Die Form der Freiheit

Markus Söder hat für Bayern eine neue „Form“ der Freiheit angekündigt.

Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie Begriffe ihres Inhalts beraubt und verbogen werden können, bis sich ein Bild ergibt, das den Bürger nicht auf Anhieb abstößt.

Eine Form, das ist zunächst einmal jenes „Negativ“, das mit dem zu formenden, zumeist im flüssigen Zustand befindlichen Material gefüllt wird, damit es nach dem Erstarren als „Positiv“ in Erscheinung treten und nur durch neuerliche Gewaltanwendung wieder „verformt“ werden kann.

Der Freiheit eine neue Form zu geben, das heißt doch, zunächst einmal, der Freiheit ihr Wesen zu nehmen und sie gewaltsam in eine formbare Masse zu verwandeln, sie dann in die vorgefertigte Form zu pressen, und erst, wenn die Freiheit diese Form stabil angenommen hat, die Form zu entfernen, weil die Formung gelungen ist und die Form nicht mehr gebraucht wird.

Was ist das für ein Verständnis von Freiheit? Wer kann sich eine solche Metapher ausdenken? Wer hält sich für berufen, eine solche Umformung ins Werk zu setzen?

Es ist ein Unterschied, ob eine Regierung beschließt, Grundrechte für eine gewisse Zeit wegen einer tatsächlichen oder befürchteten Notlage außer Kraft zu setzen und diese beim Eintreten bestimmter Bedingungen wieder zurück zu gewähren, oder ob beschlossen wird, der Freiheit eine neue Form zu geben. In der temporären Außerkraftsetzung von Freiheitsrechten wird die Freiheit immer noch als Ganzes und als unveräußerliches Menschenrecht angesehen, das ansonsten lediglich in jenen Fällen, in denen der Souverän (mit den Ritualen der parlamentarischen Demokratie) Beschränkungen der Freiheit des Individuums zu Gunsten der Gemeinschaft beschließt, mit den Mitteln strafbewehrter Verbote gezügelt werden kann. Dass die Rituale der parlamentarischen Demokratie zur Selbstpervertierung neigen, kann kein Freibrief sein, der Freiheit mal eben so eine neue Form geben zu dürfen.

Anderer Aspekt:

Ein Inhaftierter, der in der Untersuchungshaft auf seine Verhandlung wartet, verturteilt und damit aus der U-Haft in die Vollstreckungshaft wechselt, würde die damit einhergehende Veränderung seiner Freiheitsrechte wohl kaum als „neue Form der Freiheit“ ansehen, sondern ausschließlich als die neuen Verhältnisse von Unfreiheit, in denen er sich zu bewegen hat. Selbst wo ein dauerhaft Einsitzender zum Freigänger wird, also an bestimmten Tagen nur zum Übernachten im Gefängnis anzutreten hat, wird er dies nicht als eine veränderte Form seiner Freiheit ansehen, sondern allenfalls als eine Minderung seiner Unfreiheit.

Letzter Aspekt:

Ein gesetzestreuer Bürger, der aufgrund eines bloßen Gerüchts eingesperrt wird, hat heutzutage die Möglichkeit, den Versuch zu unternehmen, seine Unschuld zu beweisen. Gelingt ihm dies, ist er frei. Der Gesunde hingegen, muss seine Unschuld immer und immer wieder per aktuellem Test beweisen, wird also nie wirklich frei, weil vor der Inanspruchnahme seiner Freiheitsrechte der obligatorische Test zu absolvieren ist. Ein Zustand, der wegen der so genannten „Impfdurchbrüche“, also wegen des Versagens der Impfstoffe, inzwischen auch den Geimpften droht, und den Genesenen ebenso.

Wo einst Unschuldsvermutung herrschte, herrscht heute ein Generalverdacht.
Wo einst der Kläger die Schuld beweisen musste, muss heute der Beklagte seine Unschuld beweisen.
Wo ein Unschuldsbeweis einst dauerhaft Rechtskraft hatte, gilt er heute nur noch für Stunden, bestenfalls für sechs Monate.

Gesetze und Verordnungen sind nicht ausreichend, um einen Staat als „Rechtsstaat“ anzuerkennen.
Gesetze und Verordnungen gibt es auch in Nordkorea, gab es auch in der DDR.

Es kommt auf die Art und den Inhalt der Gesetze an, und es kommt darauf an, ob Gesetze und Verordnung auf verfassungsmäßigen Wege geschaffen werden, und, so sie auf verfassungsgemäßen Wege geschaffen werden, ob es sich dabei um einen ernsthaften demokratischen Prozess handelt, in dem alle Stimmen und Erkenntnisse gehört und gewichtet werden, oder nur um dessen Vortäuschung durch bloße Wahrung der vorgeschriebenen Form.

 

Es gibt keine neue Form der Freiheit. Es darf sie nicht geben!
Wer den Begriff „die neue Form der Freiheit“ verinnerlicht, wird keine Chance mehr haben, gegen alle denkbaren weiteren Formen der Einschränkung der Grund- und Menschenrechte aufzubegehren, weil solche Einschränkungen im Orwell’schen Neusprech Söder’scher Prägung gar nicht mehr gedacht werden können. Es wird stattdessen nur noch ein abwechslungsreiches Spiel neuer, bunter und vielfältiger Formen der Freiheit geben, die – wie im chinesischen System der „Social Points“ – für Wohlverhalten vergeben, bzw. bei unerwünschtem Denken und Handeln entzogen werden.

China, als wichtiger Markt für die in Deutschland ansässige Wirtschaft, kann allerdings, und das deckt sich mit dem eigenen Verständnis der Kommunistischen Partei Chinas, nur ein Rechtsstaat sein. Und wenn dem so ist, brauchen wir uns um den eigenen Status ganz bestimmt keine Sorge zu machen.

Ganz anderer Aspekt

Es mehren sich die Versuche, mit dem getrennten Ausweis der Inzidenz für Geimpfte und Ungeimpfte die Schutzwirkung der Impfung zu unterstreichen. Das sieht ganz toll aus, ist aber nur Augenwischerei.

Ganz von vorne:

Die 7-Tage-Inzidenz drückt das Verhältnis der Zahl der positiven Tests zur Gesamtbevölkerung aus, der Vergleichbarkeit halber umgerechnet auf jeweils 100.000 Personen.

Es liegt auf der Hand, dass bei gleicher „Durchseuchung“ der Bevölkerung die Zahl der Tests einen entscheidenden Einfluss auf die ausgewiesene Inzidenz hat.

Nehmen wir die beiden Lankreise A und B und unterstellen, dass in beiden Landkreisen 1Prozent der Bevölkerung infiziert sind. Das heißt: Pro 100 Tests ist ein positiver Fall zu erwarten. Landkreis A führt innerhalb der 7 Tage 11.000 Tests durch und erhält folglich 110 positive Ergebnisse, weist also eine Inzidenz von 110 aus. Landkreis B führt nur 4.900 Tests durch und erhält folglich nur 49 positive Ergebnisse und weist eine Inzidenz von 49 aus. Trotz gleicher Infektionslast können in diesen Landkreisen unterschiedliche „Maßnahmen“ angeordnet werden, wenn die Grenzwerte auf <50 und >100 fesgesetzt sind.

Vergleicht man nun die Inzidenzen von Geimpften und Ungeimpften, wird die Realität in gleicher Weise verzerrt. Für Ungeimpfte besteht im Rahmen der 3G-Regelung eine weitreichende Testpflicht, wobei die „Gültigkeit“ der Tests zeitlich eng limitiert ist. Geimpfte und Genesene sind hingegen von der Testpflicht befreit, die Zahl der Tests bei Geimpften und Genesenen strebt gegen null.

Während bei Ungeimpften jeder positive Test als „Neuinfektion“ gewertet wird, auch wenn der Betroffene vollkommen symptomlos ist und bleibt, werden Geimpfte und Genesene trotz hoher Virenlast und Infektiosität  bei so genannten „Impfdurchbrüchen“ überhaupt nur getestet, wenn sie die typischen Symptome aufweisen.

Es ist alleine aufgrund dieser Vorgehensweise zu erwarten, dass bei Geimpften niedrigere Inzidenzen gefunden werden als bei Ungeimpften. Über die Wirksamkeit der Impfung kann daher aus diesem Vergleich keine valide Aussage getroffen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die volle Schutzwirkung der Impfung erst nach vier Wochen eintritt und sechs Monate nach der Impfung nur noch eine minimale Schutzwirkung gegeben ist, und in Anbetracht der Tatsache, dass die momentan verimpften Vaccine gegenüber den jüngeren Mutationen auch nur bedingt wirksam sind, wächst diese Diskrepanz noch deutlich weiter, weil ganz klar Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Nur wenn für Geimpfte und Ungeimpfte gleichermaßen gälte:

  • Test nur bei Symptomen,
  • positive Testergebnis im Verhältnis zur Gesamtzahl der Geimpften und Ungeimpften ausweisen,

wäre die notwendige Vergleichbarkeit hergestellt.

Dies soll jedoch kein Argument gegen die Testerei, sondern nur ein Hinweis auf einen ziemlich schiefen Vergleich sein.

Es spricht nichts dagegen, laufend möglichst viele Tests durchzuführen, sowohl bei Ungeimpften, als auch bei Geimpften und Genesenen, weil dies zwar keinen optimalen, aber in der Zusammenschau mit Hospitalisierungsraten und Sterbefällen doch den bestmöglichen Überblick  über das Infektionsgeschehen ergibt und einigermaßen valide Prognosen für einen Zeitraum von ein bis zwei Monaten ermöglicht.

Hier noch der Artikel zur Inzidenz unter Geimpften, auf den sich meine Kritik bezieht:

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/coronavirus-infektionen-unter-geimpften-fallen-kaum-ins-gewicht-17510600.html