Das Kampfpanzer-Junktim

Wiewohl Boris Pistorius bereits am Tag seiner Vereidigung im ARD-Brennpunkt erklärte, von einem Junktim bezüglich der Lieferung deutscher Leopard-Panzer sei ihm nichts bekannt, ist diese Aussage doch in der Welt: Deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard gibt es für die Ukraine nur, wenn auch die USA ihre Abrams-Panzer an Kiew liefern.

Mir gefällt diese Bedingung ungemein. Löst sie doch endlich die vage Aussage ab, es gäbe keine deutschen Alleingänge, alles erfolge in enger Abstimmung mit den Freunden und Verbündeten. Vor allem aber ist sie ein großartiger Schachzug, mit dem die USA gezwungen werden, Farbe zu bekennen.

Es ist doch so, dass unter den bisherigen Waffenlieferungen an die Ukraine keine Systeme waren, die eine ukrainische Offensive wirksam unterstützen würden. Schützenpanzer, wie der Marder und seine Artgenossen, die von Frankreich, von den Briten und den USA geliefert werden, dienen, wie der Name schon sagt, dazu, „Schützen“, also Infanteristen, unter dem Schutz ihrer vergleichweise schwachen Panzerung schnell und halbwegs sicher in die Kampfzone und innerhalb der Kampfzone verlegen zu können. Flugabwehrsysteme, vom alten deutschen Gepard, über das hypermoderne deutsche Iris T  System, bis hin zu den Patriot-Systemen aus US-Fertigung helfen, Flugzeuge, Drohnen und Geschosse der Raketenartillerie abzuwehren. Großkalibrige Kanonen, ob nun selbstfahrend, wie die Panzerhaubitze 2000, oder mittels Transportfahrzeugen bewegt, können gegnerische Stellungen in der Kampfzone beschießen. Die Aufklärungssysteme die es dazu gibt, unterstützen auch nur die Zielsuche dieser – im betrachteten Konflikt – letztlich eher defensiven Waffen.

Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass der kollektive Westen der Ukraine bisher alle Waffen verweigert hat, die – über den Versuch hinaus, die nun von Russland beanspruchten Gebiete im Donbass zurückzuerobern – einen Angriffskrieg gegen Russland, mit massiven Attacken auf russisches Territorium ermöglichen würden.

Genau dies aber, die Befähigung der Ukraine zu derartigen Vorstößen, könnte Russland, ganz unabhängig davon, wie wirksam diese Panzer eingesetzt werden können, veranlassen, die Lieferländer direkt ins Visier zu nehmen und seinerseits mit Mittelstreckenraketen  Ziele in Polen, Rumänien, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien anzugreifen. Einen Anlass, auch den USA den Krieg zu erklären, gäbe es dabei aber nicht, solange die USA ihre eigenen Angriffswaffen nicht zur Verfügung stellen.

Allerdings wäre da noch die Sache mit dem NATO-Bündnisfall.

Man darf den US-Strategen getrost unterstellen, dass sie auf den Kriegseintritt hinarbeiten.

Man sollte aber nicht vergessen, dass im Ersten Weltkrieg der Kriegseintritt der USA erst am 6. April 1917 erfolgte, nachdem man sich bis dahin auf Waffenlieferungen an Frankreich, Großbritannien und Russland beschränkt hatte, und dass im Zweiten Weltkrieg der 11. Dezember 1941 der Tag war, an dem Deutschland und Italien den USA den Krieg erklärten und die USA dadurch (4 Tage nach Pearl Harbour) zum aktiven Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg wurden. Der deutsche Russland-Feldzug war zu diesem  Zeitpunkt ein halbes Jahr alt und im tiefen russischen Winter vor Moskau zum Stehen gekommen.

Diese Strategie, zuerst einmal die Kontrahenten in Europa so lange aufeinander einschlagen zu lassen, bis die Verluste auf beiden Seiten groß genug waren, um unter möglichst geringen eigenen Verlusten den Gegner zu schlagen, hat sich zwei Mal bewährt. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie auch ein drittes Mal aufgehen würde.

Warum sollten sich die USA also von Russland zum vorzeitigen Kriegseintritt zwingen lassen, indem sie die Lieferung von Abrams-Panzern mit einem Raketenschlag – muss ja nicht atomar sein – auf das US-Festland oder auf einen oder mehrere US-Stüzpunkte weltweit quittieren?

Es wäre doch auch für Russland (und da dürfen wir China und den Iran gerne noch mit dazu nehmen) günstiger, den wahrscheinlich sowieso unvermeidlichen Krieg gegen die USA zu einem Zeitpunkt zu beginnen, an dem die eigenen Kräfte durch den Abnutzungkrieg in der Ukraine noch nicht zu sehr geschwächt sind, vor allem aber auch, bevor die USA eine Lösung für die Abwehr russischer Überschall-Interkontinental-Raketen entwickelt haben.

Wenn also Scholz, was momentan wieder dementiert wird, tatsächlich die Lieferung von Leopard-Panzern von der gleichzeitigen Lieferung von Abrams-Panzern aus den USA abhängig gemacht haben sollte, dann dient das, sollten die USA nicht darauf eingehen, dem Schutz der westeuropäischen Staaten vor der Ausweitung des Ukraine-Krieges, und sollten die USA darauf eingehen, haben sich zumindest die Chancen, diesen Krieg auf europäischem Boden mit geringeren Verlusten zu bestehen, etwas verbessert.

Noch ein paar Worte zur Rolle Polens.

Entgegen des vertraglich vereinbarten Verbots, Leoparden ohne deutsche Zustimmung an andere Staaten weiterzugeben, will Polen offenbar Leoparden in die Ukraine entsenden. Es ist anzunehmen, dass diese Kampfpanzer dann auch von polnischen Besatzungen bedient und eingesetzt werden. Es ist weiters anzunehmen, dass die Entsendung dieser Einheiten weniger der Unterstützung der Selenski-Ukraine dienen soll, sondern der Besetzung von Teilen der Ukraine, mit dem Ziel, diese zuletzt in das polnische Staatsgebiet zu integrieren, bzw. „zurückzuholen“. Dafür ist tatsächlich jetzt der richtige Zeitpunkt. Egal, welchen Erfolg die für Februar/März erwarteten russischen und ukrainischen Offensivenbringen werden. Danach wird entweder die russische Armee soweit vorgerückt sein, dass für die Polen kein Platz mehr bleibt, oder die Ukrainer sitzen wieder so fest im Sattel, dass sie einen polnischen Zugriff auf ukrainisches Gebiet nicht mehr zulassen müssten.