Grabräuber und Wahlfälscher

Als die Abenteurer der Neuzeit auszogen, um ins Innere der Pyramiden  vorzudringen, mussten sie feststellen, dass der Glaube der Pharaonen, in ihren gigantischen Mausoleen für alle Zeiten eine ungestörte Totenruhe genießen zu können, von großer Naivität geprägt gewesen sein muss, denn die meisten Gräber waren geöffnet und ausgeplündert und dies mit hoher Wahrscheinlichkeit schon sehr bald nach den Beisetzungsfeierlichkeiten.

Den Grabräubern wurde es aber auch leicht gemacht. Wenn man sich das Gewimmel der Arbeiter und Aufseher und Baumeister und Steinmetze auf den Baustellen vorstellt, dann fällt es einem wie Schuppen von den Augen, dass die Banden  und Clans als Arbeiter und ggfs. auch Beamte und höhere Beamte nicht das geringste Problem hatten, die innere Konstruktion der Pyramiden, ihre Hohlräume, Gänge und Schächte im Rohbauzustand zu erkennen. Sie wussten also ganz genau, wo die Eingänge zu finden waren, auch wenn die nach Fertigstellung unter meterhohem Sand verschüttet wurden, sie wussten ganz genau, wie und wo sie sich in den Pyramiden zu bewegen hatten, um in die Schatzkammern hinein und mit der Beute wieder herauszukommen, und es fiel ihnen leicht, abzuwarten, bis die Monsterbauten unbewacht sich selbst überlassen wurden. Das Risiko der Entdeckung war eher gering, so dass die gigantische Beute stärker lockte, als die Angst vor drakonischen Strafen die Grabräuber hätte abhalten können.

Trotz aller Beteuerungen, Wahlen seien sicher, stellt auch der Gedanke, eine Wahl zu eigenen Gunsten zu manipulieren, eine sehr starke Versuchung dar, denn das Risiko der Entdeckung ist eher gering, zudem kann man – als Teil der Wahlgewinner – sicher sein, dass die Begünstigten keinerlei Interesse  haben, einem Anfangsverdacht auf Wahlmanipulation ernsthaft nachzugehen, und sollte es doch einmal hart auf hart gehen, werden aus unerklärlichen Gründen wichtige Teile der Stimmzettel oder Dateien nicht mehr auffindbar oder versehentlich gelöscht worden sein. Gut, da bleibt, wie der Schwabe sagt: ein „Gschmäckle“, aber dann bläst der Wind der normativen Kraft des Faktischen darüber hinweg und „gewonnen“ bleibt „gewonnen“. Nicht anders als bei einem Fußballspiel, das durch eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters gewonnen wurde. Die Punkte bleiben dem Sieger – und wenn er damit Deutscher Meister werden sollte, kräht schon lange kein Hahn mehr danach.

Wenn man das weite Feld der Wahlmanipulation abschreiten will, muss man lange vor der Wahl beginnen.

Wahlmanipulationen vor der Wahl finden öffentlich statt, sind aber nicht leicht als solche zu erkennen und nur mit Insiderkenntnissen nachzuweisen.

Es handelt sich im Wesentlichen um fünf Methoden, die immer wieder mit Erfolg zur Anwendung kommen:

  1. Vortäuschung bestimmter Absichten durch die Parteien und ihre Kandidaten.
    Hierzu sei nur an den eklatantesten Fall erinnert, den diese Republik je erlebt hat, als nämlich vor der Bundestagswahl 2005 die SPD versprach, den Mehrwertsteuersatz bei 16 Prozent zu belassen und sich dadurch gegenüber der Union, die eine zweiprozentige Erhöhung angekündigt hatte, Vorteile verschaffte, beschloss die nach der Wahl aus Union und SPD gegründete Koaltion, die Mehrwertsteuer nicht bei 16 Prozent zu belassen, sie auch nicht um zwei Prozent zu erhöhen, wie von der Union angekündigt, nein, man erhöhte die MwSt. um drei auf neunzehn Prozent. Ein weiterer, ebenfalls schwerwiegender und bis heute nachwirkender Fall, war das Versprechen der SPD, Reformen von Arbeitsmarkt und Sozialversicherung auf den Weg zu bringen. War der Begriff „Reform“ in der deutschen Öffentlichkeit bis dahin positiv besetzt, fielen die Deutschen aus allen Wolken, als Schröder mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen den Arbeitsmarkt deregulierte und die sozialen Sicherheitssysteme bis tief in die Substanz zerstörte. An weiteren Beispielen herrscht kein Mangel, jedoch am Platz, sie hier alle anzuführen.
  2. Vortäuschung wirtschaftlicher Gesundheit (oder das Gegenteil)
    Soll die Wahl zugunsten der Regierenden manipuliert werden, werden die Wirtschaftsverbände sich darauf einigen, notwendige Personalreduzierungen auf die Zeit nach der Wahl zu verschieben, eine große Zahl von Ausbildungsplätzen anzubieten, auch die Aktienkurse möglichst hoch zu halten. Ist die Wirtschaft dazu nicht, bzw. nicht ausreichend in der Lage, kann die Regierung selbst das Bild der wirtschaftlichen Gesundheit erzeugen, indem zum Beispiel, wie wir es gerade erleben, Millionen von Menschen auf Steuerzahlerkosten als Kurzarbeiter beschäftigt werden und längst überfällige Insolvenzen durch die Aussetzung der Insolvenzanzeigpflicht künstlich am Leben gehalten werden. Gerne schüttet die Regierung dann auch Subventionen aus, wie seinerzeit die Verschrottungsprämie für ältere Pkws, um den Pkw-Absatz anzukurbeln, oder die Prämien für E-Mobile, um die Automobilhersteller in ihrer technologischen Umbaukrise am Leben zu erhalten.
    Soll im umgekehrten Fall die Regierung ausgetauscht werden, finden Massenentlassungen statt, es werden keine Ausbildungsplätze angeboten, die Banken erhöhen die Zinsen und werden bei der Kreditvergabe übervorsichtig, die Inflation zieht an – und jeder Versuch der Regierung, mit ihren Mitteln zu reagieren, wird eiskalt ausgekontert, koste es, was es wolle.
  3. Die Behandlung der Parteien und Kandidaten in den Medien
    Hier geht es einerseits darum bestimmten Parteien und ihren Kandidaten möglichst viel Sendezeit und Zeitungszeilen mit unter  dem Strich positivem Tenor zu gewähren und andererseits anderen Parteien und deren Kandidaten den Zugang zu den Medien zu erschweren und ihren dennoch erfolgenden Auftritte durch entsprechende Moderation einen negativen Tenor aufzudrücken. Die Medien schaffen es mühelos – und die Bevölkerung macht ihnen das sehr leicht – jede Partei und jeden Kandidaten ganz nach Belieben in den Himmel zu schreiben und auch wieder in die Hölle stürzen zu lassen. Schönstes Beispiel aus dem letzten Wahlkampf: Herr Schulz, von der SPD. Und irgendwie sieht es bei den abenterlich steigenden Zustimmungsraten für den Herrn Scholz von der SPD schon wieder sehr ähnlich aus. Letztlich ist die Fallhöhe des Attackierten ausschlaggebend für die durchschlagende Wirkung der Manipulation.
  4. Die Behandlung der Parteien und Kandidaten durch die Demoskopie
    Es gibt unterschiedliche Theorien darüber, ob eine gute Prognose die Wähler eher dazu ermuntert, ihre Stimme dem potentiellen Sieger zu geben, oder ob sie eher dafür sorgt, Wähler von der Wahl fern zu halten, weil sie meinen, auf ihre Stimme käme es nicht mehr an. Auch negative Prognosen könnten, so heißt es, die potientiellen Wähler erst recht motivieren, ihre Stimme abzugeben, aber es könne eben auch sein, dass sie sich sagen, dass es ganz egal ist, ob sie ihre Stimme abgeben, weil die Partei sowieso keine Chance hat. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass die Institute aufgrund ihrer verfügbaren Datenmengen und Erfahrungswerte sehr genau wissen, welchen Einfluss ihre Prognosen auf welche Wählerschichten haben und dass sie dieses Wissen gezielt einsetzen, um die einen Wähler zu aktivieren und die anderen zu passivieren. Dass Wahlergebnisse und Prognosen in letzter Zeit immer häufiger erstaunlich weit auseinander liegen, ist ein Indiz dafür, dass diese Methode zum Einsatz kommt.
  5. Die Reanimierung von Leichen im Keller
    Ob es um den Lebenslauf von Annalena Baerbock geht oder um Laschets Praxis der Notenvergabe oder sein Grinsen hinter Steinmeier bei dessen Flutanprache, um Cum-Ex- und Wirecard-Skandal bei Olaf Scholz: Niemand sollte glauben, dass diese mehr oder minder weit in der Vergangenheit liegenden Vergehen ganz zufällig kurz vor den Wahlen wieder hochgezogen, oder gerade erst entdeckt werden – wie es jetzt Olaf Scholz mit staatsanwaltlichen Durchsuchungen im Finanzministerium ergeht. Man muss sich eher vorstellen, dass es da in den Parteien Organisationen gibt, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als Schmutzflecken auf den Westen der Konkurrenz zu entdecken und diese für die entscheidende Schlacht so anzuordnen und einzusetzen, wie es ein Feuerwerker mit seinen Raketen bei der Gestaltung eines Großfeuerwerks tut. Da ist nichts dem Zufall überlassen. Da  kommt ein Schuss nach dem anderen, pünktlich und nach Plan.

Der gewitzte Wahlmanipulateur wird es jedoch nicht darauf ankommen lassen. Es gibt ja immer noch die Konkurrenz, die man nie ganz in den Griff bekommt, die ebenfalls ihre Raketen abgefeuert hat und vielleicht doch ein paar mehr Stimmen bekommen könnte, als erwünscht.

Wenn hier eingegriffen wird, dann konzentriert sich alles auf den Wahltag und die Auszählungen, und diese Eingriffe finden nicht mehr öffentlich, sondern geheim statt.

Hier gibt es im Wesentlichen drei Angriffspunkte, die genutzt werden können.

  1. Direkte Manipulation der Auszählung
    In den Wahllokalen sitzen in der Regel Wahlhelfer mit eindeutiger Präferenz für bestimmte Parteien. Es kann vorkommen, dass in einem Wahllokal nur Helfer tätig werden, die alle die gleiche Partei präferieren – und die das auch voneinander wissen. Man kann nun Stimmzettel nicht einfach verschwinden lasse, weil die ja gezählt sind, aber es ist nicht schwer, einen Stimmzettel ungültig zu machen. Ein zweites Kreuz, wo nur eines sein darf, schon ist es passiert. Darüber hinaus ist es auch möglich, einen Stapel ausgezählter Stimmen für die Partei A schlicht und einfach der Partei B zuzuordnen. Ein klassischer Zählfehler in der Hektik des Wahlabends. Das merkt niemand, und sollte es je zu einer Nachzählung kommen, was nahezu ausgeschlossen ist, dann wird Wochen nach der Wahl niemand mehr herausfinden können, ob hier Vorsatz oder Fahrlässigkeit die Hand geführt haben. Es ist risikolos.
  2. Manipulation auf dem Meldeweg
    Dass auch in Deutschland ein erheblicher Teil der Wahldaten über elektronische Systeme erfasst und weitergemeldet wird, vom Wahllokal an die Wahlkreisleitung an den Landes- und dann an den Bundeswahlleiter, das sieht der Wähler zwar nicht, wenn er sein Kreuz malt, aber es ist so. Dass hier vollkommen unsichere, leicht manipulierbare Hard- und Software zum Einsatz kommt, wurde jüngst erst aufgedeckt. So dass für die bevorstehende Bundestagswahl verabredet wurde, die bei der Wahlleitung elektronisch ankommenden Zahlen noch einem telefonsichen Abgleich zu unterziehen, um die Korrektheit der Übermittlung zu prüfen. Inwieweit damit die Sicherheit hergestellt werden kann, hängt aber davon ab, wer an welcher Stelle manipuliert hat und ob der Manipulateur dann auch am Telefon in der Lage ist, die manipulierten Ergebnisse zu bestätigen. Falls ja, bleibt auch dies weitgehend risikolos, selbst wenn am Ende die Stimmzettel noch einmal nachgezählt werden sollten.
  3. Manipulation der Briefwahlstimmen
    Briefwahlstimmen werden ebenso wie die im Wahllokal abgegebenen Stimmen von Wahlhelfern gezählt. Darüberhinaus besteht allerdings die Möglichkeit, die zwar logistisch etwas aufwändig ist, Briefwahlunterlagen vor der eigentlichen Auszählung auszutauschen. Man muss dazu die abgegebenen Briefwahlstimmen gar nicht in Augenschein nehmen, es genügt, eine bestimmte Menge von Wahlbriefen zu entfernen, und durch die gleiche Menge an Wahlbriefen zu ersetzen, in denen das gewünschte Verhältnis der Parteien, gerne zu Gunsten der präferierten Partei noch etwas übertrieben, zur Auszählung gelangt. Viele haben die Videos von der Präsidentschaftswahl in den USA gesehen, wo in Wahllokalen eine Unterbrechung der Auszählung angekündigt wurde, die unerwünschten Auszähler und Beobachter nachhause geschickt und dann Container voller Wahlzettel hineintransportiert wurden.
    Die Fälle, in denen „Bevollmächtigte“ in Krankenhäusern und Pflegheimen Briefwahlunterlagen fälschen, fallen gegenüber solchen organisierten Manipulation, die ja ebensowenig auszuschließen sind, wie die Raubzüge von Grabräubern, dabei kaum noch ins Gewicht. Verwunderlich, dass gerade diesen kleinen Manipulationen in der öffentlichen Diskussion das größte Gewicht beigemessen wird.

Die Krönung der Wahlmanipulation ist es jedoch, wenn sich die Staatsanwaltschaften und Gerichte weigern, Hinweisen auf und Beweisen für Manipulationen nachzugehen.

Auch das war in den USA als ein klares Muster zu erkennen, und weil alles, was in den USA in Mode kommt, mit ein paar Jahren Verspätung auch in Deutschland Mode wird, würde ich meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass sich unser Verfassungsgericht nicht verweigern würde, eine entsprechende Nachprüfung anzuordnen.

Sollten Sie jetzt zu dem Schluss gekommen sein, dass Wählen keinen Sinn macht:

Überlegen Sie sich das noch einmal.

Vor allem dann, wenn Sie der Ansicht sind, den fünf Methoden der Wählermanipulation im Vorfeld der Wahl entkommen zu sein, ihre Meinung also selbst gebildet zu haben, sollten Sie unbedingt wählen. Es ist ja nicht gesagt, dass am Wahltag, auch wenn das theoretisch möglich wäre, tatsächlich massive Manipulationen stattfinden, und selbst wenn Manipulationen stattfinden, ist nicht gesagt, dass auch Ihre Stimme davon betroffen sein wird, und dann ist es umso wichtiger, dass sie gezählt wird und in das Ergebnis eingeht.

Wählen heißt doch, auch wenn die Wahlen geheim sind: Flagge zeigen! In Anlehnung an Bert Brecht gilt auch bei den Wahlen:

Wer wählt, kann verlieren.
Wer nicht wählt, hat schon verloren.