Ein Mann von einiger Reputation in unserem Lande schrieb jüngst diesen bemerkenswerten Satz:
„Insofern ist auch unsere Bekanntschaft mit ein Opfer dieser unseligen Spaltung des Landes, von Familien und Freundschaften geworden, die allerdings nicht von der großen Mehrheit ausgeht, zu der auch ich mich zähle.“
Meine Gedanken gehen zurück in jene Zeit, als ich noch, wenn negative Emotionen in mir hochkochten, zur großen schweren Spaltaxt gegriffen und Kaminholz gespalten habe. Eine anstrengende Beschäftigung an der frischen Luft mit explosionsartigen Entladungen wenn die Holzscheite links und rechts davonflogen. Zugleich ein Akt der Selbstbestätigung: „Stark bin ich! Treffsicher bin ich! Geübt bin ich!“, wie auch eine rein körperliche Therapie. Wenn sich die Lungen von Sauerstroff durchströmt weiten, wenn die Schweißdrüßen die Haut zum glänzen bringen, wenn sich die Gedanken mehr und mehr vom Auslöser der Wut entfernen und sich alles auf die Axt, das Holzstück, den Schwung, das Zersplittern konzentriert, und dieses wieder und wieder, bis zur Erschöpfung, dann fällt die zugefügte Kränkung von dir ab, dann heilt die Verletzung, die dir zugefügt wurde und du erstehst neu, wie Phönix aus der Asche.
Ja, der Mann, der den erwähnten Satz geschrieben hat, hat recht. Die Spaltung ist nicht von der großen Mehrheit ausgegangen. Die Spaltung ist aber auch nicht von der kleinen Minderheit ausgegangen. Die einst vereinte Gesamtheit in eine Mehrheit und eine Minderheit zu spalten, einfach mal eben so, das ist – ohne die Einwirkung einer dritten Kraft – weder beim Holzklotz, noch bei der menschlichen Gesellschaft zu erwarten.
Schnell bemerkt man, dass das Beispiel hinkt. Wen sollte die Gesellschaft so verletzt und gekränkt haben, dass er, um seine Wut abzureagieren, zur Spaltaxt greift und nicht rastet und ruht, bevor nicht alles kurz und klein geschlagen ist. Wir haben uns doch nicht anders verhalten als alle die Jahre zuvor! Wir haben brav gearbeitet und konsumiert. Wir haben Steuern und Abgaben gezahlt, wenn auch manchmal unter Murren. Wir sind zur Wahl gegangen und haben unsere Stimmen abgegeben. Wir haben den Urlaub und die Feiertage genossen, haben uns manchmal krank gemeldet, obwohl wir nicht krank waren und haben uns nicht krank gemeldet, obwohl wir uns kaum noch auf den Beinen halten konnten. Wir haben fast alles geglaubt, was uns als Nachricht übermittelt wurde. Haben uns, abgesehen von den extremen Rändern, gefügig leiten lassen … Wo sollte das Problem entstanden sein, das den Wüterich mit der Spaltaxt auf den Plan gerufen haben könnte?
Nun, es stimmt schon: Der sich abreagierende Holzspalter ist als Analogie ungeeignet. Das Holzspalten selbst jedoch nicht. Wo kommt das ofenfertige Holz her, das uns für den Kaminofen angeliefert wird? Holzhacken oder spalten ist ja nicht das Privileg des Wüterichs. Es gibt eine ganze „Industrie“, die im Wald beim Fällen der Bäume beginnt und beim ofenfertigen Brennholz endet. Es gibt professionelle Spalter. Die arbeiten auch längst nicht mehr mit der Axt. Große, hydraulische Maschinen pressen den Spaltkeil in den Stamm, bis es ihn zerreißt. Man muss nur noch das „Ganze“ in die Maschine zwängen und dann den Knopf drücken. Schon splittert und kracht es, dass es dem Zuschauer eine Lust ist, während der Profi dem schon längst keine Aufmerksamkeit mehr widmet. Ihm geht es darum, möglichst schnell ganze Arbeit zu leisten, denn sein Einkommen hängt davon ab. Es hängt aber auch davon ab, dass die Scheite, die er erzeugt, sich in ihrer Größe nicht allzusehr unterscheiden. Die ganze Spalterei dient beim Brennholz ja dazu, die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen zu vergrößern, weil nur so im Ofen das optimale Abbrennverhalten erreicht werden kann. Zu kleine Scheite lodern schnell auf und werden ebenso schnell zu Asche. Zu große Scheite brennen schlecht an, und wenn es dumm zugeht, verlöschen sie auch wieder.
Wird so ein Klotz von der Spaltaxt falsch getroffen, oder nicht optimal in die hydraulische Spaltpresse eingelegt, dann kann es vorkommen, dass der Vorgang mit dem größeren Teil wiederholt werden muss, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
So weit sind wir noch nicht. Noch fühlt sich die Mehrheit ganz und gar sicher. Es ist ja nur eine kleine extremistische Minderheit abgespalten. Die Mehrheit hält zusammen, nicht wie Pech und Schwefel, denn Pech und Schwefel lassen sich nicht spalten, aber wie gemeinsam an einem Stamm gewachsenes Holz. Natürlich fehlt da etwas, das man gerne zurück hätte, doch das scheint unmöglich, also fühlt man sich beschädigt, verletzt und projiziert diese Emotion auf das abgespaltene Stück, so wie der Hund seine Wut an dem Stein auslässt, der ihn getroffen hat, ohne zu realisieren, dass irgendwer diesen Stein nach ihm geworfen haben muss.
Es ist aber nicht das gewünschte Ergebnis!
Der monolithischen Klotz der Geimpften und Geboosterten ist immer noch zu groß, im Zusammenhalt zu stark, als ihn schon verheizen zu können. Wer so einen Klotz abliefert, und meint, damit sei die Arbeit getan, der wird als unfähig und renitent entlassen!
Die nächste Spaltung kommt unausweichlich!
Wo genau der Riss verlaufen wird, ist noch nicht zu erkennen. Es gibt ein paar mögliche Bruchlinien. Eine davon wäre die, die sich auftut zwischen jenen, die von Nebenwirkungen verschont bleiben und jenen, die mit den Nebenwirkungen konfrontiert sind, sei es direkt als Betroffener oder indirekt als Angehöriger, als Arzt oder Pflegender, oder auch einfach nur als Personalverantwortlicher, der Mühe hat, einen ordnungsgemäßen Betrieb aufrecht zu erhalten. Eine andere mögliche Bruchlinie deutet sich da an, wo dem Versprechen der Immunität und des Endes aller Einschränkungen eine Vertröstung nach der anderen folgt, bis der Freiheitswille, vor allem der Jüngeren, sich nicht mehr vertrösten lassen mag.
Vielleicht erfolgt der nächste Akt der Spaltung aber auch auf einem ganz anderen Gebiet. Vor ein paar Wochen ist eine Regierung ins Amt gekommen, deren Politik schon bald das Potential hat, einen Keil zwischen die Klimagewinner und die Klimaverlierer zu treiben.
Das Ziel der Spaltung ist ja nicht, die „Volksgesundheit“ zu erzwingen. Das Ziel der Spaltung, so sehe ich es, besteht darin, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Nationalstaats zu zerstören und die Demokratie als Hemmnis des Fortschritts erscheinen zu lassen, um den uneinig gemachten Völkern die Vorzüge einer neuen Weltordnung schmackhaft zu machen.
Die „große Mehrheit“ steht dem noch im Wege. Sie weiß es nur noch nicht.