ROSSMANN – Außenansichten eines Labyrinths

Vorweg:

Die folgende Schilderung behandelt einen Einzelfall. Es kann sich also zweifellos um die Ausnahme von der Regel handeln. Dennoch zeigt sich daran, wie schnell ein System, das auf die Behandlung so genannter „Geradeaus-Fälle“ optimiert ist, ins Schleudern geraten kann, wenn die Ausnahme zuschlägt, und wie sich dabei aus einem  anfänglich kleinen Problem ein riesiges Problem entwicklen kann.

Im fortlaufenden Text lesen Sie die nachprüfbaren Fakten. In den zwischengeschalteten gelben Kästen gebe ich meine Einschätzung zu den Ursachen ab.

  • Am 26. August 2024 bestellte meine Frau im Online-Shop von Rossmann 150 Stück eines Artikels.
  • Der Kaufpreis von knapp 450 Euro wurde am gleichen Tag von Rossmann per PayPal eingezogen.
Die AGB für den Online-Handel von Rossmann besagen:

§ 4 Zahlung

Mit der Absendung der bestellten Ware wird der Kaufpreis fällig, (…)


Wir konnten also gutgläubig davon ausgehen, dass die bestellte Ware auch am gleichen Tag zur Auslieferung gekommen ist. Dies war aber allenfalls für eine Teillieferung der Fall.

  • Zwei Tage nach Bestelldatum wurde eine Teilmenge von 64 Stück geliefert, am dritten Tag, das war der 29. August, folgten weitere  22 Stück. Geliefert waren bis dahin also 86 Stück, Fehlmenge 64, bezahlt jedoch bereits 150.
  • Meine Frau hat daraufhin zum Telefon gegriffen und mehrere sehr lange Telefonate mit Mitarbeitern aus dem Rossmann Kundenservice  geführt, die jedoch leider nicht in der Lage waren, mitzuteilen, ob die Restmenge bereits auf dem Weg sei, bzw. wann überhaupt damit gerechnet werden könne.
Das Problem der Service-Telefonisten, die vermutlich entweder im Homeoffice oder in einem (externen) CallCenter arbeiten, also nichts als ihren bescheidenen Bildschirminhalt sehen können, kann ich mir nur so erklären, dass die Software für die CallCenter-Agenten nicht dafür ausgelegt ist, mit Teillieferungen zu einem Artikel innerhalb einer Bestellung umzugehen. Das ist entweder nicht vorgesehen, was heißt, es gibt pro Position nur „offen“ oder „erledigt“, oder die Mitarbeiter im Versand wussten nicht, wie in einem solchen Fall vorzugehen ist. 
  • Am 4. September trafen dann weitere Pakete mit insgesamt 96 Stück des Artikels ein. Damit hat sich die Fehlmenge in eine Überlieferung von 32 Stück verwandelt.
  • Parallel traf per Mail eine zweite Rechnung über rund 520 Euro für 174 Stück bei meiner Frau ein.
Wie man bei Rossman auf die Idee gekommen ist,  uns eine Rechnung über 174 Stück zu senden, bleibt ein Rätsel, das sich vielleicht hätte auflösen lassen, hätten wir die nächste von DHL angekündigte Rossmann-Sendung angenommen und den Inhalt gezählt. Wir hatten aber schon genug von diesem Artikel, mehr als genug sogar, und haben daher die Annahme vorab bei DHL verweigert.

Es könnte sich dann so abgespielt haben, dass ein Rossmann-Beschäftigter Stückzahlen aus Lieferscheinen addiert hat, wobei  ihm mindestens ein Lieferschein durch die Lappen gegangen sein muss, und ohne Softwarehilfe zu dem Schluss gekommen ist, Rossmann hätte jetzt, mit der Absendung der letzten Lieferung (deren Annahme wir verweigert haben)  das Recht, die Zahlung zu verlangen. Dass zwischen der Bestellmenge und der vermeintlich gelieferten Menge eine Differenz von 24 Stück besteht, ist im Zuge dieser Aktion nicht aufgefallen. Das deutet darauf hin, dass immer noch versucht wurde, eine Klärung zu der Fehlmenge aus den Telefonaten mit dem Kundenservive zu erreichen, was aber auf Basis unzureichender Dokumentation nicht gelingen konnte.

Zwischenstand:

150 Stück bestellt
182 Stück erhalten
324 Stück in Rechnung gestellt
150 Stück bezahlt

Unsere oben erwähnte Mail an den Rossmann Kundenservice vom 4. September, mit der wir um einen Rücksendeschein für die 32 Stück Überlieferung und um die Stornierung der zweiten, vollkommen ungerechtfertigten Rechnung baten, ist bis heute (gut zwei Wochen später) in diesem Bearbeitungsstatus verblieben:

Guten Tag,

Ihr Anliegen ist uns sehr wichtig.

Aufgrund eines aktuell erhöhten Eingangsvolumens dauert die Bearbeitung Ihrer Nachricht aktuell länger als wir uns das wünschen.

Sobald wir Neuigkeiten zu Ihrem Anliegen haben, kommen wir erneut auf Sie zu.

Bitte beachten Sie, dass es sich um eine automatisch generierte E-Mail handelt. Weitere Antworten auf diese E-Mail werden von uns nicht verarbeitet.

Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Geduld!

Freundliche Grüße aus Burgwedel

Ihr ROSSMANN Kundenservice

 

  • Am 18. September 2024 erhalten wir die Mitteilung von PayPal über den Eingang einer Zahlung von Rossmann über knapp 50 Euro, und eine Mail von Rossmann über die Rechnungskorrektur für 16 Stück, knapp 50 Euro. Damit ist es Rossmann gelungen, uns für  nicht bestellte, nicht erhaltene und nicht bezahlte Artikel eine Gutschrift zu erteilen und den Betrag per PayPal zu erstatten.
Ich finde, das muss denen erst mal einer nachmachen, ohne dabei ins Schleudern zu geraten. Da müssen ja sogar die Cum-ex-Spezialisten vor Neid erblassen.

Zwischenstand neu:

150 Stück bestellt
182 Stück erhalten
308 Stück in Rechnung gestellt
134 Stück bezahlt

(Finde den Fehler …)

Weil wir

a) ehrliche Menschen sind, aber
b) inzwischen auch neugierig sind, wieviele Arme des Octopus sich noch in diese Verwirrung einbringen werden,

habe ich am gleichen Tag erneut eine E-Mail an Rossmann gesandt, in der ich

  • den Stand der Dinge noch einmal dargestellt habe,
  • auch  angekündigt habe, wir würden die erteilte Gutschrift zurückgeben, wenn denn auch die Rechnung über 520 Euro storniert  würde, und
  • angekündigt habe, unsere Erlebnisse mit Rossmann öffentlich zu machen.

Schon zwei Tage später, also gestern, am 20. September kam die Antwort. Sie ahnen es schon:

Guten Tag,

Ihr Anliegen ist uns sehr wichtig.

Aufgrund eines aktuell erhöhten Eingangsvolumens dauert die Bearbeitung Ihrer Nachricht aktuell länger als wir uns das wünschen.

Sobald wir Neuigkeiten zu Ihrem Anliegen haben, kommen wir erneut auf Sie zu.

Bitte beachten Sie, dass es sich um eine automatisch generierte E-Mail handelt. Weitere Antworten auf diese E-Mail werden von uns nicht verarbeitet.

Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Geduld!

Freundliche Grüße aus Burgwedel

Ihr ROSSMANN Kundenservice

 

 

Schlussfolgerungen

Rossmann hat offenbar ein Problem mit der Behandlung von Teillieferungen aus einer (1) Bestellpostion. Es wäre verständlich, falls dieser Fall bei der Konzeption der Software nicht berücksichtigt wurde, weil solche Mengen des gleichen Artikels innerhalb einer Bestellung, die entweder den Bestand überschreiten oder aus anderen Gründen auf mehrere Sendungen an mehreren Tagen aufgeteilt werden müssen, unter normalen Umständen nicht vorkommen.

Der Fortgang der Behandlung des Falles hat allerdings gezeigt, dass Rossman eben nicht nur im Einzelfall ein Problem hat.

Rossmann hat ein weiteres, grundsätzliches Problem mit der Bewältigung von Reklamationen. 

  • Mag sein, dass die Zahl der Inanspruchnahmen des Kundensvervices – wiederum aufgrund von weiteren Problemen an anderer Stelle (Angebot/Lieferung/Service) – tatsächlich stark angewachsen ist und die üblicherweise ausreichende personelle Kapazität so überfordert hat, dass drei Wochen nach dem Erstkontakt per Telefon und mehr als zwei Wochen nach der ersten, alles erklärenden Mail von uns, noch niemand dazu gekommen ist, diese Mail zu lesen, was weite Teile der Verwirrung erspart hätte.
  • Dieses Problem kann sich aber auch dadurch ergeben haben, dass die Kapazität des Kundenservices schlicht zu eng bemessen ist, so dass einfach vieles automatisch (Work-Flow-System nennt man das) auf die lange Bank geschoben wird. Nach immerhin 24 Tagen noch keine zufriedenstellende Reaktion zu erhalten, für ein Problem, dass zweifellos Rossmann zugerechnet werden muss, sollte aber absolut nicht vorkommen.

Auf Dauer wirkt sich das negativ auf die Kundenzufriedenheit aus.

Wie das im Frühstadium aussieht?

Obwohl wir mit allen vorangegangenen Bestellungen bei Rossmann voll zufrieden waren, ist Rossmann unter uns privat – überall, wo etwas schiefgeht – mit dem grinsend ausgesprochenen Satz: „Da muss wohl ein Rossmann dazwischen gekommen sein“, bereits zur beliebten Redewendung geworden.