Prof. Dr. Hilmar Hilmarson, Institut für Proktosoziologie

Um zum Ende zu kommen:

Ich gebe Ihnen zum Abschluss der heutigen Einführungs-Vorlesung noch einen ersten Überblick über den proktopsychotischen Formenkreis und seine phänotypischen Grundfiguren. Unser junges Wissenschaftsgebiet, das noch jede Menge Raum für echte Grundlagenforschung bietet, entstand ja erst, als die Angehörigen unserer Mutterfakultät– ich nenne sie der Einfachheit halber „die Nur Soziologen“ – vor 25 bis 30 Jahren mehrheitlich proktopsychotische Störungen als solche erkannten, aber leider eben auch selbst entwickelten, die über die bis dahin erforschten Formen der „temporären Verkniffenheit“ und des „intermittierenden In- und Deflationierens“ hinausgingen.

Doch ich greife vor.

Noch in der Mitte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren proktopsychotische Erscheinungen auf die Angehörigen des gemeinen Wahlvolks  beschränkt. Sie waren speziell an Stammtischen, beziehungsweise in Bierzelten anzutreffen und blieben gewöhnlich unter sich, abgesehen natürlich von jenen Ausnahmen, die wohlkalkuliert zum Zwecke der Anbiederung, jedoch ohne zugrundeliegende Überzeugungen, der Menge präsentiert wurden, um sie im Sinne der jeweiligen  politischen Grundströmungen durch das Odium der Volksnähe in die gewünschte Richtung zu lenken.

Berühmt wurde  der Spruch des großen Bajuwaren: „Man muß einfach reden, aber kompliziert denken – nicht umgekehrt“, wobei er selbst nicht als „einfach“, sondern als „deftig“ redend berühmt und berüchtigt war, weshalb er von den von ihm als „Ratten und Schmeißfliegen“ geschmähten, komplizierter Redenden, reflexartig als proktopsychopathisches Monster klassifiziert wurde.

Doch ungefähr zeitgleich mit dem Ende der Ära Kohl, hat sich auch das Zeitalter der bis dahin allein in bierselig enthemmtem Zustand präsentierten proktopsychotischen Phänomene seinem Ende zugeneigt. Seitdem hat sich das proktopsychotische Syndrom weit darüber hinaus und insbesondere in Worten und Taten der dilletantierenden Klasse in einem Maße manifestiert, dass es inzwischen bereits Forderungen gibt, diese psychoszozialen Deformationen als „das neue Normal“ anzuerkennen und  damit unserem Forschungsgebiet – wegen angeblicher Diskriminierung und Ausgrenzung – den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Das geht soweit – und bitte lassen Sie sich nicht provozieren, sollte Ihnen das jemals begegnen – die gesamte Proktosoziologie mit abschätzig-abwertendem Unterton als „Arschlochforschung“ zu bezeichnen.

Selbst wenn man diese verballhornende Übersetzung ins Vulgärdeutsche noch als zulässig ansehen wollte, bleibt sie doch falsch, weil sich Forschung und Lehre hier  ausschließlich im Plural bewegen. Es geht nicht um eines. Es geht um alle, und derer gibt es viele.

Bitte entnehmen Sie die von mir vorgenommene  Klassifikation dem Schaubild:

Wissenschaftlich Vulgär rel. Anteil
magnus culus das große A 15,7 %
stultus culus das dumme A 11,1 %
senex culus das alte A 7,3 %
in viridi culus das grüne A 16,5 %
clausum culus das verschlossene A 5,9 %
mente culus das geistlose 3,0 %
pertinax culus das sture A 14,9 %
pessimam culus das hundsgemeine A  8,6 %
mendacium culus das verlogene 17,0 %

Interessant ist vor allem die in letzter Zeit erfolgte, geradezu stürmische Verschiebung der Gewichte. Dominierten noch vor fünf Jahren magnus, stultus und senex culus die Rangreihe, mit zusammen annähernd 90 Prozent, so hat inzwischen eine deutliche Ausdifferenzierung stattgefunden, die von manchen meiner Kollegen als Zeichen des allmählichen Zerfalls der „Strömung“ in viele kleine, kaum noch wirksame Verwirbelungen angesehen werden.

Meine Erkenntnisse gehen weit darüber hinaus, denn neben den Veränderungen in der relativen Verteilung, die für sich betrachtet diese These stützen würden, hat eine massive quantitative Ausweitung stattgefunden, durch welche die Aussagen der realtiven Veränderung entsprechend relativiert werden.

So hat der Typus „magnus culus“, heute anteilmäßig auf 15,7 Prozent zurückgefallen, in absoluten Zahlen aber um erschreckende 20 Prozent zugenommen. Das sollte uns zu denken geben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Bitte versuchen Sie, in Vorbereitung auf die praktische Feldforschung im Wintersemester, sich darin zu üben, im Gedankenexperiment möglichst viele Ihnen bekannte, real existierende Personen den 10 genannten Kohorten zuzuordnen.