lage versetzt wird, weiter zu kämpfen. Zitat Baerbock: „Wenn wir die Ukraine nicht weiter unterstützen, dann gehen wir das Risiko ein, dass Putins Truppen an der Grenze zu Polen stehen. Da ist der Krieg schnell auf dem Gebiet von EU und NATO.“

Nun ist es kein Geheimnis, dass Weißrussland, mit seiner etwa 300 km langen Grenze zu Polen, zu den engen Verbündeten Russlands gehört. Weißrussland hat inzwischen sogar taktische Atomwaffen aus Russland erhalten und auf seinem Staatsgebiet stationiert. De facto stehen russische Truppen also längst an der Grenze zu Polen. Der Krieg hat bisher aber keine Anstrengungen unternommen, deshalb auf das Gebiet von EU und NATO überzugreifen.

Frau Baerbock sorgt sich zusätzlich auch darum, dass weitere Millionen Ukrainer fliehen würden, wenn die Ukraine sich nicht mehr verteidigen kann.

Diese Projektion auf eine äußerst ungewisse Zukunft, ob sie nun berechtigt sei oder nicht, fiele ebenfalls in sich zusammen, käme man in der Absicht, Frieden zu schließen, auf Putins Verhandlungsangebot zurück. Jene Menschen -im Übrigen mehrheitlich ethnische Russen – die sich in den Volksabstimmungen für den Anschluss ihrer Provinzen an Russland entschieden haben, werden – wenn die Feinseligkeiten beendet sind – keinen Grund mehr haben zu fliehen, und jene Menschen, die in den westlichen und prowestlichen Gebieten der Ukraine leben, werden ebenfalls keinen Grund mehr haben zu fliehen. Im Gegenteil, jene, die in andere europäische Staaten geflüchtet sind, könnten zurückkehren und mithelfen, das  Land wieder aufzubauen.

Da dieses Angebot nicht einmal diskutiert wird, sondern alles darauf gesetzt wird, den Krieg mit immer neuen Lieferungen von Waffen, Munition und Geld fortzusetzen, muss dringend und bohrend nachgefragt werden, was das Endziel dieses Vorgehens sein mag.

Wer sich diese Frage stellt, merkt schnell, wie hohl die Erklärung klingt, die Ukraine müsse in der Lage gehalten werden, sich zu verteidigen.

Das ist Kokolores. Das ergibt keinen Sinn, wenn nicht dazu gesagt wird, was am Ende der ukrainischen Verteidigungsbemühungen stehen soll.

Hier gibt  es nur den Friedensvorschlag Selenskis. Darin wird der vollständige Abzug der russischen Truppen aus dem (ehemaligen) Staatsgebiet der Ukraine gefordert, also auch von der Krim und aus dem Donbass, sowie russische Reparationszahlungen für die angerichteten Schäden.

Das wird schon deshalb nicht funktionieren, weil man im Kreml der Überzeugung ist, die eigenen Truppen befänden sich auf dem eigenen Staatsgebiet und die Kampfhandlungen dienten primär dazu, dieses Staatsgebiet von fremden Truppen zu befreien.

Wie soll es also weitergehen? Wer definiert den Zeitpunkt bzw. die Situation, von der es nebulös heißt, die Unterstützung wird geleistet,  so lange es nötig ist? Anhand welcher Kriterien soll bestimmt werden, dass die Unterstützung nicht mehr nötig ist?

Da herrscht Schweigen. Da lässt sich die NATO nicht in die Karten gucken.

Ich habe den Eindruck, dass weder Joe Biden noch Jens Stoltenberg, weder Emmanuel Macron noch Olaf Scholz, weder Frau Strack-Zimmermann noch Anton Hofreiter eine Ahnung davon haben, wie die Welt aussehen wird, wenn keine weitere Unterstützung der Ukraine mehr nötig sein wird.

... und ich bin ziemlich sicher: Frau Baerbock weiß es auch nicht.