Anti-Hautfarbismus

PaD 24 /2021 Hier auch als PDF verfügbar: PaD 24 2021 Anti-Hautfarbismus

Wie auch immer man „White supremacy“ übersetzen will, ob mit „Dominanz“, „Vorherrschaft“, „Überlegenheit“ oder „Vormacht“, stets wohnt diesem Begriff ein Abglanz dessen inne, was früher als „die Macht des Faktischen“ bezeichnet wurde. 

Doch wir leben in postfaktischen Zeiten. Damit verändern sich die Begriffe, manche kehren sich ins Gegenteil um. Aus Überlegenheit wird Schuld. Aus Unterlegenheit wird Anspruch.

Weil gerade Fußball ist:

Wird die Mannschaft, der es gelingen wird, die EM zu gewinnen, schuld daran sein, dass alle anderen nicht so weit gekommen sind und die Hälfte gar schon in der Vorrunde ausgeschieden ist?

Sagen Sie nicht, das sei doch Blödsinn.

Die siegreiche Mannschaft ist die, die alle anderen – direkt und indirekt – „geschlagen“ hat. Also trägt sie doch Schuld an deren Unterlegenheit. Wie kann aber jemand, der schuld ist am Niedergang aller anderen, auch noch mit Stolz den Pokal entgegen nehmen? Das ist doch eine Demonstration von Arroganz und Überheblichkeit sondersgleichen. Ein Triumph des Egoismus der Sieger, die behaupten, gar nicht zu bemerken, wie demütigend ihr Verhalten ist, und, während sie alle anderen diskriminieren, in aller Unschuld erklären, es läge ihnen fern, jemanden diskriminieren zu wollen. Man würde sie missverstehen. Ihr Sieg sei doch gerecht und entspräche nur ihrer Leistung, belohne sie für das harte Training und ihren unermüdlichen Einsatz.

Klingt weit hergeholt. Passt nicht so recht zur EM.

Aber zoomen Sie doch einfach mal ein Stück tiefer hinein, auf die Bundesliga und den FC Bayern München. Ist der nicht längst bei einem Großteil der deutschen Fußballfans genau in einer solchen Rolle des Schuldigen angekommen? Alles Mögliche wird unterstellt, um jede neue Meisterschale in einen Beweis der Schuld umzufunktionieren, und sei es nur die Schuld an der Langeweile in der Liga, deren Sieger immer schon feststeht, bevor die Saison überhaupt begonnen hat. Ist es aber wirklich die Schuld der Bayern, dass keine andere Mannschaft an ihnen vorbeikommt? Spielen nicht alle nach den gleichen Regeln?

Was unterscheidet nun die „Bayern-Hasser“ unter den Fußballfans von den BLM-Aktivisten? Es ist nur der unterschiedliche Grad von Fanatismus und Radikalität. Und über diesen Unterschied wird noch zu sprechen sein. In der Motivlage gibt es kaum einen Unterschied.

Doch der Reihe nach:

Inspiriert zu diesem Aufsatz hat mich Roger Letsch, der heute darauf aufmerksam machte, dass sich die lokale Fridays for Future Bewegung von Auckland, Neuseeland, selbst aufgelöst hat, mit der folgenden Begründung:

„Wir lösen uns auf, weil […] wir nicht in ihrem [gemeint sind People of Color] Namen sprechen können und seit 2019 ein rassistischer, weiß dominierter Raum waren. [Wir haben] Stimmen und Forderungen von Pasifika und Māori im Klimaaktivismus-Raum gemieden, ignoriert und tokenisiert. Sowohl die Verantwortung als auch die dringende Notwendigkeit, die Organisation zu entkolonisieren, wurde viel zu lange verschoben. […] Diese Entschuldigung ist nur einer unserer Schritte zur Widergutmachung für unsere Handlungen. Unsere Auflösung war überfällig.“

So sehr ich die Auflösung von Fridays for Future Gruppierungen auch begrüße, diese Begründung macht mich fassungslos.  Fassungslos, weil darin die eigenen und für eminent wichtig gehaltenen Ziele plötzlich keine Rolle mehr spielen, angesichts der übergroßen Schuld, einen weiß dominierten Raum gebildet und diesen nicht längst entkolonialisiert zu haben.

Es wäre zu einfach, diesen hüpfenden Kindern zu unterstellen, sie würden einfach nur einer neuen Mode folgen und die alte darüber vergessen, wie es bei Teenagern regelmäßig in Bezug auf Outfit und Musikgeschmack zu beobachten ist. Denn diese FFF-Kinder in Auckland folgen einer Agenda, mit der die ganze Welt überzogen wird. Eine Agenda, die mit der Macht einer Inquisition ihren Opfern unter (psychischer) Folter erst das Schuldeingeständnis abpresst, bevor sie auf dem medialen Scheiterhaufen verbrannt werden.

Die Schuld liegt in dem gegen die Inhaber aller nichtweißen Hautfarben ausgeübte Rassismus per Dominanz, per Supremacy, per Leistung und Erfolg. Wenn Sportler vor Wettkämpfen aller Art niederknien, um einerseits Demut zu zeigen, andererseits Verehrung für die Ikonen der vom Rassismus der Weißen zum Märtyrer Gemachten, dann ist das bei den Demütigen ein Zeichen der Unterwerfung, die als Reue gedeutet werden soll, bei den Verehrenden ein Zeichen des Triumphes und der Aufruf zu einem noch erbitterteren Kampf gegen die Weißen.

Aus dem berechtigten Wunsch, den Rassismus auf dieser Welt zu beenden, indem „die Rasse“ als Kennzeichen von Menschen soweit verleugnet wird, dass der Begriff sogar aus dem deutschen Grundgesetz getilgt werden soll, ist etwas entstanden, was ich mangels der inzwischen verpönten Begrifflichkeiten probeweise als „Hautfarbismus“ bezeichnen möchte.

Dieser Hautfarbismus richtet sich nicht nur gegen die Weißen, sondern ebenso gegen Asiaten, denen es innerhalb eines historisch sehr kurzen Zeitraums gelungen ist, auf vielen Gebieten dominant, vorherrschend und überlegen zu werden und dabei die Weißen eingeholt und in Teilen auch überflügelt zu haben. 

Im Bild von der Fußball-Bundesliga wäre das ungefähr so, als würden sich FC Bayern und RB Leipzig alle Jahre ein enges Rennen um die ersten Tabellenplätze liefern, während kein anderer Verein auch nur den Hauch einer Chance hätte, noch in die Nähe zu gelangen. Zum alten Hassobjekt hätte sich dann zweites, nicht minder verachtenswürdiges gesellt, womit die Fans der übrigen 16 Vereine in Wut und ohnmächtigem Zorn nur noch bestärkt würden.

Wie bereits angemerkt, liegt der Unterschied im Grad der Fanatisierung und Radikalisierung. Im Fußball bilden die so genannten „Hooligans“ die Speerspitze. Ich wage die These, dass ihre absolute Identifizierung mit dem Verein darauf zurückzuführen ist, dass es ihnen in allen übrigen Lebensbereichen nicht gelingt, in dem Maße auf sich aufmerksam zu machen, in dem Maße von anderen, selbst von den Gegnern, als ebenbürtig anerkannt zu werden, wie eben in der Rolle als Hooligan, von der sie selbst massive Kritik der „eigenen“ Vereinsführung nicht abzubringen vermag.

Glücklicherweise ist das Lager der Hooligans überschaubar klein, glücklicherweise lassen sich die meisten Fans nicht in diese übersteigerte Rolle hineinziehen. Was, ganz im Sinne meiner gewagten These, darauf zurückzuführen sein könnte, dass sie neben dem Fußball andere Interessenfelder haben, in denen sie die notwendige Anerkennung finden, ohne sich mit dem Risiko von schwerwiegenden Verletzungen in ein (sinnloses) Kampfgetümmel stürzen zu müssen. Oft genügt ja schon eine vernünftige, liebende Frau, die im entscheidenden Augenblick ruft: „Hasi, du bleibst hier!“

Spinne ich meine These weiter, dann ist der gegen Weiße und Asiaten gerichtete, radikale Hautfarbismus deshalb so stark und in so vielen Köpfen verankert, weil sie darin die einzige Möglichkeit sehen, auf sich aufmerksam zu machen und wenigstens als ernst zu nehmende Gegner akzeptiert zu werden.

Wäre meine These richtig, und die Analogie zu den Hooligans stimmig, dann müsste als Gegenreaktion zwingend ein mindestens gleich starker Anti-Hautfarbismus entstehen. Das tut er aber nicht. Im Gegenteil: Das, was als faktischer Rassismus von Weißen und Asiaten ausgeht, ist seit Jahrzehnten rückläufig. Ein „Aufschaukeln“ ist nicht zu beobachten.

Damit rückt der ganz zu Beginn angesprochene „Abglanz“ dessen ins Blickfeld, was früher als die Macht des Faktischen bezeichnet wurde.

Die faktische Überlegenheit der Weißen (aus dem ehemaligen Westen, vor dem Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums) ist geblieben, nur gibt es da jetzt eine starke Hemmung, die Überlegenheit noch als Machtoption wahrzunehmen und auszuspielen. Die Devise heißt „Deeskalation“, „Beschwichtigung“, „Schuldeingeständnis“ und „Entschädigung“. Bei den Asiaten, insbesondere bei den Chinesen in China, sieht das noch anders aus, auch die durchaus europäisch-weißen Russen zeigen eher Selbstbewusstsein als Demut und selbst die „osterweiterten“ Polen und Ungarn, leisten noch Widerstand gegen die Einstufung als Rassisten. Doch im Rest der weißen Welt wird der Schuldvorwurf widerspruchslos akzeptiert und so verinnerlicht, dass er von den Weißen selbst in einer Dauerschleife gebetsmühlenhaft wiederholt wird.

Die weitere Entwicklung wird spannend.

Eine Politik des Laissez-Faire ändert ja weder an den Umständen, noch an echten oder gefühlten Benachteiligungen etwas. Sie ermöglicht lediglich die Vergrößerung des Konfliktpotentials, die Herausbildung immer neuer diskriminierter Minderheiten, das Anwachsen der Ansprüche und mit dem Wachsen der Ansprüche auch die Zunahme der Gewaltbereitschaft. Da, wo man die BLM-Aktivisten in den USA hat gewähren lassen,  ist  dieses Abgleiten in Chaos und Anarchie bereits Realität geworden.

Eine Politik der Schuldanerkenntnisse und der Entschädigungen, der Förderung und der Quotierung in allen Lebenslagen wird eher dazu führen, die einmal eingeschlagene Strategie weiter zu verfolgen, immer neue Arten von Diskriminierung zu finden und sich immer weiter großzügig alimentieren zu lassen. Immer verbunden mit der Option, die radikalen Kräfte von der Leine zu lassen, wenn Forderungen nicht oder auch nur nicht vollständig oder nicht schnellstmöglich erfüllt werden. So lange das funktioniert, besteht kein Anlass, den Versuch zu unternehmen, der ja nicht aus dem Nichts entstandenen Dominanz der Weißen durch eigene Leistung zu entkommen.

Eine Politik der harten Hand, die sich auf bestehende Regeln und Gesetze beruft und auch kleine Abweichungen nicht duldet oder als „zivilgesellschaftliches Engagement“ auch noch bestärkt, wird an den Umständen nichts ändern, das Gefühl der Benachteiligung aber nur verstärken, weil man ihnen das, was sie glauben, dass es ihnen zusteht, nun mit Mitteln der Staatsgewalt verweigert.

Einfach immer so weiterwursteln geht allerdings auch nicht.

So lange die Politik – und mit der Politik die Medien, und mit den Medien die Bürger – sich nicht von der Propaganda-Weisheit lösen, dass alle Menschen gleich und demzufolge gleichzustellen seien, weil die Verweigerung der Gleichstellung als offener oder verdeckter, bzw. „struktureller“ Rassismus einzuordnen sei, wird sich der Knoten nicht lösen lassen.

So lange die Gesellschaft nicht zurückfindet zu dem Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz und ansonsten alle Unterschiede zwischen den Menschen aller Hautfarben, Geschlechter und Religionen als Folgen persönlicher Leistung oder Nichtleistung, als Folgen von schicksalhaften Glücksfällen  oder eben von schicksalhaftem Pech ansieht, und sich, außer in Fällen unverschuldeter Not, nicht gemüßigt fühlt, korrigierend einzugreifen, um Gleichstellung herzustellen, wird sie nicht zur Ruhe kommen.

Wir sind in Deutschland von diesem Zustand sehr weit entfernt. Wir sind so weit davon entfernt, dass schon der Gedanke daran, ihn anzustreben, als Bruch mit dem „Konsens“ der Demokraten betrachtet wird. Die in den USA gebrauchte Etikettierung einer Gesellschaft als „Nanny-State“ trifft das Phänomen auf den Punkt.

Wer eine Nanny braucht, um sich wohlzufühlen, ist einfach noch nicht erwachsen.

Wer keine mehr braucht, aber noch unter ihrer Fuchtel steht, sollte etwas ändern. Dringend.

Aber noch dreht sich die Welt in die andere Richtung:

Ganz frisch ‚reingekommen „Afrika“ ist so rassistisch wie „Zigeuner“ oder „Neger“