Die öffentlich-rechtliche, freiheitlich-demokratische Rateshow mit Jörg Pilawa

Wer „Staatsfunk“ sagt, könnte sich der Delegitimierung des Staates schuldig machen, weil der Staat nämlich nicht funkt. Nicht funken ist nicht gleichbedeutend mit nicht funktionieren, denn dies zu unterstellen wäre wiederum ein Indiz für eine beabsichtigte Delegitimierung des Staates.

Was aber besagen die Formeln „öffentlich rechtlich“ und „freiheitlich-demokratisch“ denn eigentlich?

Gablers Wirtschaftslexikon gibt in einer gelungenen Formulierung Auskunft über den Unterschied zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht:

„Eine grundsätzliche Unterscheidung des öffentlichen Rechts zum Privatrecht ergibt sich daraus, dass im öffentlichen Recht der Einzelne dem Staat untergeordnet ist, während sich im Privatrecht der einzelne Bürger und andere Rechtsträger gleichgeordnet gegenüber stehen.Der Staat nimmt als Autorität die Angelegenheiten der Allgemeinheit wahr, der Einzelne muss sich dem Gemeinwesen unterordnen (…).“

Das von Google verwendete deutsche Wörterbuch wird von „Oxford Languages“ gepflegt. Googelt man nach „öffentlich-rechtlich“ folgt eine auf Wörterbuchkürze eingedampfte Definition, aus der man schließen kann, dass es sich bei allem so genannten „Öffentlichrechtlichen“ um „(Verwaltungseinrichtungen) mit eigener Rechtsperson und einem bestimmten Nutzungszweck“ handelt.

Bei Wikipedia weicht man der Problematik aus, indem die Definition gleich auf der Meta-Ebene angesiedelt wird, und angibt: „Der Begriff öffentlich-rechtlich nimmt allgemein Bezug auf die Rechtsmaterie des Öffentlichen Rechts. (…) Typischerweise öffentlich-rechtlich verfasst sind: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (…).

Man könnte aus diesen Informationen die nachstehend beschriebene Erkenntnis gewinnen. Gewissheit besteht darüber aber eher nicht:

„Öffentlich-rechtlich“ bezeichnet einen Zustand, in welchem sich der Einzelne der Autorität des Staates unterzuordnen hat. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunkt handelt es sich um Verwaltungseinrichtungen des Staates mit einem vorgegebenen Nutzungszweck.“

Versucht man, den Nutzungszweck zu ergründen, trifft man unweigerlich auf den Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV), der seit dem 1. Mai 2019 in der Fassung des Zweiundzwanzigsten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge Rechtskraft besitzt.

Dort findet man im Zweiten Abschnitt – Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in § 11 den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Dieser Auftrag, erteilt von den Bundesländern im Rahmen eines Staatsvertrages, spiegelt den Nutzungszweck dieser Verwaltungseinrichtungen des Staates wider und ist ein Akt der Autoritätsausübung des Staates, dem sich nicht nur die Anstalten selbst, sondern auch alle Einzelnen insoweit unterzuordnen haben, als es ihnen zwar freisteht, von den Programmangeboten der Anstalten des öffentlichen Rechts Gebrauch zu machen, sie aber unabhängig davon zur Finanzierung dieser Anstalten über eine steuerähnliche Abgabe, die pro Wohnung erhoben wird, verpflichtet sind.

Der Auftrag (Absatz 1)  in der momentan rechtskräftigen Fassung im Wortlaut:

Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen

Sollte Sie der Titel meines Beitrags zunächst irritiert haben, so dürfte spätestens jetzt kein Zweifel mehr daran bestehen, dass dieser Teil: „Die öffentlich-rechtliche Rateshow mit Jörg Pilawa“ einen klaren Bezug zum beschriebenen Sachverhalt aufweist.

Schon alleine der letzte Satz des ersten Absatzes des §11 des Rundfunkstaatsvertrages, in dem angemahnt wird, dass auch Unterhaltung – und eine Rateshow wird wohl nicht als Bildung, Beratung oder Informationen anzusehen sein – dem „öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil“ entsprechen soll, was ja kaum anders interpretiert werden kann, als dass auch die Unterhaltung dem vorgegebenen Nutzungszweck zu dienen habe. Und auch dieser Nutzungszweck lässt sich aus Absatz 1 des Auftrags herauslesen:

Nutzungszweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Förderung der internationalen Verständigung, der europäischen Integration und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes.

Alles andere, was in §11,1 beschrieben ist, sind Mittel und Methoden, die anzuwenden sind, um diesen Zweck zu erreichen. Dies schränkt zweifellos auch die Wirkung als „Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung“ auf solche Beiträge ein, die der Erfüllung dieses Nutzungszweckes dienlich sind.

Damit sind weite Teile des Spektrums der freien Meinungsbildung von vorneherein von der neutralen Berichterstattung und Vermittlung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgeschlossen und können allenfalls mit unmissverständlich negativer Konnotation ins Programm gelangen.

Man kann dies am Beispiel praktisch aller Talkshows unschwer erkennen, wo in der Regel Moderation und alle Gäste, bis auf einen, das im Sinne des Auftrages „Gute“ vertreten, während der Vertreter der abweichenden Meinung von allen gemeinsam mit mehr oder minder fairen Mitteln als das schwarze Schaf im Kreise der Gerechten dargestellt wird.

In anderen Zusammenhängen, sei es beim ausführlichen Wetterbericht im Umfeld der Hauptnachrichtensendung, sei es bei Wirtschaftssendungen, wird kaum noch einmal darauf verzichtet, auch den allerkleinsten Aufhänger noch zu nutzen, die drohende Klimakatastrophe zu thematisieren, um den gesellschaftliche Zusammenhalt derjenigen zu stärken, die ihre Wahrheit aus dem Abzählen von Mehrheiten extrahieren.

Nicht anders verhält es sich beim Thema „Corona“ und der kritiklosen Befürwortung aller staatlichen Maßnahmen, einschließlich der Darstellung der experimentellen Impfungen mit immer noch nur bedingt zugelassenen Impfstoffen als uneingeschränkt wirksam und sicher.

Ein Blick auf die aktuelle Weltpolitik zeigt, dass internationale Verständigung auf den Kreis jener Minderheit von Staaten verengt wird, die der Ukraine mit Worten, Waffen und Wirtschaftshilfen zur Seite  stehen, beziehungsweise solche, von denen erhofft wird, sie könnten in Kürze den Wegfall russischer Gaslieferungen kompensieren.

Nicht anders verhält es sich bei Fragen zum rechtmäßigen Handeln der EU und der zunehmenden Aneignung von Souveränitätsrechten der Vertragsstaaten. Zustimmung. Zustimmung. Zustimmung – während Kritiker, als Vertreter nationaler Interessen, egal ob es sich nun um Victor Orban oder Bernd Höcke handelt, unterschiedslos und unbarmherzig in die rechte Ecke verbannt werden.

Aber der Staat funkt nicht. Er überlässt dies den unabhängigen Rundfunkanstalten des Öffentlichen Rechts, die zwar nicht in jedem Einzelfall weisungsgebunden ihr Programm füllen, wohl aber über ihren Auftrag, nicht anders als die Journalisten der Springer-Presse an das transatlantisch gefärbte Redaktionsstatut, daran gebunden sind, internationale Verständigung, europäische Integration und gesellschaftlichen Zusammenhang zu fördern.

Allerdings ist man dabei auf eine Argumentationslinie verfallen, die man als „Gleichschaltung durch Ausgrenzung“ bezeichnen könnte.

Beim gesellschaftlichen Zusammenhalt hat es genügt, zwischen „demokratischen“ und „anderen“ Parteien zu unterscheiden. Gefördert wird ausschließlich der Zusammenhalt jenes Teils der Gesellschaft, der gewillt ist, den „demokratischen“ zu folgen und die anderen in einem – weitgehend staatsfinanzierten – Kampf gegen rechts niederzumachen.

Bei der Förderung der europäischen Integration ist das gleiche Muster zu erkennen. Staaten und die sie tragenden Parteien, die dem Endziel der Vereinigten Staaten von Europa anhängen  werden positiv dargestellt. Wo sich aber Widerstand gegen Brüssel zeigt und Reste nationaler Souveränität verteidigt werden, handelt es sich – nun ja, um Rechts- und Nationalkonservative, die mit Vertragsverletzungsverfahren und der Kürzung oder der Vorenthaltung  ihnen zustehender Mittel diszipliniert werden müssen.

Wen wundert es dann, dass bei der internationalen Verständigung zwischen solchen Staaten, mit denen Verständigung möglich ist und solchen, mit denen Verständigung unmöglich ist, unterschieden werden muss.

Der Grad der Unabhängigkeit des Rundfunks kann auch daran ermessen werden, wie sich die jeweilige Zusammensetzung von Bundestag und Bundesrat im Tenor der Nachrichtensendungen und in den Untertönen der Bildungs-, Beratungs- und Unterhaltungssendungen niederschlägt.

Kabarett im Fernsehen? Der Bayerische Rundfunk leistet sich – als letzten seiner Art – noch den politischen Kabarettisten Helmut Schleich.

Sonst ist nichts mehr, außer linksgrünwoker Quengelei in der Anstalt, die einst mit Urban Priol und Georg Schramm, noch als „Neues aus der Anstalt“ als ein Glanzlicht des Kabaretts an den Start gegangen war.

Kaum jemande erinnert sich noch daran, dass es zwischen 1979 und 2007, also volle 28 Jahre lang im ZDF keine Satire, kein Kabarett mehr gegeben hatte, seit Dieter Stolte als Programmdirektor des ZDF die „Notizen aus der Provinz“ von Dieter Hildebrandt aus dem Programm geworfen hatte.

Nach Priol, der nach dem Ausscheiden von Georg Schramm noch eine Weile mit Frank Walter Barwasser weitermachte, und das Niveau allmählich immer weiter absenkte, kamen Max Uthoff und Claus von Wagner als neue, hell strahlende Sterne auf die Mattscheibe. Aus. Nicht mehr zum Anschauen, unterirdisch. Wie Welke und die vielen anderen, die sich mit Kalauern und Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie in den Dienst der Gleichschaltung durch Ausgrenzung stellen ließen.

Es ist damit aber noch nicht genug. Die Gleichschaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird über eine weiteres Instrument noch vertieft und vor allem auf die privaten Rundfunkanbieter ausgeweitet.

Das Instrument ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), die sonst nur von Kleingewerbetreibenden oder Praxisgemeinschaften, auch einfachen Arbeitsgemeinschaften begründet wird, und ohne schriftlichen Vertrag, alleine durch mündliche Vereinbarungen und konkludentes Handeln zustande kommt. Wenn Sie dem Link auf die GbR folgen, werden Sie sich, soweit Sie nicht weitgehende Vorkenntnisse besitzen, im weiteren Text wundern, dass die Gesellschaft, über die jetzt berichtet wird, tatsächlich als GbR gestaltet werden konnte.

Es handelt sich um die ALM GbR, vertreten durch Dr. Wolgang Kreißig (Vorsitzender der ZAK/DLM) mit Sitz in 10117 Berlin, Friedrichstraße 60 – keine zwei Kilometer Luftlinie vom Bundeskanzleramt entfernt. Im Internet unter der Adresse  www.die-medienanstalten.de auftretend.

ZAK bedeutet übrigens „Kommission für Zulassung und Aufsicht“, DLM ist die „Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten“.

In der Rubrik „Über uns“ findet sich auf der Website von „die Medienanstalten“ diese Erläuterung:

In Deutschland gibt es 14 Landesmedienanstalten. Diese arbeiten im Auftrag der Länder bei zentralen Aufgaben und Projekten unter der Dachmarke die medienanstalten zusammen. Dies gewährleistet, dass die bundesweiten privaten Radio- und Fernsehsender sowie die Anbieter von Benutzeroberflächen, Medienplattformen und Medienintermediären einheitlich reguliert werden und die Medienanstalten in der europäischen Medienpolitik mit einer Stimme sprechen.

Diese ALM GbR war es übrigens auch, die dem Artikel 5, Grundgesetz, „Jeder hat das Recht (…) sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, trotz Zensur dadurch zur widerspruchsfreien Fortgeltung verholfen hat, dass das Angebot des russischen Auslandssenders RT DE (wegen zu viel Vielfalt auf dem Informationsmarkt) verboten wurde, womit die allgemein zugängliche Quelle nicht mehr allgemein zugänglich ist, weshalb das Recht, sich ungehindert zu unterrichten, mangels Zugänglichkeit der Quelle ins Leere zielt.

Dass die EU RT DE ebenfalls verboten habe, wurde zwar mehrfach berichtet, wer allerdings per VPN einen Serverstandort in irgendeinem anderen EU-Land, außer Deutschland eben, wählt, merkt davon nichts. Ob die deutsche Außenministerin deshalb auf Vertragsverletzungsverfahren dringen will, ist mir nicht bekannt. Ist auch nicht so wichtig.

Bleibt noch ein Blick auf die FDGO, die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Die FDGO wurde 1952 vom Bundesverfassungsgericht als eine Ordnung definiert, „die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen:

  • die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten,
  • vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung,
  • die Volkssouveränität,
  • die Gewaltenteilung,
  • die Verantwortlichkeit der Regierung,
  • die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
  • die Unabhängigkeit der Gerichte,
  • das Mehrparteienprinzip und
  • die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“ 

65 Jahre später kam das Bundesverfassungsgericht zu einer neuen Definition der FDGO:

„Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG umfasst nur jene zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind.

a) Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit.

b) Ferner ist das Demokratieprinzip konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG).

c) Für den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind schließlich die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte bestimmend. Zugleich erfordert die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer Gewalt den gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen vorbehalten ist.“

Mehr Worte – weniger Inhalt.

  • Ein Recht auf Leben kann noch herausgelesen werden, ein Recht auf freie Entfaltung wird nicht mehr explizit erwähnt.
  • Die Volkssouveränität ist nicht mehr Gegenstand der FDGO
  • Die Gewaltenteilung wird auf Exekutive und Judikative eingeschränkt, die Legislative scheint nur noch im Begriff der „Rechtsbindung“ der öffentlichen Gewalt auf, die „Rechtsquelle“ bleibt unerwähnt und wird der Beliebigkeit der Ausdeutung unterworfen.
  • Die Verantwortlichkeit der Regierung ist auf die „Rechtsbindung“ reduziert, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung geht im Begriff der „öffentlichen Gewalt“ unter.
  • Das Mehrparteienprinzip ist nicht mehr zwingend geboten.

Wer nun glaubt, dies alles habe keinerlei Auswirkung auf Jörg Pilawas Ratespiel, tut der FDGO bitter Unrecht.

Spaß beiseite! Wo sich Promiköche und andere B-Prominente um den Nachweis bemühen, das Lexikon des unnützen Wissens studiert zu haben, droht von den Veränderungen des Wesenskerns des Grundgesetzes kaum eine unmittelbare Gefahr.

Es geht in Art. 21 GG ja nur darum, eine Orientierungsmöglichkeit zu haben, welche Parteien als verfassungswidrig einzustufen sind.

Denkste!

Was das Bundesverfassungsgericht noch 1952 als die Mindestanforderungen an die staatliche Ordnung festlegte, und was damit – unabhängig von der Ewigkeitsklausel des Artikels 79, GG – vor Grundgesetzänderungen in ganz erheblichem Maße geschützt war, ist auf einen deutlich kleineren Kern reduziert worden.

Es ist damit für alle Parteien leichter geworden, verfassungsfeindliche Bestrebungen (nach der Auslegung von 1952) zu verfolgen, und nicht etwa nur jenen noch kleinen, jungen Neugründungen, denen von den so genannten „Altparteien“ regelmäßig verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstellt werden.

Irgendwie ist da aber seit 2017, vielleicht auch schon seit 2015, etwas gewaltig schief gelaufen. Jenseits der bisher durch Ausgrenzung diskreditierten Gruppen und Personen, hat sich aus der vermeintlich erfolgreich gleichgeschalteten Mitte heraus eine öffentlich wirksame Bewegung entwickelt, die mit den verblienen Resten der FDGO nicht mehr bekämpft werden konnte.

Man kann, so die überraschte Feststellung der Parteioberen der Regierungsparteien (Ja! Wer denn sonst?), heutzutage als harmlos erscheinender Bürger die Menschenrechte achten, das Demokratieprinzip hochhalten, auf die Rechtsbindung der Exekutive pochen, ja sogar bei jeder Gelegenheit einen zutreffenden Artikel des Grundgesetzes in Anspruch nehmen wollen, und dennoch – irgendwie – für den Bestand der Ordnung, in der sich Parteien und Funktionäre trefflich eingerichtet haben, gefährlich werden.

Es ist ja nicht so, dass Kritik am Regierungshandeln nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt wäre, auch wenn sie sich gegen die Migrationspraxis, gegen die Energiewende, gegen die Pandemiemaßnahmen und vieles andere wendet. Aber man kann auch nicht verkennen, dass solcherlei Kritik das Vertrauen in die Weisheit von Regierung und Parlament erschüttern könnte, zumal wenn es schwer ist, die Kritiker zu widerlegen.

Es war also an der Zeit, ein neues Kriterium zu finden, das diesen Angriffen auf die gelebte Demokratie, den gelebten Rechtsstaat und die gelebte parlamentarische Praxis die Spitze bricht, indem sie in den Katalog der verfassungsfeindlichen Aktivitäten aufgenommen werden.

Das haben wir nun seit einem Jahr:

Die verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates

Das bayerische Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration erläutert dies auf seiner Website so:

Diesem Phänomenbereich werden Einzelpersonen und Zusammenschlüsse zugeordnet, wenn

  • tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese zu Aktionen gegen staatliche Einrichtungen, gegen die staatliche Infrastruktur oder gegen staatliche Repräsentanten und demokratisch gewählte Entscheidungsträger in ihrer Funktion als Amtsträger ernsthaft und nachdrücklich aufrufen oder sich an solchen Aktionen beteiligen. Dabei handelt es sich um Bestrebungen, also um politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Handlungen, die darauf abzielen, die Funktionsfähigkeit des Staates erheblich zu beeinträchtigen.
  • Daneben fallen unter den Phänomenbereich auch Bestrebungen, die durch ein aktives, glaubhaftes und nachdrückliches Vorgehen auf die Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzielen, ohne dabei die Wesensmerkmale extremistischer Bestrebungen eines anderen Phänomenbereichs, wie beispielsweise dem Rechtsextremismus, aufzuweisen.
  • Insbesondere solche extremistische Bestrebungen, die sich durch eine agitatorische Verächtlichmachung des Staates sowie dessen Repräsentanten gegen das Demokratieprinzip richten, die durch ihre Demokratiefeindlichkeit angetrieben zu extremistisch motivierten Straf- und Gewalttaten aufrufen oder sich unter Verkennung der Artikel 20 Abs. 4 Grundgesetz zugrunde liegenden Voraussetzungen auf ein vermeintliches Widerstandsrecht berufen und sich dabei, beispielsweise durch Aufrufe zur Gründung von Bürgerwehren, gegen das Rechtsstaatsprinzip richten.

    Insbesondere!

Da liegt der Hase im Pfeffer. Insbesondere die Verächtlichmachung der Repräsentanten des Staates, ist nun eine verfassungsschutzrelevante Angelegenheit. Hurra! Die Majestätsbeleidigung ist wieder da und führt zur Überwachung durch den Verfassungsschutz!

Genügt es, darauf hinzuweisen, dass Karl Lauterbach nie als Arzt praktiziert hat, genügt es, an Annalena Baerbocks Lebenslauf zu erinnern, oder muss man so weit gehen, öffentlich die Meinung zu bekunden, dass Olaf Scholz mit Robert Habeck als Wirtschaftsminister den Bock zum Gärtner gemacht habe? Wo greift die Verächtlichmachung? Muss man öffentlich die rhetorische Frage stellen, nach welchen Prinzipien das Bundesverfassungsgericht unter Prof. Dr. Robert Harbarth wohl arbeiten mag, um unter Beobachtung gestellt zu werden?

Wen wundert es da noch, wenn Kabarettisten sich nur noch Späße über Regierungskritiker erlauben? Wen wundert es dann noch, wenn Jörg Pilawa mehr Sendezeit bekommt als alle Nachrichtensendungen zusammen und zudem noch Wiederholungen ins Programm genommen werden?

Die freiheitlich-demokratische, öffentlich-rechtliche Rateshow schützt die Bevölkerung während der Sendezeit zuverlässig davor, sich über Regierungsabsichten und Regierungshandeln Gedanken zu machen. Freiheitlich-demokratische, öffentlich-rechtliche Kochsendungen bewirken das Gleiche bei all jenen, die Rateshows nicht einschalten, weil sie nicht einmal auf die 10-Euro-Frage die Antwort wüssten, und wenn Herr Lesch als Universalexperte mal den Kosmos, mal das Virus, mal den Dreißigjährigen Krieg erklärt, dann kann der auf diese Weise vom gebührenfinanzierten Programm partizipierende Bürger gewiss sein, dass alles seine Ordnung hat.

Auch wenn es dann in den so genannten Krimis von weiblichen Kriminalkommissaren mit familiären, psychischen und finanziellen Problemen nur so wimmelt, und diese dennoch pflichtbewusst eifrig aufklärend da tätig werden, wo Schwule, Lesben und People of Colour von dummen, glatzköpfigen Faschisten bedroht, beraubt und entleibt werden, dann hält man das für ebenso wahr, wie die Antworten auf Pilawas Fragen.

Auch die verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates als „Phänomenbereich“ ist nichts als eine neue Spielart der Gleichschaltung durch Ausgrenzung, die weit links von allen strafrechtlich relevanten Aktivitäten erfunden werden musste, weil jene politisch interessierten und den demokratischen Prozess hochhaltenden Bürger einfach nicht mehr mit der Nazi-Keule geschlagen werden können, ohne damit die Glaubwürdigkeit und folglich das Handeln des Staates durch sein eigenes Handeln zu delegitimiern.

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
mein Gott, da ist mir doch nicht bang!
Denn über uns’re Ordnung wacht,
zum Glück!

Verfassungshüter Haldenwang.