Leute, die glauben, sie können es

Nur eine kleine Fingerübung

Leuten, die glaubten, sie können es, bin ich meinem bisherigen Leben einigen begegnet.

 Allerdings hatte ich immer den Eindruck, es handle sich um Einzelfälle. Leute, die – aus welchen Gründen auch immer – in eine Position geraten waren, die sie absolut nicht auszufüllen vermochten. Die dafür aber, je inkompetenter sie waren, immer herrschsüchtiger agierten.

Ich will hier nicht weiter vom quer eingestiegenen neuen Chef berichten, mit dem ich nach zwei Wochen in ein Brüllduell ausgebrochen bin, weil er nicht in der Lage war, sich auf seine neue Situation einzustellen und erfolgsorientiert Prioritäten zu setzen. 

Etwa ausführlicher will ich den Fall schildern, als ich – und ein Kollege – zu einem internen Seminar in der Zentrale geschickt wurden, für das ein externer Referent verpflichtet worden war. Den Titel erinnere ich nicht mehr wirklich, es war aber so etwas in der Art von „Moderne Prinzipien der Organisation“. Das Seminar sollte eine ganze Woche dauern. Ich habe es am Nachmittag des zweiten Tages verlassen und konnte auch meinen Kollegen überreden, das Seminar abzubrechen. Warum? Weil  der Referent auch am zweiten Tag noch nicht weiter gekommen war, als die Vorteile von kariertem Papier zu schildern.

Natürlich gab es zuhause Krach mit dem Chef. Doch dass es besser sei, wenn wir hier noch drei Tage vernünftige Arbeit erledigen als uns in Düsseldorf mit abstrusen Binsenweisheiten traktieren zu lassen, hat er letztlich eingesehen.

Diese kurze Erzählung zeigt allerdings, dass hier aus dem Einzelfall eines in  seinem Fach absolut imkompetenten Referenten, bereits eine Kette der Inkompetenz geworden war. Irgendjemand musste diesen Referenten schließlich ausgewählt und die von ihm vorgeschlagenen Inhalte für gut und wichtig gehalten haben. Aber damit nicht genug. Ab einer gewissen Größenordnung müssen Ausgaben von einem in der Hierarchie höher stehenden Budgetverantwortlichen genehmigt werden, und auch der hat versagt und dem Unternehmen so einen nicht unerheblichen Schaden zugefügt. 

(Natürlich kann es auch Absicht gewesen sein. Die Absicht, einem armen Verwandten ein paar Tausender zukommen zu lassen. Er müsse ja nur eine Woche was über Organisation erzählen. Da fällt ihm schon was ein. Was soll da schon passieren?)

Auch wenn dieses Seminar eine Kette von Inkompetenz offengelegt hat, war es für sich genommen doch wieder nur ein Einzelfall. Ich habe viele fantastische Seminare besucht, auch einige, die nur gut waren, aber so eine grottenschlechte Veranstaltung habe ich auch danach nie wieder erlebt.

Heute sieht es ein bisschen anders aus.

Inkompetenz – so empfinde ich es – ist längst zum neuen Normal geworden. Und es gilt, wie in  allen Einzelpräzedenzfällen aus meiner Erinnerung: Je inkompetenter sie sind, desto herrschsüchtiger.

2018 veröffentlichte Dirk Maxeiner sein Buch „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts“. Das ist nur sechs Jahre her. Doch damals machte ein Pointe, wie auf Seite 12 geschildert, durchaus noch Sinn. Da heißt es – von mir aus dem Zusammenhang gerissen:

Ich wollte sie ein wenig aufmuntern und meinte beruhigend:
„Idioten gibt es überall.“

Sie darauf hin:
„Nein, so viele Idioten gibt es nicht überall.“

Mein deeskalierender Vorschlag zu Güte:
„Ich glaube, die sind nicht von Natur aus Idioten, die haben das studiert.“

Dieser Dialog ist heute nicht mehr denkbar.

Niemand würde noch darüber streiten, wo die meisten Idioten sitzen, und erst recht würde niemand mehr behaupten, dass es eines Studiums bedürfe, um als Idiot in Erscheinung zu treten. Der Gegenbeweis ist allgegenwärtig.

Ich soll Namen nennen?

Mein Gott, wo soll ich da anfangen, und wie soll ich jemals wieder zu einem Ende finden?

Tut mir leid, aber so viel Zeit habe ich nicht.