Olaf I., Scholz, der Herzensgute

Die Rechnung geht mal wieder nicht auf:

A) Gesamtertrag der Volkswirtschaft
B)      – Kapitalerträge
C)      – Investitionen
D)      – Staatskonsum
E) = Verteilungsmasse
F)       – Netto-Löhne und Gehälter
G)       – Bürgergeld und weitere Sozialtransferleistungen
G)        +/- Veränderung der Staatsverschuldung
H) = Zuführung zur Rentenkasse

Immer dann, wenn die Zuführungen zur Rentenkasse schrumpfen oder die Zahl der Rentner, die aus der Rentenkasse versorgt werden müssen, wächst, droht die Rentenkatastrophe, das heißt, die Durchschnittsrenten müssten gesenkt werden.

Um dies abzuwenden, stünden durchaus viele Stellschrauben zur Verfügung, mit denen die Zuführungen zur Rentenkasse erhöht werden könnten. Der Reihe nach:

  1. Höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Kapitalerträgen, entweder direkt, durch Anhebung der Steuersätze oder Ausweitung der Besteuerungsgrundlage, oder indirekt, durch Anhebung der Beitragssätze zur Rentenversicherung,
  2. Zurückfahren der staatlichen Investitionen, ggfs. ersatzweise Privatisierung,
  3. Sparen beim Staatskonsum, nur noch 598 Abgeordnete, keine neuen Stellen in der Regierung, Kürzungen bei der Beamtenversorgung, Bürokratieabbau, strengere Ausgabenkontrolle, Beschränkung auf das Notwendige,
  4. Kürzung der Nettolöhne und -Gehälter durch Anhebung der Beitragssätze zur Rentenversicherung oder durch Anhebung der MwSt. und anderer Konsumsteuern,
  5. Kürzungen beim Aufwand für Sozialtransfers, durch Leistungskürzung und Verschärfung der Zugangsvoraussetzungen, Eindämmung der Einwanderung in die Sozialsysteme
  6. Ausweitung der Staatsverschuldung

Unglücklicherweise steht auf der Wiese vor dem Reichstag eine ganze Herde heiliger Kühe herum, die nicht gemolken und schon gar nicht geschlachtet werden dürfen, so dass die Zahl der theoretisch möglichen Eingriffe bei näherem Hinsehen in der Praxis gegen null tendiert.

Kapitalerträge dürfen nicht angegriffen werden, weil das scheue Reh sonst blitzschnell auf andere Weidegründe wechselt. Die rotgrüne Spezialpolitik hat das Wild sowieso schon aufgescheucht, Fluchtbewegungen wegen  der Energiekosten und  der Überregulierung sind in vollem Gange und werden durch unwiderstehliche Anreize aus dem US-Programm zur Inflationsbekämpfung noch verstärkt. Da ist also nichts zu machen, nicht einmal mit einer klitzekleinen Erhöhung der Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen.

Staatliche Investitionen können nicht mehr weiter zurückgefahren werden. Die Infrastruktur wird längst auf Verschleiß gefahren, die Bundeswehr ist nur bedingt, und mangels Munition für kaum mehr als die Zeitspanne eines Silvesterfeuerwerks einsatzbereit. Das Kapital schreit nach Staatsaufträgen, um seine Erträge wenigstens halten zu können. Keine Chance!

Staatskonsum ist in dem erreichten Umfang zum Besitzstand geworden. Heerscharen von Lobbyisten, Beratern und Organisationen der Zivilgesellschaft fordern für ihre Leistungen zur Stabilisierung des Regierungsschiffleins ihren Tribut und bilden gemeinsam mit den Beamten und Angestellten eine aufgrund ihrer Unentbehrlichkeit so mächtige Interessenvertretung, dass es sich verbietet, auch nur daran zu denken, hier Kürzungen vornehmen zu wollen.

Löhne und Gehälter sind bei der Masse der Beschäftigten, bis weit in den Bereich der Fachkräfte, Experten und Spezialisten hinein im internationalen Vergleich bereits so weit durch direkte und indirekte Steuern sowie Sozialbeiträge geschrumpft, dass sich jede weitere Kürzung verbietet, wenn Deutschland als Wirtschaftsstandort überhaupt noch eine Bedeutung haben soll, zumal die Inflation das ihre dazu tut, den Menschen die Freude an der Arbeit zu verderben. 

Sozialleistungen sind unabdingbare Voraussetzung für den sozialen Frieden und für die Attraktivität Deutschlands für die notwendige Zuwanderung von jährlich mindestens 400.000 Fachkräften, die jedoch nur aus einer unvermeidlich sehr viel größeren Zahl von willkommenen Migranten herausgefiltert werden können.

Staatsverschuldung  noch weiter auszuweiten als sie mit dem Gewummse der letzten 12 Monate schon ausgeweitet worden ist, verbietet sich in Zeiten steigender Zinsen praktisch von selbst und muss auf das Notwendige beschränkt werden. Rentner gehören aus volkswirtschaftlicher Sicht aber nun einmal nicht mehr zum Notwendigen, zumal sie aufgrund der Rentenpolitik der Vergangenheit auch als Konsumenten kaum noch nennenswertes Gewicht auf die Waagschale bringen und im Stadium der Überlastung des Gesundheitssystems auch dort als Patienten keinen Beitrag zur Gewinnmaximierung mehr leisten können.

 

Olaf I., Scholz, der Herzensgute, weithin bewundert auch ob seiner selektiven retrograden Amnesie, hat nun die älteste Idee aus der Mottenkiste der kapitalzentrierten Sozialpolitik im neuen Gewande auf brillante Weise zu jener Diskussion gestellt, die unter dem Beifall der Begünstigten  gar nicht anders können wird, als Gesetz zu werden. 

Olaf Scholz will am ganz großen Rad drehen und die Zahl der Rentner reduzieren. Dann bleibt wenigstens für die Wenigen mehr übrig und die anderen können sich nicht über zu niedrige Renten beschweren, weil sie ja gar keine Rente bekommen.

Elegant ist die Sprechformel die dafür gefunden wurde.Die Frankfurter Rundschau titelt zum Beispiel:

Scholz will mehr Menschen länger arbeiten lassen.

Die deutsche Sprache verlangt hier eine kontextsensitive Interpretation. Im Text erschließt sich daher schnell, dass es nicht die Absicht von Olaf Scholz ist, den Menschen längeres Arbeiten zu ermöglichen, wie man den Satz ja durchaus deuten könnte, sondern dass er sie mit den Mitteln der Sozialgesetzgebung dazu zwingen will, länger zu arbeiten. Angestrebt wird, die Möglichkeiten des Renteneintritts vor dem 67. Lebensjahr einzuschränken, denn es machen einfach zu viele davon Gebrauch, noch vor Erreichen der Altersgrenze, also mit 63 oder 65 Jahren, schon die Rente zu beantragen.

Kein Gedanke dazu, woran das liegen könnte. Stattdessen ein Framing vom Feinsten.

Scholz drückt auf die Tränendrüsen, indem er nicht auf die Arbeitsbedingungen hinweist, die viele Arbeitnehmer bewegt, so früh als möglich und unter Inkaufnahme von spürbaren Abschlägen bei der Altersrente aus dem Beruf zu flüchten, sondern das Pferd vom Fachkräftemangel her aufzäumt.

Diejenigen, die zu früh gehen, weil die Arbeitgeber nicht willens sind, ihre davonlaufenden Fachkräfte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Betriebe zum Weitermachen zu motivieren,

was durchaus nicht nur mit der Bezahlung zusammenhängt, sondern sehr viel mit den modernen Methoden des Personalmanagements, die noch dazu oft genug von unerfahrenen und unsensiblen, frisch von der betriebswirtschaftlichen Fakultät angeworbenen, gendererprobten Führungskräftenden mit ausgeprägten „Alte-weiße-Männer-Aversionen“ exekutiert werden,

sind verantwortlich für den Fachkräftemangel!

Wer sich so treulos und vor dem totalen Ausgebranntsein vom Acker macht,

  • der zwingt den Staat dazu, Krippen, Kitas und Schulen auszubauen und Ganztagsangebote zu erweitern, damit der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt gesteigert werden kann.
    (Nicht der Anteil der Frauen, die Arbeit haben, soll gesteigert werden, sondern der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt, die also so wie Millionen von Arbeitslosen und Unterbeschäftigten, Arbeit suchen sollen.)
  • der zwingt den Staat außerdem dazu, die Einwanderung aus dem Ausland zu forcieren

denn anders ist unser Wohlstand nicht zu sichern.

Wer also zu früh in Rente will, ist schuld, wenn noch mehr Frauen arbeiten müssen, um die Familien zu ernähren und die Kosten für die Ganztagsbetreuung der Kinder in personell unterbesetzten Kinderkrippen,  Kitas und Schulen finanzieren zu können. Außerdem sollte, wer sich vor der Arbeit drückt, gar nicht daran denken, die Migrationspolitik der Regierung zu kritisieren. Es ist sein unsoziales Verhalten, dass die Regierung zur weiteren Erleichterung der Zuwanderung zwingt.

Man kommt nicht darum herum, auch in der Rentenproblematik die Frage zu stellen, ob es nicht die fürsorgliche Bevormundung der Bürger ist, die das Problem überhaupt erst schafft, indem sie jeden, der ein Arbeitseinkommen bezieht (und nicht Beamter ist oder Zugang zu einem anderen ständischen Versorgungswerk hat), zwingt, vom ersten Tage an, bis zum Erreichen von willkürlich festgesetzten Altersgrenzen in eine so genannte Versicherung einzuzahlen, bei der sowohl die zu leistenden Beiträge als auch die späteren Leistungen vollständig dem Willen der jeweils am Ruder sitzenden Regierung unterworfen sind.

Freiheit – Freiheit sieht anders aus.

Die am Beginn dieses Artikels präsentierte „Verteilungsrechnung“ genügt doch im Grunde vollständig, um zu erkennen, wie die Prioritäten gesetzt sind, und dass die staatliche Rentenpflichtversicherung – anders als die Wahlversprechen der Politiker vermuten lassen – in der Rangreihe weit unten steht.

Dabei muss noch nicht einmal darauf hingewiesen werden, dass die gesetzliche Rentenversicherung seit jeher genutzt wird, um ihr „versicherungsfremde Leistungen“ aufzuzwingen, die dann mit „Staatszuschüssen“ wieder ausgeglichen werden sollen, obwohl erhebliche Zweifel daran bestehen, dass die Belastungen der Zwangsversicherten durch diese Zuschüsse tatsächlich vollständig ausgeglichen werden.

Ein Bundeskanzler, der die Macht hat, alle nicht durch Beamtenstatus oder anderweitig privilegierten Beschäftigten, wenn es ihm erforderlich erscheint, länger arbeiten zu lassen,

genauso wie man eine Autobahnbrücke länger in Betrieb lässt, als es den Vorausberechnungen der Ingenieure und Statiker entspricht,
oder aber, im umgekehrten Fall,  ein Kraftwerk, das noch lange nicht am Ende seiner Nutzungsdauer angekommen ist, nach Gutsherrenart nicht mehr weiterlaufen lässt, 

ist ein starkes Indiz dafür, dass bestimmte feudalistische Elemente der Herrschaftsausübung auch noch unter dem Regelwerk der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Bestand haben.

Der Staat kann eine Versicherungspflicht gesetzlich bestimmen. Gar keine Frage. Die Gebäudebrandversicherung und die Kfz-Haftpflichversicherung sind gute Beispiele dafür.

Der Staat sollte aber keine Versicherung, zu deren Abschluss er verpflichtet, selbst betreiben, und schon gar nicht in der – nicht wirklich regelbasierten – Art und Weise, wie es in den unaufhörlichen staatlichen Manipulationen an der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausdruck kommt.

Der Staat kann bei der Versicherungspflicht sogar gesetzlich vorgeben, dass primär die Umlagefinanzierung genutzt werden muss, und eine ergänzende Kapitaldeckung über die Schwankungsreserve hinaus nur aus erwirtschafteten Überschüssen aufgebaut werden darf. Aber er muss dem Versicherungspflichtigen die Wahl lassen zwischen unterschiedlichen Versicherungsanbietern, und innerhalb der Vertragswerke auch Abschlüsse nach Laufzeiten (Auszahlungsbeginn) und Versicherungssumme (Rentenzahlbetrag) zulassen, so lange damit die zum Zeitpunkt des Abschlusses gesetzlich vorgeschriebenen Mindestleistungen nicht unterschritten werden.

Das ist Freiheit, das ist Eigenverantwortung und es ist Planungssicherheit für das Alter.
Das ist weitaus besser als „die Renten sind sicher“ oder „wir schaffen das“.