Es ist wieder einmal so weit.
Die Gralshüter des Karnevals werfen sich in Gala und verkünden den Beginn.
So sehr die Erzählungen über die Ursprünge des Karnevals auch divergieren, ein Element taucht in der Karnevalshistorie vermehrt auf, nämlich der Versuch, die einstigen französischen Besatzungstruppen als das Sinnbild der Herrschaft in ihrer prächtigen äußeren Erscheinung und machtvollen geistigen Ödnis nachzuahmen, so dass das Volk, ohne Strafe fürchten zu müssen, über das Wesen der Besatzer lachen konnte, ohne über die Besatzer selbst zu lachen, sondern über die eigenen Landsleute, die als so genannte Jecken noch nicht einmal persiflierend oder kabarettistisch überspitzend auftreten mussten, um Heiterkeit auszulösen, sondern einfach nur ein möglichst getreues Abbild zu geben hatten.
Ja, das waren noch Zeiten, als die Leute gerade in der absolut getreuen Nachahmung der herrschenden Klasse einen Anlass für johlendes Vergnügen fanden. Es ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob die Leute damals dümmer und einfältiger oder klüger und gerissener waren, eines steht jedoch fest, das Publikum und der Elferrat, die Büttenredner und Hofsänger – sie verstanden die Bedeutung der karnevalesken Darbietungen und machten sich nicht selten nass vor Lachen.
An diesem Heiterkeitsprinzip hat sich bis heute nichts geändert. Es wird immer noch gnadenlos imitiert. Nur bekommen das nur die wenigsten per Television zugeschalteten Leute überhaupt noch mit. Die denken sich: „Die Büttenreden sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren“, legen das dem Redner zur Last und schalten ab oder gar nicht mehr erst ein. Der Büttenredner kann aber nichts dafür. Er muss ja nur „werkgetreu“ nachahmen. Was wäre denn auch, wenn der Jeck sein Vorbild noch übertreffen wollte? Verkehrte Welt, sage ich da nur. Verkehrte Welt.
Eine kleine Veränderung bei der Nachstellung des Herrschaftsgebarens hat sich allerdings nicht vermeiden lassen. Die Herrschaft ist einfach rein zahlenmäßig viel zu mächtig geworden. Es ist schlicht unmöglich, zur Prunksitzung im Mainzer Schloss einen ganzen Bundestag mit über 700 blauen Sesseln aufzubauen, um einen realistisch-komischen Eindruck davon zu vermitteln, wie verloren und vermeintlich hilflos der harte Kern von dreißig, vierzig Abgeordneten inmitten unbesetzter blauer Sitzreihen unter der Reichstagskuppel wirken kann.
Nun ja, schön wäre ein solcher Aufbau schon. Aber wohin dann mit den zahlenden Gästen? So groß hat der Kurfürst auch wieder nicht gebaut. Das Schloss ist halt kein Kanzleramt. Mag daran liegen, dass die Herrscher früherer Zeiten sich noch mit dem Zehnten zufriedengeben mussten.
Weil der Bundestag nicht ins Schloss passt, komprimiert man das Geschehen in der Art der Bänkelsänger auf eine Erzählung für die Bütt, und das klingt dann ungefähr so:
Im Bundestag, zu später Stunde,
der harte Kern, die Kungelrunde,
beschließt beschlussfähig zu sein
und winkt den Omnibus herein.
Töff-tääää, Töff-tääää, Töff-täääää
Da kann, da darf, da soll man lachen,
wie die da die Gesetze machen.
Doch ist’s Gesetz in Kraft getreten,
da hilft dem Lacher nur noch Beten.
Töff-tääää, Töff-tääää, Töff-täääää
Was ist der Unterschied, ihr Leut,
zwischen uns’rem Habeck heut
und dem Riesenross von Troja?
Na?
Na?
Na? – Ach so, ja.
Töff-tääää, Töff-tääää, Töff-täääää
Die AfD hat viele Recken,
die gern sich stoßen würden an den Ecken.
Die Eckenmehrheit doch zum Glück,
weist die Anstößigen zurück.
Töff-tääää, Töff-tääää, Töff-täääää
Hier noch der Hinweis eines Lesers zur Richtigstellung der Karnevalshistorie:
Der rheinische Karneval ist nicht in Opposition zur französischen Besatzung zur Zeit Napoleons entstanden, sondern zur preußischen „Besatzung“ nach dem Wiener Kongress, wo Teile des Rheinlands Preußen zugesprochen wurden. Die Rheinländer waren aber durch die Franzosen sozusagen demokratisch „verseucht“ und haben die feudale Welt der Preußen (Ordensverleihung, militärische Prinzengarde, aber ansehnlicher, Prinz und Prinzessin usw.) aufs Korn genommen. Der Elferrat steht angeblich für die Gleichheit (11 = 1+1), salutiert wird wie beim preußischen Militär, bloß ein bisschen schräg, es wird zackig marschiert etc. – Parodie des preußischen Militarismus. Herzliche Grüße Albert V.