Der Kampf der Nancy Faeser

Der Kampf der Nancy Faeser ist der gleiche Kampf für Recht und Ordnung, wie er seit Beginn der Aufzeichnungen von so ziemlich allen Innenministern Deutschlands geführt worden ist.

Einige kennzeichnende Aktionen deutscher Innenminister aus fast 150 Jahren sollen zur Erinnerung hier angeführt werden:

1878 Karl von Hofmann Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie
1916 Karl Helfferich Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst (Mobilisierung der Kräfte für den Krieg, Unterdrückung der revolutionären Bewegung)
1919 Hugo Preuß „Vater der Weimarer Verfassung“ mit Abschaffung der Reservatrechte und Notverordnungsrecht Art. 48
1921 Carl Severing Niederschlagung des Mitteldeutschen Aufstands
1928 Walter von Keudell Verbotsantrag gegen den Roten Frontkämpferbund
1932 Wilhelm Groener Verbot der SA
1932 Wilhelm von Gayl Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel
1934 Wilhelm Frick Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr
1943 Heinrich Himmler Totalüberwachung mit Gestapo, Sicherheitsdienst, SS, usw.
1943 Wilhelm Stuckart 12. Verordnung zum Reichsbürgergesetz (Rassengesetze)
1956 Gerhard Schröder Verbot der KPD
1963 Hermann Höcherl Abhör-Affäre, grundgesetzwidriges Agieren des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Höcherl: „Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“
1968 Paul  Lücke Vorbereitung der Notstandsverfassung/Notstandsgesetze
1968 Ernst Benda Überwachungsmaßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
1972 Hans-Dietrich Genscher Gründung der Anti-Terror-Einheit GSG 9
1977 Werner Maihofer Illegale Aktivitäten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, unter anderem „Lauschaffäre Traube“
1983 Friedrich Zimmermann Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts, Tatbestand Landfriedensbruch, Vermummungsverbot. „Gewaltloser Widerstand ist Gewalt!“
Wolfgang Schäuble Umbau des Rechtsstaats in einen Überwachungs- bzw. Präventivstaat, Vorratsdatenspeicherung,  Bundestrojaner u.v.a.m.
2000 Manfred Kanther bekannt als „Law and Order Minister“, verwickelt in die hessische CDU-Parteispendenaffäre
2000 ff Otto Schily NPD-Verbotsverfahren, V-Leute-Affäre, Durchsuchung der „Cicero“-Redaktion
2010 ff Thomas de Maiziere Internet-Überwachung, Vorratsdatenspeicherung, BND-Affäre (Spionage gegen EU-Kommission und franz. Regierung)
2021 ff Nancy Faeser Forderungen nach Chatkontrolle, Vorratsdatenspeicherung, Hackback, Kampf gegen rechts, Compact-Verbot

Aus der fast 150-jährigen Kontinuität im Wirken der Innenminister könnte abgeleitet werden, dass es gewissermaßen zum Kern der Aufgabenbeschreibung eines Innenministers gehört, jeweils alle denkbaren Maßnahmen zum Schutz der jeweiligen Regierung zu ergreifen und dabei, vor dem Hintergrund eines drohenden übergesetzlichen Notstandes, auch an geltendem Recht vorbei zu agieren, wie auch mit neuen gesetzlichen Regelungen Vorsorge dafür zu tragen, dass für künftige Erfordernisse die legalisierten Mittel bereits bereitstehen.

Auch die Tatsache, dass Innenminister ja selbst der Regierung und einer Regierungspartei angehören, stärkt den Eindruck, dass der Innenminister für Ruhe im Inneren zu sorgen hat, indem oppositionelle Bestrebungen ausgeforscht und behindert werden, während ab einer bestimmten Schwelle auch Verbotsverfahren als Handlungsalternative in Betracht gezogen werden.

Die landläufige, seit Gründung der Bundesrepublik genutzte Sprachregelung, das Innenministerium sei das „Verfassungsministerium“, Innenminister folglich „Verfassungsminister“ kollidiert hier mit der von vielen Regierungskritikern vorgetragenen Theorie, die Verfassung (das Grundgesetz) enthalte, insbesondere im Bereich der Grund- und Menschenrechte, ausschließlich Abwehrrechte der Bürger gegen einen – womöglich – übergriffigen Staat.

Wenn sich aus der langjährigen Tradition der  Innenministerien auf deutschem Boden aber abzeichnet, dass Innenministerien kontinuierlich und immer wieder aufs Neue daran gearbeitet haben und bis heute daran arbeiten, die Rechte des Staates gegenüber seinen Bürgern auszubauen und auszudehnen, dann schlage ich vor, dieses Ministerium in einer eher der Realität nahekommenden Weise  künftig als „Obrigkeitsministerium“ zu bezeichnen.

Was ist falsch daran, die Dinge so zu benennen, wie sie sind?

Wie oft mussten wir Bürger uns schon anhören, wir hätten nicht verstanden, man müsse uns dies und das noch einmal erklären?

Ich wette: „Obrigkeitsministerium“ wäre ein Begriff, der nicht weiter erklärt werden müsste. Das könnten – ab einem  IQ von 65 – alle verstehen.

Es käme dann auch niemandem mehr in den Sinn, Aktivitäten dieses Obrigkeitsministeriums zu kritisieren, weil diese nicht der originären Aufgabenstellung dieses Ministeriums entsprechen. Nein. Alles, was das Obrigkeitsministerium tut, um Obrigkeitshörigkeit herzustellen, zur Not auch zu erzwingen, fällt ganz selbstverständlich in dessen Aufgaben- und Verantwortungsbereich.

Der Wesenskern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung würde von einer solchen Klarstellung nicht im Geringsten berührt. Es handelt sich ja nicht um eine faktische Veränderung zum Negativen hin. Es handelt sich lediglich um eine Klarstellung, mit der positiven Folge, dass niemand mehr sich auf Nichtwissen berufen könnte, wenn er fahrlässig oder vorsätzlich der Obrigkeit in die Quere kommen sollte.

Wenn nun allenthalben der Ruf nach dem Rücktritt der Innenministerin laut wird, weil ihr das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Eilentscheidung angeblich einen Knüppel zwischend die Beine geworfen habe, ist dieser Ausfluss von Schadenfreude das Papier nicht wert, auf dem der Dreck gedruckt wird. Frau Faeser hat unmissverständlich erklärt, auf welcher Seite im Kampf „links-grün gegen rechts“ sie steht und dass sie keinerlei Anlass sieht, in ihren Anstrengungen nachzulassen. Das Gericht habe ihr ja hinreichend Möglichkeiten aufgezeigt, mit verfassungskonformen Waffen den Kampf mit Aussicht auf Erfolg so lange weiterzuführen, bis die Entscheidung in der Hauptsache ergehen wird.

Insofern ist die Häme der Rücktrittsforderer fehl am Platze. Die Ministerin hat das ihre getan, um den Staat vor Angriffen von rechts zu schützen. Das Gericht hat dargelegt, dass es ausgesprochen schwierig sei, den Sachverhalt endgültig zu beurteilen, was man doch auch der Ministerin zugute halten muss. Das Gericht hat nicht etwa gesagt der Verein um Elsässer genieße bis zur Entscheidung in der Hauptsache Narrenfreiheit, sondern hat ihr explizit alle Möglichkeiten der Gegenwehr unterhalb der Verbotsschwelle ans Herz gelegt.

Dies nun umzukehren, und Frau Faeser zum Rücktritt aufzufordern, ist zweifellos ein Akt der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates und seiner Repräsentanten, von dem ich mich noch vor der Klärung, ob unter- oder oberhalb  der Strafbarkeitsschwelle, mit diesem Artikel zu distanzieren und vor dem allsehenden Auge des Obrigkeitsministerium reinzuwaschen versuche.

Ob es hilft? Drücken Sie mir die Daumen!