Ernennung: Wie ein Panzervorstoß im Blitzkrieg

Mit geradezu affenartiger Geschwindigkeit ist die eine aus der Verantwortung für die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland geflüchtet, während die andere sich besinnungslos ins Ministeramt gestürzt hat, noch ehe der Sessel der Vorgängerin auf Raumtemperatur abgekühlt war.

Man könnte noch einmal alles aufzählen, was zwischen der Wahl zum EU-Parlament und der Ernennung Kramp-Karrenbauers die Gemüter erregte: Vom nie tatsächlich beschlossenen Spitzenkandidaten-Modell bis zur sang- und klanglosen Versenkung von Weber und Timmermans, vom Erscheinen der europäischen Lichtgestalt Ursula von der Leyen über die Hinterzimmer-Mauscheleien zur Herstellung der Mindestmehrheit:

Der eigentliche Knaller in dieser Abfolge von Ereignissen ist die überraschend-überrumpelnd „erstschlagartige“ und aus guten Gründen unerwartete Ernennung Annegret Kramp-Karrenbauers zum Verteidigungsminister.

Wer auch immer im Hintergrund für Strategie und Dramaturgie verantwortlich zeichnet: Die Sturzgeburt im Bendler-Block war ein perfekt geplanter und ebenso perfekt ausgeführter Akt des Blitzkrieges, der nicht die geringste Chance für eine erfolgreiche Verteidigung offen ließ.

Von daher stehen nun zwei Fragen wie die Elefanten im Raum und harren auf eine Antwort.

  1. Wer hat diese Attacke befohlen?
  2. Gegen wen hat sie sich eigentlich gerichtet?

Der Urheber ist vermutlich erst dann zu erkennen, wenn das Ziel mit einiger Sicherheit ausgemacht ist.

Vordergründig, mehr als nur vordergründig, wurde Jens Spahn daran gehindert, seine pathologische, kriegerische Hyperaktivität vom Schauplatz der Bekämpfung von Mikroorganismen per Impfpflicht auf den Schauplatz der Bekämpfung so großer Ziele wie Syrien oder Russland zu verlagern. Tatsächlich bestand diese Gefahr zu keinem Zeitpunkt, denn Spahn hätte auch in einem Entscheidungsfindungsprozess von angemessener Dauer und erkennbarem Ringen um die beste Wahl bei der Besetzung des Verteidigungsministeriums umgangen werden können. Wegen Spahn, ich bitte Sie, hätte sich niemand die Mühe machen müssen, einen solchen Überraschungscoup zu inszenieren.

Nachdem das geklärt ist, treten Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer in den Lichtkegel jener Laterne, unter welcher stets vergeblich nach dem verlorenen Schlüssel gesucht wird.

Ursula von der Leyen war nicht gerade die beste Verteidigungsministerin, die man sich vorstellen kann. Hätte man sie  durch eine befähigtere Person ersetzen wollen, wäre das längst und problemlos möglich gewesen. Ihr Abgang nach Brüssel kann also mit der Befreiung der Bundeswehr von der Last dieser Ministerin nicht begründet werden. Das hätte man  früher und billiger haben können. Dass ausgerechnet AKK zur Nachfolgerin ernannt wurde, deutet eher darauf hin, dass der Qualität der politischen Führung der Bundeswehr auch weiterhin nur geringe Bedeutung beigemessen wird.

Bei UvdL sieht das etwas anders aus. Dass sie von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der EU ausgeguckt wurde, Jean Claude Juncker zu beerben, lag wohl eher daran, dass man unter den „Spitzenkandidaten“ keinen fand, der vom Rat einhellig als das kleinere Übel eingestuft werden konnte. Schien Weber auf europäischem und internationalem Parkett den einen doch viel  zu unerfahren, und daher gefährlich, sahen die anderen im Timmermans den ärgsten Feind im eigenen Lager. Also war man sich schnell einig, statt nach dem kleineren Übel lieber nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner Ausschau zu halten.

Es ist nicht bekannt, ob außer über von der Leyen ernsthaft noch über andere Figuren nachgedacht wurde, doch war vermutlich allen klar, dass Deutschland, wenn schon die EZB an Frankreich und das EU-Außenministerium (Hoher Vertreter der EU) an die Spanier gehen soll, dann muss Deutschland den Vorsitz der Kommission bekommen. Hier war im Vorfeld des Öfteren Angela Merkel selbst vorgeschlagen worden, die jedoch stets (und das könnte so abgesprochen gewesen sein) dankend ablehnte. Von daher hing die Latte hoch. Wer aus Berlin nach Brüssel aufsteigen wollte, musste mindestens im Kabinett sitzen und ein Unions-Parteibuch mit sich führen.

Diese Kriterien erfüllten insgesamt acht Personen:

Horst Seehofer
Andreas Scheuer
Helge Braun
Anja Karliczek
Julia Klöckner
Gerd Müller
Peter Altmaier
Ursula von der Leyen

Seehofer hat seinen Totalrückzug aus der Politik längst zugesagt, Scheuer, Braun, Karliczek, Klöckner und Müller wären weder in der Christlichen, noch in der Europäischen Union als Kommissionspräsident vermittelbar gewesen, Peter Altmaier ist für Angela Merkel, solange sie noch regiert, in Berlin unverzichtbar.

Übrig: Ursula von der Leyen.
Qualifikationen: a) Frau, b) deutsch, c) mehrsprachig eloqent

Die musste es dann aber auch werden, denn sonst hätte sich der europäischen Öffentlichkeit offenbart, dass CDU/CSU aufgrund stark verkürzter Personaldecke niemand sonst aufbieten können – und, das muss man doch auch so sehen: Selbst Manfred Weber war eigentlich nur so eine Art „letztes Aufgebot“, aber sicherlich nicht erste Wahl.

Das hat – so Gabor Steingart – Merkel bewogen, fleißigst zu telefonieren und quer durch die EU mit Warschau, Rom, Paris und wer weiß mit wem noch alles, ihre „Deals“ abzuschließen (die von der Leyen einlösen müssen wird, wenn sie im Amt ist), um jenes knappe Dutzend Stimmen zusammenzukratzen, die letztlich genügten, um den Plan aufgehen zu lassen.

Von der Leyen als Kommissionspräsidentin, das kann mit gutem Gewissen abgehakt werden, als das Ergebnis der üblichen Brüsseler Mauscheleien.

Bleibt der Vorstoß Kramp-Karrenbauers auf Hardthöhe und Bendlerblock.

Angela Merkel musste dem – ganz ohne Bedenkzeit – zugestimmt haben. Aber das ist auch schon alles, was als sichere Information bezeichnet werden kann.

Vom Ergebnis her betrachtet, kann Folgendes angenommen werden:

  1. Es ist nahezu ausgeschlossen, dass es AKK bis zum Ende dieser Legislaturperiode gelingt, eine eigene Machtstruktur aufzubauen, die ausreicht, das Amt tatsächlich ausfüllen und prägen zu können.
  2. AKK wird sich selbst klare Prioritäten setzen müssen, und ihre Zeit entweder Themen der Bundeswehr  oder Themen der CDU widmen, der sie ja weiterhin vorsitzt. Falls sie sich auf den Parteivorsitz konzentrieren sollte, weil sie vor den nächsten Wahlen bei der Bundeswehr kaum etwas bewegen können wird, droht ihr massive Kritik wegen Vernachlässigung der Bundeswehr. Sollte sie sich auf die Bundeswehr konzentrieren und die Partei vernachlässigen, wird sich schnell jemand finden, der das Vakuum füllt  und die Partei gegen AKK in Stellung bringt.

Es sieht m.E. eher so aus, dass AKK keinerlei Bedenkzeit zugestanden wurde, das Amt des Verteidigungsministers zu übernehmen, dass sie es war, die  überrumpelt wurde, um nach zwei Jahren als Sündenbock, auch für alle Vorgänger-Sünden, in die Wüste geschickt zu werden, aber auch, um dem nächsten CDU-Bundeskanzler Gelegenheit zu geben, sich  – gegen eine überforderte AKK – auf den Parteivorsitz vorzubereiten.

Die Aktion, so sehr sie auch nach einem Sieg Merkels aussieht, war nach meiner Einschätzung von jenen Kräften eingefädelt, die sich vorgenommen haben, Merkel in spätestens zwei Jahren zu beerben, während Angela Merkel selbst nicht mehr über die Kraft – und auch nicht über die personellen Ressourcen – verfügte, um noch einzugreifen.

Ursula von der Leyen, oft als nächste Bundeskanzlerin gehandelt, ist für die nächsten fünf Jahre aus dem Weg geräumt und sicher in Brüssel geparkt.
Annegret Kramp-Karrenbauer wird im Verteidigungsministerium verschlissen und verliert darüber auch den Führungsanspruch innerhalb der Partei.

Jens Spahn wird geschont und darf weiter mit immer neuen, sonderbaren Gesetzesvorhaben die persönliche Werbetrommel rühren.
Unbelastete, (fast) neue Gesichter, können die Zeit nutzen, um im Hintergrund nicht nur neue Koalitionen auszuloten, die 2021 garantiert erforderlich werden, sondern auch um die dogmatischen Ansätze Merkels in der Klima- und Migrationspolitik auf weitere Tauglichkeit abzuklopfen oder sie, mit dem Abschied von Merkel, über Bord zu werfen.

Den Nutzen davon hätte zweifellos Friedrich Merz – und bei Würdigung aller Umstände kann man durchaus sagen: Seine Zeit ist gekommen.
Macron, dessen erste Amtszeit 2022 endet, fiebert dem Bundeskanzler Merz, dessen erste Amtszeit unter Wahrung der Regularien 2021 beginnen könnte, förmlich entgegen, denn gemeinsam könnten sie die EU perfekt nach den Vorstellungen ihrer vorherigen Arbeitgeber formen.

Das ist keine Antwort auf die beiden eingangs gestellten Fragen, dazu fehlt es schlicht an Informationen.
Aber es ist wenigstens eine Spekulation darüber, wie die Anwort lauten könnte.