Vatermörder

Den Vatermörder gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht als Hemdkragen. Da allenfalls noch zum Frack bei besonders festlichen Anlässen. 

In der Politik, das wissen nicht nur die Freunde des Feuilletons, wimmelt es nur so von Ziehsöhnen und Enkeln der großen Alten. Vom großen Alten aus der Pfalz hieß es sogar, Angela Merkel sei sein Mädchen, und sie habe ihn beerbt.

Aber, lassen wir die alten Klamotten in der Kiste. Es gibt ein neues politisches Phänomen, das mehr Beachtung verdient.

Die vereinigte Christliche Union übt sich gerade – im übertragenen Sinne – im Vatermord an einer ganzen Generation von Vätern und Müttern. Die hier Genannten mögen mir verzeihen, sollte ich mich irren, doch bin ich überzeugt, dass sie alle heute Mitglieder der Werte-Union wären, wäre es ihnen noch möglich:

    • Konrad Adenauer
    • Rainer Barzel
    • Ernst Benda
    • Theodor Blank
    • Heinrich von Brentano
    • Werner Dollinger
    • Alfred Dregger
    • Ludwig Erhard
    • Heiner Geißler
    • Kai-Uwe von Hassel
    • Kurt Georg Kiesinger
    • Helmut Kohl
    • Paul Lücke
    • Fritz Schäffer
    • Kurt Schmücker
    • Elisabeth Schwarzhaupt
    • Hans-Christoph Seebohm
    • Gerhard Stoltenberg
    • Franz Josef Strauß
    • Walter Wallmann
    • Manfred Wörner
    • Friedrich Zimmermann
    • und viele andere mehr.

Das Vermächtnis dieser Männer und Frauen, die Deutschlands Geschicke in jener Zeit, in der es mit Deutschland noch aufwärts ging, mit zu bestimmen hatten, wird heute, wenn überhaupt, dann allenfalls noch gering geschätzt. Das geht soweit, dass diejenigen, welche die Werte der jungen Republik noch hochhalten, in einem Spagat, der schon an Schizophrenie erinnert, zwar als Parteimitglieder gezählt werden, deren Zusammenschluss zur Werte-Union jedoch als „nicht zur Union gehörig“ ausgegrenzt wird.

Wenn sich also Armin Laschet, der aktuelle Vorsitzende der Christlich Demokratischen Partei Deutschlands, von der Werte-Union weiter distanziert als der Teufel vom Weihwasser und dies damit begründet, dass die Werte-Union nichts mit der CDU zu tun hat, und dass es mit dem Vorsitzenden dieser Werte-Union keine Gespräche geben werde, dann ist im Grunde das Tischtuch schon zerschnitten. So richtig hilflos klingt er aber, wenn er nach einem Parteiausschluss-Verfahren gefragt wird und in typischem Merkel-Qualitätssprech erklärt: Das ist kein Thema, weil die Werte-Union kein Thema ist.

Damit übertrifft er Annegret Kramp-Karrenbauer, die eine Werte-Union für überflüssig hält, weil jedes CDU-Mitglied bereits für Werte stehe, bleibt aber noch deutlich hinter Elmar Brok zurück, der die Werte-Union als „Krebsgeschwür“ identifizierte, das rücksichtslos bekämpft werden müsse, damit es nicht in die Partei hineinkriecht.

Mich erinnert das lebhaft an die AfD.

Ist Max Otte nun der Björn Höcke der Union, der sich, gemeinsam mit Werner Patzelt  und HG Maaßen darum bemüht, zumindest diesen Flügel, wenn nicht gleich die ganze CDU zum Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes werden zu lassen?

Da es sich um die christliche Union handelt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Armin Laschet sich an die Anweisung des Evangelisten Matthäus hält, der da sagte:

So aber deine Hand oder dein Fuß dich ärgert, so haue ihn ab und wirf ihn von dir. Es ist besser, daß du zum Leben lahm oder als Krüppel eingehst, denn daß du zwei Hände oder zwei Füße hast und wirst in das höllische Feuer geworfen. Und so dich dein Auge ärgert, reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist dir besser, daß du einäugig zum Leben eingehest, denn daß du zwei Augen habest und wirst in das höllische Feuer geworfen.

Die Frage ist allerdings, an wen Matthäus diese Sätze adressierte. Meinte er nicht eigentlich, dass das, was „abweichen“ will vom rechten Weg, von Gottes ewigem Gesetz,  abgehackt und ausgerissen werden soll? Meinte er nicht eigentlich, dass  man den Verführungen des Zeitgeistes widerstehen und die alten und ewigen Werte hochhalten solle? Heißt das nicht, dass es höchste Zeit für die Union sei, sich vom linksgrün-infizierten Führungspersonal zu trennen und sich als Werte-Union auf das Erbe der Väter zu besinnen und ihr Vermächtnis zu ehren?

Am Sonntag, bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt, wird sich nach meiner Einschätzung zeigen, dass Laschets Strategie die Union nur noch einen Schritt weiter in den Abgrund reißen wird.

Es gibt – nicht nur in Sachsen-Anhalt – sondern in ganz Deutschland eine große Sehnsucht nach Halt und Sicherheit in unruhigen Zeiten. Eine Sehnsucht nach berechenbarer, zuverlässiger, konservativer Politik. Diese Sehnsucht richtet sich „links“ dahin, wo die Sozialdemokratie zu Helmut Schmidts Zeiten stand, und sie richtet sich „rechts“ dahin, wo die CSU zu Franz Josef Strauß‘ Zeiten stand.

Dieser ganze weite Raum ist leer.

Im Profi-Fußball wäre dies die ideale Situation für den Angriff der gegnerischen Mannschaft. Doch die Gäste dürfen gar nicht auf den Platz. Mitspielen darf hier nur, wer sich der Heimmannschaft anschließt und für sie Tore schießt, was nicht schwer ist, weil ja jeder, der es wagen sollte, dieses gegnerische Tor zu verteidigen, sofort vom Platz gestellt und für mindestens sieben Spiele gesperrt wird.

Noch kann das Publikum immer wieder neu für diese Darbietung begeistert werden, zumal die Siege der Heimmannschaft, die schon lange nicht mehr auswärts gespielt hat, immer höher ausfallen. Nach 7 : 0 und 21 : 0 zu Beginn, steht der neue Allzeit-Rekord inzwischen bei 167 : 0, und die Medien geben ihr Äußerstes, um diesen Sieg und die Vorfreude auf den nächsten Rekord in einen immerwährenden Siegesrausch zu verwandeln.

Nun, Fußball-Fans würden sich diese Farce nicht bieten lassen. Die kennen die Spielregeln. Die haben alle selbst einmal gekickt. Die wollen spannende Spiele mit hervorragenden Spielern, und dass die bessere Mannschaft gewinnt.

Insofern kommt mir Fußball manchmal demokratischer vor als Demokratie. Ehrlich.