Der sozialdemokratische Untergrund im Exil 1933 – 1945

(Fortsetzung der Einstimmung auf den PaD 8 /2022)

In der ersten Einstimmung auf den PaD 8 /2022 habe ich gestern versucht, die Erinerung an Georg Büchner und an seinen Kampf für die Befreiung des deutschen Volkes aus dem feudalistisch-diktatorisch-tyrannischen System der Herrscher von Gottes Gnaden wachzurufen. Büchner wurde nur 23 Jahre alt und konnte nicht mehr feststellen, ob  und wie und wann sein flammendes Bekenntnis zur Freiheit Früchte tragen würde.

Wäre Büchner wenigstens 50 Jahre alt geworden, hätte er noch von der Gründung der SPD erfahren können, die 1863 als der „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“ durch Ferdinand Lassalle ins Leben gerufen wurde.

In der langen Geschichte der SPD, mit einigen grundsätzlichen Wandlungen der Werte und Ziele der Partei, findet sich in den Geschichtsbüchern, wie auch bei Wikipedia so etwas wie ein „weißer Fleck“, der die Zeit von 1933 bis 1945 umfasst.

Na klar, werden Sie jetzt sagen:  „Die SPD wurde von den Nationalsozialisten schließlich am 22. Juni 1933 als „volks- und staatsfeindliche Organisation“ verboten. Am 7. Juli verloren alle SPD-Abgeordneten im Reichstag, in den Landtagen und in den Kommunen ihre Mandate – und eine Woche später wurde jegliche Neugründung von Parteien untersagt. Kein Wunder, dass es über die SPD von da an nichts zu berichten geben kann, bis sie sich im Juni 1945 neu formieren konnte.“

Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass eine weitverzweigte Organisation wie die SPD durch ein Verbot untergehen könnte, um sich Jahre später wie Phönix aus der Asche wieder zu erheben. Ein beredtes Zeugnis davon legen die „Deutschland Berichte“ der „Sopade“ ab. „Sopade“ war der Name, den sich der sozialdemokratische Untergrund im Exil gegeben hatte. Mitglieder der Parteiführung waren erst nach Prag, später nach Paris und 1940 nach London emigriert, von wo aus sie nicht nur den Widerstand im Reich unterstützten, sondern auch unschätzbare Informationen aus dem Reich sammelten und befreundeten/verbündeten Organisationen zur Verfügung stellten. Die Friedrich Ebert Stiftung beschreibt einen Teil der Funktionsweise dieser Untergrundorganisation so:

Sie (die Sopade) errichtete Grenzsekretariate in den Grenzregionen der Nachbarländer von Deutschland. Die Grenzsekretariate waren die wichtigsten Schaltstellen für die Widerstandarbeit des Exilvorstands. Hierüber wurden die Druckwerke ins Reich geschleust und Nachrichten aus Deutschland heraus gebracht, hier wurden Berichterstatter und Kuriere koordiniert. Aus den überbrachten Darstellungen wurden dann unzensierte Lageberichte zur politischen und wirtschaftlichen Situation in NS-Deutschland zu den sogenannten Deutschland-Berichten zusammengefasst. Sie konnten in der Zeit von 1934 bis 1940 erscheinen und erreichten Auflagen zwischen 500 und 1.700 Exemplaren.

Irgendwo in den Tiefen meiner Archive verwahre ich den 1982 im Petra Nettelbeck/Zweitausendeins Verlag erschienen Nachdruck der Deutschland Berichte von 1934 bis 1940. Womöglich habe ich den Schuber auch irgendwann einmal verliehen – heute, bei der Schnellsuche, ist es mir jedenfalls nicht gelungen, dieses zeitgeschichtliche Dokument ans Tageslicht zu befördern.

Doch glücklicherweise sind die Originaldokumente seit einigen Jahren bei der Friedrich Ebert Stiftung hier auch online verfügbar. Sie müssen etwas nach unten scrollen, dann finden Sie, nach sieben Zeitungstiteln die „Deutschland Berichte“ der Sopade. Von da aus geht es weiter zu den einzelnen Bänden und deren Inhalten.

Mit dem Hinweis auf die Sopade, will ich Sie auf das Grundproblem des Widerstandsrechts nach Art. 20,4 GG aufmerksam machen:

Das Recht auf Widerstand ist wenig wert, wenn die notwendigen Voraussetzungen für den Widerstand nicht gegeben sind.

Das Grundgesetz muss meiner Auffassung nach so interpretiert werden, dass mit dem Recht auf Widerstand zugleich das Recht auf die Bildung einer Organisation des Widerstands verbunden ist, und zwar schon dann, wenn die Wahrscheinlichkeit, künftig Widerstand leisten zu müssen, sich erst in kleinsten Indizien andeutet und dabei allmählich zunimmt. Wehret den Anfängen!

Wie Widerstand endet, wenn ihm keine koordinierende Organisation mit vielfältigen Fähigkeiten und Ressourcen zur Verfügung steht, ist an den Gelbwesten-Protesten in Frankreich ebenso abzulesen, wie an den Trucker-Protesten in Kanada – aber auch an den zunehmenden, prophylaktischen Verboten von Spaziergängen und den gewaltsamen Maßnahmen zur Auflösung friedlicher Proteste in Deutschland. 

Nehmen Sie den Gedanken der Notwendigkeit der Organisation des Widerstandes auf Ihr Mühlen. Im PaD 8 führe ich die Indizien für die Notwendigkeit der Vorbereitung an und gebe Hinweise, wie sich eine Organisation, der- im Gegensatz zur SPD von 1933 – noch jegliche Basis fehlt, quasi aus dem Nichts heraus in konspirativer Weise bilden kann.