Der Papst ist kein Parteivorsitzender

Ich weiß ja nicht, ob diejenigen, die sich über die jüngsten Entscheidungen*) des Pontifex Maximus am lautesten erregen können, überhaupt katholisch sind, oder doch wieder nur getaufte Atheisten mit links-grün-feministischer Agenda. Sicherlich, es gibt innerkirchliche Gruppen mit Bestrebungen, auch die Kirche in ein Wunschkonzert zu verwandeln. Doch die halten eben den Papst für so etwas, wie einen Parteivorsitzenden, der fürchten muss, mit der Ausrichtung seiner Partei die Wähler nicht mehr zu erreichen und gegebenenfalls selbst innnerhalb seiner Partei den Rückhalt zu verlieren.

*) Entschieden hat er ja eigentlich nur, nichts zu entscheiden, sonder wertkonservativ alles beim Alten zu lassen.

Ohne jetzt auch nur im Entferntesten zum Ausdruck bringen zu wollen, die katholische Lehre und die darin enthaltenen Dogmen entsprächen in irgendeiner Weise einem wie auch immer gearteten göttlichen Willen, ist genau dies doch der unverrückbare Kern des christlichen Glaubens katholischer Lesart.  Hier scheiden sich allerdings die Geister, hier wird offensichtlich, wer sein Katholisch-Sein als  wahrhaft „Gläubiger“ lebt, und wer lediglich als Angehöriger der Religionsgemeinschaft meint, für seine Kirchensteuer und gelegentliche Gaben bei der Kollekte eine maßgeschneiderte, markt- und zeitgeistkonforme Gegenleistung erwarten zu dürfen.

Ich betone noch einmal: Der Zölibat ist mir so was von egal! Ob Frauen in der katholischen Kirche Weiheämter ausüben dürfen oder nicht, ist mir sowas von egal, dass es kracht! Die katholische Kirche als solche, mit ihrer rund 1.600 Jahre währenden, wechselhaften Geschichte, mit der Raffgier und vielen anderen schweren Verfehlungen ihrer Päpste, Bischöfe und Priester, ist mir völlig egal.

Doch:

Der Inhalt einer jeden Glaubenslehre darf grundsätzlich nicht zur Disposition gestellt werden.

Wo die Beliebigkeit in den Glaubensinhalt Einzug hält, wo auch nur ein Teil dessen, was über Jahrhunderte geglaubt wurde, aufgegeben oder in sein Gegenteil verkehrt wird, darf – und wird – auch alles andere in Zweifel gezogen und verändert werden.

Nur wer das verstanden hat, hat auch einen Begriff davon, was es heißt, zu glauben, nämlich nicht zu wissen – und trotz allen Widerstrebens dennoch danach zu tun.

Wer aus der Kirche heraus am Papst herumkritisiert, täte besser daran, seinen Austritt zu erklären, weil er „den Glauben“ sowieso nicht verstanden hat.

Es ist kein großer Gedankensprung, zu erkennen, dass Parteien und Kirchen sich im Grunde ähneln, ja ähneln müssen. Wo eine Partei ihr programmatisches Gesicht aus einem Sammelsurium gerade aktueller und sich schnell wandelnder Meinungen und Auffassungen bezieht, wird sie nicht in der Lage sein, ausreichend viele Wähler dauerhaft an sich zu binden und mit jedem neuen „Wandel“ mit jeder „Reform“ des eigenen Programms ein Stück weit unglaubwürdiger.

Wer sich politisch engagiert, tut das da, wo seine persönlichen Wert- und Zielvorstellungen von einer Partei bestmöglich vertreten werden. Tatsächlich bilden sich viele erst „im Spiegel“ einer Partei ihr eigenes konkretes Wertesystem, lernen zu erkennen, wie ein kleines von einem größeren Übel, und der Spatz in der Hand von der Taube auf dem Dach zu unterscheiden ist. Hat er dies vollzogen, sich im Parteiprogramm eingerichtet, seinen Frieden damit gemacht, wird er automatisch innerhalt seiner Partei zum Konservativen und verkörpert in allen seinen Äußerungen den Geist dieser Partei. 

Würde nun ein Parteivorsitzender, ob nun Gabriel, Lindner, Nahles, Kramp-Karrenbauer, Söder oder Merkel, von sich aus wesentliche Elemente des innerparteilichen Katechismus und der Liturgie verändern …

Falsch. Nachdem so ziemlich alle Parteivorsitzenden in den letzten Jahren mit wachsender Geschwindigkeit von sich aus und über die Köpfe der Basis hinweg wesentliche Elemente des innerparteilichen Katechismus und der Liturgie verändert oder gar aufgegeben haben und darüberhinaus in ihren öffentlichen Staatsämtern auch noch das über Parteigrenzen hinaus geltende Recht gebrochen oder den Rechtsbruch toleriert haben, weil ihnen der schnelle Stimmenfang einfach wichtiger war als das zu zeigen, was ich unter „Haltung“ verstehe, ist es nicht verwunderlich, dass die CSU, CDU, FDP, Grüne, LINKE und SPD vom Wähler immer weniger ernst genommen werden und sich auch innerlich in einem chaotischen Auflösungsprozess befinden.

Alleine die erschreckende Reihe der letzten SPD-Vorsitzenden  – Gabriel, Schulz, Nahles, Nabo und Esken – und den damit im Gleichschritt marschierenden Niedergang der Wahl- und Umfrage-Ergebnisse, die Verwandlung des Gesichts der CSU vom letzten in der Wolle gefärbten bayerischen Christsozialen Stoiber über den Löwen und Bettvorleger Seehofer zum frisch bekehrten Naturschutzapostel Söder, wage ich eine ebenfalls deprimierende Zunkunft für die CSU vorherzusagen. Dass die CDU kaum mehr noch 10% ihrer Positionen von 1999 vertritt und sich die restlichen 90 Prozent überall zusammengekratzt hat, wo es opportun erschien, bis dann Angela Merkel innerparteilich nicht mehr als die Person angesehen werden konnte, die der Partei vorsitzen und sie wieder zu neuen Höhen führen sollte, ist der großen Geduld und Langmut der alten Konservativen zuzuschreiben, die sich aus unterschiedlichsten Gründen lieber die Veränderungen überstülpen ließen als zu rebellieren, zumal die Rebellion ja auch seit Merkel als aussichtslos angesehen werden musste.

Die Menschen brauchen Kontinuität, Zuverlässigkeit, Werte wie Treue und Beständigkeit, sie wünschen sich Berechenbarkeit in allem Beeinflussbaren, ist das Unbeeinflussbare doch ausreichend problematisch genug.

Wer eine Partei viermal jährlich neu dekoriert, wie eine Boutique, und zweimal jährlich den nicht abgesetzten Ramsch über Bord wirft, und sich dennoch für einen Politiker hält, anstatt zu erkennen, dass er lediglich ein Werbefuzzi ist, wird irgendwann feststellen, dass ihm nichts Neues mehr einfällt – und dass er eben auch nichts Bewährtes hat, auf dass er sich immer wieder zurückziehen kann.

Dann ist Schluss mit lustig.

Franziskus stemmt sich dagegen.

Was meinen Sie: Wäre er deutscher Politiker, in welcher Partei wäre er vermutlich zu finden?