Interessantes aus meinem Posteingang

In den beiden letzten Tagen habe ich interessante Informationen erhalten, die ich – nur kurz von mir kommentiert – weiterreichen will.


Aus Spanien:

Nächstes Jahr im April steigen die Renten in England  um 10 Prozent. (Ich erhalte die volle staatliche englische Rente obwohl ich dort damals nur einige Jahre gearbeitet habe.)

In Spanien, wo ich lebe, bekommen die Rentner nächstes Jahr auch 10 Prozent mehr. 

In der BRD will man die Renten um 3,5 Prozent erhöhen, man redet aber bereits über eine Nullrunde wegen der Energiekrise…

Wie kann es sein, dass Pleite-Länder ihren Bürgern 10 Prozent Rentenerhöhung zahlen können und in der BRD würde man den Leuten am liebsten nix auszahlen?

Gruss  G.

Schreib doch mal was zu dem Thema

Die Aussagen zu den Rentenerhöhungen in Spanien und England sind natürlich aufregend. Vor allem wenn man das Rentenniveau in Betracht zieht. In Spanien liegt die Rente bei 80,3 % des letzten Nettolohns, in England immer noch bei 58,1 % – der deutsche Rentner muss sich mit 52,1 % einrichten. Diese Zahlen stammen aus 2021 und haben sich möglicherweise inzwischen verändert.

Der nächste Unterschied – ich habe bisher nur für Spanien recherchiert – besteht darin, dass die spanische Sozialversicherung mit einem geringeren Anteil des Arbeiteinkommens als Beitrag auskommt als die deutsche. In Deutschland zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (hälftig) 33,2 Prozent des Bruttolohnes für die Kranken- und Rentenversicherung. In Spanien  fallen dafür 28,3 Prozent an – und davon wiederum zahlt der Arbeitnehmer nicht die Hälfte, sondern nur ein Sechstel.

Ach ja, und wenn wir schon so weit an’s Eingemachte gehen: Das Median-Nettovermögen der Haushalte in Großbritannien lag 2020 bei 131.522 $, in Spanien bei 105.831 $, in Deutschland bei 65.374 $.

Fragen Sie doch einfach einmal Ihren Bundestagsabgeordneten, wie diese Unterschiede entstanden sein könnten.


Aus Australien

Ich würde Ihnen gerne ein paar Hinweise/Kommentare zu Ihrem Artikel zum Thema digitales Bargeld geben.

Obwohl ich im Grunde Ihre im Artikel dargelegte Meinung teile,habe ich doch sehr große Bedenken, was dieses Thema betrifft. 

Das Ziel des digitalen Geldes scheint ja die totale Kontrolle über die Menschen zu sein. Somit wird es nicht einfach, oder gar unmöglich sein, eine Kaffeemaschine als Bezahlung für die Malerarbeiten an meinem Haus zu kaufen, weil ‚Big Brother‘ im Hintergrund „Buch führt“ über alle Dinge die die Menschen haben und ‚brauchen“.  Ich lebe schon seit 20 Jahren in Australien (hier wird es zunehmend  ungemütlich), und daher dachte ich, dass dieses Dokument der Stadtverwaltung von Bathurst in New South Wales für Sie interessant sein könnte: 

https://www.bathurst.nsw.gov.au/images/stories/council/studies/BRC_Smart_Community_Strategy_LOW_RES.pdf

In dem Dokument wird der Plan der Transformation zur Smart-City dargelegt. Ein sehr wichtiger Hinweis auf die Zukunft, welche für uns geplant zu sein scheint, findet sich auf Seite 12: „Eine Einkaufs-App die sicherstellt, dass Sie kein Essen kaufen, welches Sie nicht brauchen“. Wenn man diesen Gedanken weiter spinnt und die totale Kontrolle vom Essen bis hin zum Energieverbrauch weiter denkt, kann es einem schon mal den Tag verderben..

Nochmals herzlichen Dank für Ihre Arbeit, ich werde weiterhin täglich bei Ihrer Website vorbeischauen. Viele Grüße, Jörg M.

Die Idee von der Smart City ist ja nichts spezifisch Australisches. Die Smart Cities sind längst auch in der EU angekommen, und hinter allem steckt, na, wer schon? Klaus Schwab und das WEF.

Ich habe mir die von meinem Leser verlinkte Smart Community Broschüre der Stadt Bathurst ein bisschen zu Gemüte gezogen. Vermutlich bin ich doch noch sehr von gestern, aber mich hat diese Lektüre nicht hoffnungsfroh in eine wunderbare Zukunft blicken lassen, die schon in wenigen Jahren entstehen soll. Ich parke ja auch noch ohne Assistenzsysteme rückwärts ein.

Der Versuch, sich auf höchstem technologischen Niveau in einen Kokon aus Apps, Sensoren und Apparaten einzuspinnen, ähnelt meines Erachtens dem Larvenstadium der Honigbienen. Da ist die Wabe, darum herum wuseln die Arbeiterinnen, die für Nahrung sorgen, den Kot wegräumen und auch als Klimaanlage fungieren, und drinnen sitzt die Made und frisst. Bei den Bienen wird allerdings eines Tages die Wabe aufgebrochen und eine fix und fertige Biene schlüpft aus, um die Welt zu erleben und sich in ihr zu bewähren.

Die Bewohner der Smart City, so erscheint es mir, haben keine Lust mehr auf eigenes Erleben und selbstverantwortliches Handeln. Sie ziehen sich – jetzt noch als Erwachsene, später von Geburt an – in ihre Waben im Internet der Dinge zurück und überlassen sich voll und ganz „dem System“, und sehen nur noch ihrem Tod und der umweltfreundlichen Entsorgung ihrer Leiche entgegen.

Wenn es aber nur das wäre.

Wenn mich die Mülltonne bei der zuständigen Behörde verpfeift, wenn ich Papiermüll in die Biomülltonne gesteckt habe, oder wenn meine Tonne nach den Vorstellungen einer künstlichen Intelligenz zu schwer ist, was Nachforschungen nach sich ziehen kann, wenn mir der Fitness-Pfad im Park die Mitteilung aufs Smartphone schickt, es sei mir bei meiner körperlichen Konstitution und nach dem Steak gestern Abend, dringend angeraten, jetzt sofort eine Runde zu absolvieren, was vermutlich bei Nichtbefolgung die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge oder Leistungskürzungen im Krankheitsfall nach sich zieht, dann graust es mich.

Ja, der Leser hat recht. Dies in Verbindung mit ausschließlich digital verfügbarem Geld, kann schnell dazu führen, dass man das selbst verdiente Geld nicht mehr für die Dinge ausgeben kann, die man sich wünscht, sondern nur noch für Zwecke, von denen die KI glaubt, dass sie jenen Bedürfnissen entsprechen, die sich die KI für mich ausgedacht hat. 

Mir ist noch keine deutsche Stadt bekannt, die schon so weit fortgeschritten ist wie Bathurst, und irgendwie habe ich noch einen Rest Hoffnung, dass es in der zunehmend verblödenden Republik gar nicht mehr gelingen könnte, die notwendige Technik sinnvoll verknüpft einzusetzen, doch weiß ich, dass diese Hoffnung auch nur das Tor zu einer anderen, nicht minder schlimmen Dystopie aufstoßen würde, nämlich einem Land mit ähnlich unvermögenden Menschen, nur eben ohne die schützende Hülle aus Apps, Sensoren und Apparaten.


Aus Deutschland

https://www.sueddeutsche.de/auto/elektroauto-audi-q6-e-tron-porsche-macan-e-software-1.5691143

Ich weiß, daß Sie die deutsche Automobilkunst loben. Ich meine mich auch zu erinnern, daß „Elektroautos nun ja jeder mittelmäßig Begabter zusammenschrauben kann“ (ich zitiere Sie mal frei). Ich halte deutsche Autos für over-engineered. 

Aber wozu zum Teufel braucht man Elektroautos mit 500 bis 700 PS? 

Da schreibt die EU nun vor, wieviel CO2 (Pflanzen-doping) beim Verbrennen raus kommen darf. Welch ein Schwachsinn. Wann kommt der PS- bzw. KW-Deckel? 

Der Link zur Süddeutschen lässt erahnen, dass die oben angesprochene „nicht minder schlimme Dystopie“ mit dem endlich gelungenen Versuch, einen Hauptstadtflughafen zu bauen, noch längst nicht zu Ende ist. Die Avantgarde der Dichtenden und Denkenden unserer Tage klebt sich popelig auf die Straße und an die Werke alter Meister, nicht ohne diese vorher mit Essensresten zu bekleckern. Es sei von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt, urteilte jüngst ein Amtsrichter, und keineswegs Nötigung. Kann es ja wohl auch kaum sein, wenn sich die Bezirksbürgermeisterin mit den Verklebten solidarisiert hat.

Die Frage, wann der PS- bzw. Kilowatt-Deckel kommt, lässt sich näherungsweise so beantworten, dass der Deckel kommen wird, der zuerst kommt. Die Energiekrise, die trotz aller offiziellen Aufforderungen zum Preppern immer noch verharmlost wird, wird meiner Meinung nach zuerst den radikalen Kilowatt-Deckel auslösen. Nur noch 10 KWh Ladestrom wöchentlich für private Automobile, und auch die nur dann, wenn es die Großwetterlage zulässt. Und dazu ein donnerndes: „Nimm das! Putin!“


Dumpf dämmernde Einsicht

Die einen ziehen sich in ihr Hightech-Schneckenhaus zurück und kommen nie wieder zum Vorschein, während die anderen sich von allen Lowtech-Errungenschaften trennen, um am Ende als nackte Affen wieder auf die Bäume zu ziehen. Nur das Smartphone, das werden sie wahrscheinlich mitnehmen wollen.


Peter Mannstorff, von dem ich mit dem EWK-Verlag einige Bücher veröffentlicht habe, hat in „Henriettes Universum“ einige sonderbare Welten geschildert. Ein Stückchen daraus habe ich hier für Sie ausgegraben. Es passt gerade.

Wenn man plötzlich anders ist

Archibald Rektus tut Peter und Henriette einen Gefallen. Damit sie Treibstoff sparen, schreitet er mit den Astronauten in ihrem Micromégas durch das Universum und setzt sie auf einem Planeten im Zentrum einer Stadt ab, in der Nähe eines Tümpels. Trauerweiden hängen ihre Zweige ins Wasser; graue Hausfassaden spiegeln sich, in der Ferne hört man das Brummen und Hupen des Autoverkehrs. Henriette und Peter bedanken sich beim Riesen und krabbeln aus ihrer Raumfähre. Vor ihnen ist ein großes Schild in den Boden gerammt:

„Sie verlassen die Stadt Einsiedel.“

Daneben eine Hinweistafel:

„In 161,13 Metern betreten Sie die Stadt Einsam.“

„Einsam?“, ruft Peter aus. „Ist das nicht die Stadt, in der dein Großvater leben soll … nichts wie rüber!“
Henriette runzelt die Stirn und zeigt traurig auf ein weiteres Schild:

„Einreise ohne gültigen Ausweis nicht gestattet, Tiere nur mit Gesundheitspass.“

Das riecht nach Kontrolle. Ausweise haben sie nicht und einen Gesundheitspass für Rosa auch nicht. Wie sollen sie jetzt bloß nach Einsam einreisen? Wenigstens für Rosa hat Peter eine Idee. Er geht mit ihr zum Tümpel, lockt sie ins Wasser und tunkt ihr immer wieder den Kopf unter. „Hör auf!“ ruft Henriette entsetzt: „Das ist Tierquälerei!“
Peter verteidigt sich. „Anders bekommen wir sie nicht über die Grenze.“ Rosa wehrt sich mit den Vorderpfoten so sehr gegen das unfreiwillige Bad, dass sie bald erschöpft ist und sich in einen Bastkorb, den sie am Ufer des Tümpls finden, verkriecht und einschläft.
Peter legt alte Zeitungen über den Korb, damit das Tier versteckt bleibt. Sie gehen zum Zollhäuschen. Am Schlagbaum warten Uniformierte in karierten Uniformen. Nanu? Das ist ja lustig! Sie haben beide ein Brett vor dem Kopf.

In das Brett sind zwei Löcher gebohrt, durch die neugierige Augen blinzeln. Die Holzbretter sind den Zöllnern an die Stirn gewachsen. Henriette kann sich ein Kichern nicht verkneifen. „Laufen auf diesem Planeten etwa alle mit einem Brett vor dem Kopf herum?“
Ein Grenzer mustert skeptisch die Gesichter der Kinder: „Ihr seid wohl Ausländer? Ihr seht so anders aus. Habt ihr etwas zu verzollen? Waffen oder Funkgeräte? Führt ihr Tiere mit euch? Nein? Dann zeigt bitte eure Ausweise, sonst könnt ihr nicht aus Einsiedel ausreisen.“
Henriette wird rot und schaut verlegen zu Boden. Peter stottert: „Äh … die haben wir unterwegs verloren. Sie sind uns … ja, genau … sie sind uns aus dem Raumschiff gefallen, als wir einer Sternschnuppe ausweichen mussten.“
„Raumschiff?! Erzählt das eurem Großvater.“
Henriettes Augen beginnen zu leuchten. „Das werde ich auch machen. Er wohnt nämlich in Einsam. Und wo ist nun dieses Lächerdingen?“
Der Zöllner lacht. „Lächerdingen? So heißt unser Planet. Er ist aber gespalten, wie man ein Atom spalten kann, und er besteht aus zwei Städten, der Stadt Einsiedel und der Stadt Einsam. Dann fordert der Zöllner beide Grenzgänger auf: „Sagt endlich, woher ihr kommt. Wie bitte? Planet Erde? Eure Namen? Moment, eine Sekunde“, und der Beamte tippt die Daten in einen Computer ein. Nach wenigen Sekunden spricht er Peter ernst an: „Hier steht, dass du im letzten Schuljahr in der Deutscharbeit deinen Nachbarn abschreiben ließest. Eigentlich dürftest du nicht nach Einsam einreisen, aber wir werden ein Auge zudrücken. Sollen die sich drüben in Einsam mit dir herumplagen.“
Er guckt wieder auf den Bildschirm und wendet sich Henriette zu: „Bei dir sieht die Sache allerdings übler aus. Du bist zu Hause ausgebüchst, als man dich in ein Heim bringen wollte. Das ist ein großes Vergehen! Wir werden dich gleich hierbehalten und in ein Heim für schwererziehbare Kinder schicken.“
Henriette bekommt glasige Augen. Sie kämpft mit den Tränen. „Bitte nicht! Bitte bitte!!! Ich suche doch nur meinen Großvater. Wenn ich ihn gefunden habe, bleibe ich bei ihm, dann brauche ich kein Heim mehr. Dann habe ich auch wieder ein Zuhause. Bitte lasst mich in die Stadt Einsam! Ich will zu ihm!!!“
Die beiden Zollbeamten stecken die Köpfe zusammen und tuscheln. „Wir wollen mal nicht so sein“, sagt einer der beiden schließlich und öffnet den Schlagbaum. Bevor die Kinder passieren, hüpft Henriette ihnen vor lauter Freude an den Hals und küsst sie auf beide Wangen: „Ihr seid die liebsten Grenzer auf der ganzen Welt.“
Nach wenigen Metern stehen sie wieder vor einem Schlagbaum. Wieder wollen zwei uniformierte Männer die Papiere sehen. Auch sie haben ein Brett vorm Kopf. „Wie bitte? Keine Ausweise“, fragen sie erstaunt. „Moment, wir telefonieren mit den Kollegen von der anderen Seite.“
Der eine Zöllner murmelt etwas ins Telefon, dann sagt er zu Peter: „Wie ich gerade höre, hast du zu Hause etwas ausgefressen. Melde dich hier in der Ernst-August-Strafschule, dort wirst du beim Lehrer Hufschmied zwei Stunden nachsitzen.“
Dann guckt er streng Henriette an: „Und du begibst dich bitte umgehend zum Haus der Seelenwiese.“
„Was ist die Seelenwiese?“
„Die Seelenwiese ist eine Kinderkolonie, dort wirst du einige Tage bleiben, bis dein Großvater dich abholt.“
„Aber er weiß doch gar nicht, dass ich hier bin. Ich muss ihn suchen!“
„Tu, was wir dir sagen!“, sagt der Zöllner mit scharfer Stimme: „Und eins merkt euch, eine Mücke machen ist zwecklos! Die Stadt wird von Videokameras überwacht. In der Zentrale weiß jeder, wo ihr euch gerade aufhaltet. Die Polizei wird euch sofort auf den Fersen sein.“ Er lächelt die Kinder an. „Jetzt aber ab durch die Mitte, marsch, marsch!“ Die Zöllner winken die Kinder durch den Schlagbaum, und Peter und Henriette trotten los. Rosa hat Glück gehabt, sie ist den Grenzern durch die Kontrolle geschlüpft und ist jetzt nicht mehr im Korb, sondern hüpft einige Meter voraus.
Henriette lässt sich das Wort Seelenwiese auf der Zunge wie Vanilleeis zergehen „… irgendwie hört es sich verlockend an. Da kann man vielleicht den ganzen Tag auf einer Wiese liegen und die Seele wie in einer Hollywoodschaukel baumeln lassen. Das wird super! Es ist ja nur für ein paar Tage.“
Die Stadt Einsam ist total anders als die Hauptstadt von Lächelrose. Hier gibt es nur graue und vergilbte Wohnblocks mit schmalen Fenstern, so schmal wie Schießscharten.
Überall Hinweisschilder. „Zum Bäcker: 124,5 Me-ter“, „Zum Polizeirevier: 55,9 Meter.“ Henriette dreht sich immer wieder ängstlich um. An Litfaßsäulen und auf Laternen, überall beobachten sie kleine schwarze Augen von Videokameras.
Rosa bellt die Passanten an. Verschreckt weichen sie zurück. Ihr Herrchen und Frauchen sind ihnen nicht geheuer. Ohne Brett vor dem Kopf? So etwas Sonderbares ist ihnen noch nie vor die Augen gekommen!
Über die Straßen führt ein Wirrwarr von Schienen. Weichen säumen Kreuzungen, darüber hängt ein Gestrüpp von elektrischen Leitungen; auf Gleisen quietschen Dutzende von Autos, alle haben hinten Stangen, zum Teil verrostet, die mit den Leitungen verbunden sind.

Peter will jemanden fragen, wie das alles funktioniert. Ein Mann schleicht vorbei und flüstert mit ausdruckslosen Augen: „Ich bin der einsamste Bürger Einsams. Sie können mir sowieso nicht weiterhelfen.“
Peter lacht: „Aber Sie sollen uns doch weiterhelfen!“ Ein anderer Mann stöhnt: „Ich bin müde von der Arbeit.“
Ob das wohl ein großer Fehler gewesen war, zu diesen Trantüten zu fahren? Am Ende hält sich der Großvater gar nicht hier auf. Dann würden sie hier nur ihre Zeit vergeuden. Und wie sollen sie aus dieser Stadt jemals hier wieder zu ihrem Raumschiff gelangen – ohne Papiere?
Henriette fragt nach dem Weg zur Seelenwiese. Eine Frau gibt bereitwillig Auskunft: „Ihr müsst den Bus 11A bis zur Endstation nehmen, dann durch den Geh-Wald laufen und schon seid ihr da.“
Von einem Schild lassen sie sich die richtige Richtung weisen: „22,2 Meter bis zur Haltestelle“, dort warten sie auf den elektrischen Bus. Der Fahrer ist freundlich. „Was, keinen Fahrschein?!“, trällert er zu einer fröhlichen Melodie. „Gut. Weil heute Sonntag ist.“
Henriette lacht den Fahrer lustig an. Dabei ist heute Donnerstag.
Als Peter den Mann fragt, wie das mit den vielen Autos an den elektrischen Leitungen funktioniert, wer für sie die Weichen stellt, damit sie nicht zusammenstoßen, antwortet er, dass jeder Verkehrsteilnehmer seine Tour vor Antritt der Fahrt in einem elektronischen Brief bei der Verkehrsversorgungszentrale eingibt, die berechnet dann im Computer die unzähligen Fahrten in der Stadt und programmiert die Weichen. Es war ein talentierter Bastler, der das mit der Schienenvernetzung ausgetüftelt hat.“
Peter wird hellhörig. Er kennt nur einen, der so etwas hinkriegen könnte, und so fragt er: „Hieß der Mann zufällig Himmelheber?“
„Himmelheber? Richtig! Otto Himmelheber. So hieß der Erfinder! Der hat aus Blechdosen hochmoderne Technologie gezaubert.“
„Das ist mein Opa!!!“, ruft Henriette und trapst vor Aufregung von einem Bein aufs andere. „Wo wohnt er? Wir müssen unbedingt zu ihm!“
„Er ist verschollen. Keiner weiß, wo er sich aufhält. Doch wenn ich mich nicht täusche, müsste er noch in Einsam leben. Aber ich muss weiter. Hinter uns gibt es bereits Stau.“
An der Endstation steigen Peter und Henriette aus und spazieren durch den Geh-Wald. Es ist unheimlich. Die Sonne findet kaum Schlupflöcher zum Durchscheinen, im Unterholz raschelt es, als wühlten dort Wildschweine nach Eicheln. Ein Fuchs mit rotem Wuschelschwanz huscht über den Weg, weit in der Ferne ist das Stampfen der Stadt zu hören.
In einem Hohlweg kommen den Kindern zwei Jugendliche O-beinig entgegen. Sie tragen karierte Trainingsanzüge mit ausgebeulten Knien. Auf ihrer Stirn wachsen ihnen Balken, fast so dick wie Baumstämme, die Ränder versperren ihren Augen wie Scheuklappen die Sicht. Einer von ihnen hat in seinem Brett einen Spruch eingeritzt: „Ich bin stolz, ein Einsamer zu sein.“


„Ihr seht wie Außerirdische aus! Seid ihr Kanaken?“, krakeelt er und gafft die Gesichter der Fremden ohne Brett vor der Stirn wie blöde an.
„Ja, woher weißt du das?“, lacht Henriette. „Kanake heißt Mensch, und wir sind Menschen.“
Der andere grölt daraufhin: „Menschen? Dass ich nicht lache. Wenn wir so aussehen müssten wie ihr, würden wir uns das Gesicht mit Teer zukleistern. So nackt, so hässlich um die Augen.!“
Peter muss sich ein Lachen verkneifen.
„Willst dich über uns lustig machen, uns auslachen? Kannst gleich eins aufs Maul kriegen.“
Der Typ boxt Peter gegen die Brust. Peter lacht nur.
„Hör auf zu lachen“, sagt jetzt wieder der erste gereizt. „Ich mag es nicht, wenn du lachst. Dein Lachen macht mich kirre. Es ist doch nicht normal, so zu lachen! Wie eine Grimasse.“
„Genau“, wiederholt der zweite: „Das ist nicht mehr normal!!!“
„Klappe“, befiehlt der erste und fährt fort: „Nur Affen haben Grimassengesichter, und ihr Menschen stammt von den Affen ab. Ihr gehört in den Zoo!“
Die Typen gucken sich jetzt an, der Erste zischelt dem Zweiten zu: „Die Drecksarbeit machst du!“
Gehorsam baut sich der andere in Judoposition vor Peter auf. Da fängt Rosa wie toll zu bellen an.
„Aus dem Köter koch ich Suppe!“, grölt der Typ, dann packt er Peter und will ihn zu Boden werfen. Rosa fletscht die Zähne und kläfft lauter, sie zerrt am Hosenbein des Angreifers.
„Los, nichts wie weg!“, ruft der andere. „Das ist ein gefährlicher Kampfhund!“
Sie ergreifen die Flucht.
Peter und Henriette gehen weiter, bis sich vor ihnen eine Lichtung auftut. Ein Maschendrahtzaun versperrt ihnen den Weg, dahinter liegt eine Wiese mit vielen Blumen, weiter hinten steht ein weißes Haus. Das also ist die Seelenwiese. Sie sieht wirklich schön aus! Mit ihren weißen Gänseblümchen erinnert sie Henriette an die Sterne, an denen sie in ihrem Raumschiff vorbeigeschwebt sind.
Ein Mann schreitet den beiden mit großen Schritten entgegen. Er hat ein Brett aus Eichenholz vor dem Kopf, mit zwei winzigen Löchern, durch die man seine Augen kaum erkennen kann.
Er schließt ein Tor auf und begrüßt freundlich die Kinder: „Guten Tag, ich bin der Chef der Kinderkolonie. Mein Name ist Holzsam, Herr von und zu Holzsam. Ihr werdet sicherlich schon von mir gehört haben. Ich bin mit meiner Erfindung, der Einpflanzung der Holzsamen am Stirnbereich, über unsere Stadtgrenzen berühmt geworden – das nur in aller Bescheidenheit.“ Dann wendet er sich Henriette zu: „Ich habe dich schon erwartet. Du wirst dich bei uns wohlfühlen. Verabschiede dich nun von deinem Freund. Ihr seht euch bald wieder, er wird dich besuchen dürfen.“
Henriette fühlt sich auf einmal sehr einsam. Jetzt ganz allein ohne Peter? Ohne Rosa? Warum können sie nicht bei ihr bleiben? Warum muss sie hier bleiben, jetzt, da sie endlich weiß, dass ihr Opa irgendwo in dieser Stadt lebt? Traurig trottet sie dem Chef der Kinderkolonie auf das eingezäunte Gelände hinterher. Sie ist so traurig, dass sie sich nicht einmal mehr nach Peter und Rosa umdreht.


Ein paar wenige Exemplare der beiden Henriette Bände sind mir noch übriggeblieben.

Interesse?