Manchmal träume ich skurriles Zeug. Letzte Nacht war es wieder besonders eindrucksvoll der Fall. So ein Traum von der Art, wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Die unentrinnbare Wiederholung einer fixen Idee, die sich in lebensechte Traumbilder verwandelt. Ich verstehe wenig von Träumen und Traumdeutung, habe aber den Eindruck, dass es – zumindest bei mir – oft verdrängte Ängste sind, die sich in den REM-Phasen im Traumbewusstsein zurückmelden als wollten sie mich ermahnen, die Gefahr nicht zu verdrängen, sondern sich auch im Wachbewusstsein ernsthaft damit auseinander zu setzen.
Ja. Es fällt mir wieder ein. Aus bestimmten Kreisen wird seit den Wahlen zum Europaparlament darauf hingewiesen, Frau Baerbock habe die Absicht geäußert, sich bei den kommenden Wahlen zum Deutschen Bundestag noch einmal als Kanzlerkandidatin der Grünen zur Wahl zu stellen.
Ich weiß auch, was mich veranlasst hat, diesen Gedanken aus meinem Wachbewusstsein zu verdrängen. Das waren lauter nüchterne, faktenbasierte Überlegungen:
- Die Grünen haben bei den Wahlen zum EU-Parlament Federn lassen müssen, es wird auch bei den Bundestagswahlen nicht reichen, um eine Koalition anzuführen.
- Die Stimmung im Lande kippt sowieso gerade. Der grüne Wirtschaftsminister wird von Unternehmern ausgebuht. Inflation und Deindustrialisierung lassen den gesamten grünen Klimaschutz inzwischen wirken, wie den Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
- Gerade die Jungen haben den Grünen anlässlich der Europawahl gezeigt, dass ihnen die Grünen – trotz Frau Baerbock – nicht als das attraktivste Angebot erscheinen.
So und so ähnlich lauteten meine Begründungen, mit denen ich mich selbst beruhigte, dass es eine Kanzlerin Baerbock so schnell nicht geben wird.
Nun habe ich sie im Traum gesehen. Als deutsche Bundeskanzlerin. Immer wieder. Ich habe sie den Amtseid sprechen hören, immer wieder, und jedesmal in einem anderen Outfit. Ich habe sie gesehen, wie sie vor dem Bundestag Regierungserklärungen abgegeben hat. Ich habe sie gesehen, wie sie beim G7-Gipfel den Ton angegeben und ihren Kolleginnen und Kollegen die Richtung gewiesen hat. Natürlich alles im Traum mit wilden Sprüngen, Szenenwechseln und Brüchen, so wie Träume eben sind, und manchmal – aber immer nur für Sekundenbruchteile – war es nicht Frau Baerbock, sondern die junge Angela Merkel, Kohls Mädchen, mit ihrem damals so oft aufblitzenden, spitzbübischen Blick.
Diese kurzen Unterbrechungen der Kontinuität der Traumexistenz Baerbocks wirkten auf mich aber keinesfalls verwirrend. Es war so, als gehörte das so, als handle es sich um eine Person die nur in unterschiedlichen Gestalten auftritt, und ich weiß noch, wie ich – im Traum – diesen Traum für mich kommentierte mit dem Satz: „Ach, du liebe Zeit, es wird wieder sechzehn Jahre weitergehen!“
Vielleicht ein Bild noch, das mich beeindruckt hat. Frau Baerbock, im schwarzen Kleid am offenen Grab stehend und Frank Walter Steinmeier eine Rose und ein Schäufelchen Erde nachwerfend. Ein starkes Bild, und – wie gesagt – ein Bild aus meinem Traum, nicht vom Starfotografen gestellt.
Es muss ein sehr später Traum gewesen sein, kurz vor dem Aufwachen, denn ich habe alles noch so lebhaft in Erinnerung, als sei es genau so geschehen.
Tut mir leid, wenn ich Sie damit belästigen sollte, aber dieser Traum beschäftigt mich immer noch.
Falls die verfügbaren biografischen Informationen zu Annalena Baerbock stimmen, wird sie am 15. Dezember 2025, also kurz nach der Bundestagswahl, 45 Jahre alt geworden sein. Gehe ich davon aus, dass mein Traum ein prophetischer war, wird sie Deutschland bis Ende 2041 als Kanzlerin dienen. Wie sie erstmals ins Amt gelangen wird, ist noch nicht absehbar, aber wer hätte sich im Juni 2004 träumen lassen, dass Angela Merkel knapp eineinhalb Jahre später vom Parlament zur Bundeskanzlerin gewählt werden würde? Noch dazu über vorgezogene Neuwahlen.
Warum soll es nicht auch in der Realität zu einem solchen Déjà-vu kommen können? Und was wäre nach 16 Jahren Baerbock besser oder schlechter als nach 16 Jahren Merkel? Da hilft nur ein alter Schlagertext weiter:
Qué será, seráWhatever will be, will beThe future’s not ours to seeQué será, seráWhat will be, will be …
Eines allerdings ist sicher, wenn Frau Baerbock 16 Jahre lang Bundeskanzlerin sein wird, dann wird es die Bundesrepublik Deutschland auch im Jahre 2041 noch geben. Dann wird der Krieg um die Ukraine nicht zum Untergang Europas führen, sondern doch irgendwie friedlich beendet werden können.
Da stellt sich schon die Frage, was vorzuziehen ist: Krieg oder 16 Jahre Bundeskanzlerin Baerbock.
Wenn ich meinen Traum endgültig verdaut haben werde, komme ich wahrscheinlich zu dem Schluss, dass wir nicht vor dieser Alternative stehen. Aber das kann sich noch ein paar Tage hinziehen.