Wer fällt zuerst? Die FDP oder Olaf Scholz?

PaD 42 /2022  – Hier auch als PDF verfügbar: Pad 42 2022 Wer fällt zuerst FDP oder Scholz

 

Erinnern Sie sich an die ersten Meldungen über das Machtwort des Bundeskanzlers zur Beendigung der AKW-Laufzeiten-Diskussion?

Da klang es doch so, als habe Scholz entschieden, Linder und Habeck hätten sich gefügt, und die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu der erforderlichen Gesetzesänderung sei noch in der laufenden Woche zu erwarten. Dies war, wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Angelegenheit, auch durchaus nachvollziehbar. Schließlich muss Isar 2 für den Streckbetrieb noch repariert werden und im AKW Emsland muss nachgeschaut werden, ob sich aus den abgebrannten Brennstäben überhaupt noch die Leistung herauskitzeln lassen würde, die es braucht, um die wenigen seidenen Fäden, an denen das Schicksal Deutschlands im kommenden Winter hängt, mit diesem einen, weiteren, dem Laufzeitenverlängerungsfaden, ein bisschen zu entlasten.

Es war vermutlich jenen Kanzlerberatern, die Scholz die explizite Inanspruchnahme seiner Richtlinienkompetenz nahegelegt hatten, vollkommen klar, dass den Betreibern die für die notwendigen Vorbereitungen erforderliche Zeit schon fast uneinholbar davongelaufen war, dass diese aber wiederum die in den Schubladen schon Schimmel ansetzenden Pläne erst realisieren können, wenn diesen vermittels eines ordentlich von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten und vom Bundespräsidenten unterschriebenen Gesetzes die notwendige Rechtssicherheit  verschafft worden sei.

Man hätte meinen sollen, die Mehrheitsfraktionen des Deutschen Bundestages stünden auch dieses Mal bereit, um die notwendige Gesetzesänderung, ohne den Text vorher geprüft oder auch nur gelesen zu haben, in einer Hau-ruck-Aktion, wenn nötig bei Nacht und Nebel, geschlossen abzunicken, zumal die Rädelsführer im Konflikt, Lindner und Habeck, dafür schon grünes Licht gegeben hatten.

Nun ist es anders gekommen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, ein Ausschuss, der nach meinem Dafürhalten aufgrund seiner einseitigen Aufgabenstellung absolut nicht dafür prädestiniert ist, in einer dramatischen Lage die entscheidenden Weichenstellungen zur Sicherheit der Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung mit Energie vorzunehmen, hat den Gesetzgebungsprozess ausgebremst.

10 Abgeordneten der SPD, 10 Abgeordnete der Union, 6 Mitglieder aus den Reihen von Bündnis 90 die Grünen, 5 Abgeordnete der FDP, 4 Abgeordnete der AfD und 2 Abgeordnete von Die LINKE, haben abgestimmt und beschlossen, am 9. November erst einmal eine öffentliche Anhörung im Bundestag zu veranstalten und sich dort von ausgewählten Gutachtern in das Für und Wider der vorgeschlagenen Gesetzesänderung einführen zu lassen.

Die Ampel-Koaltion hat in diesem Ausschuss eine Mehrheit von 21 zu 16 Stimmen.

Man kann die Beschlussfassung dieses Ausschusses durchaus positiv sehen und sie als die seit Jahrzehnten erhoffte Renaissance des wahren Parlamentarismus begrüßen, weil ein Parlament es sich nicht länger bieten lassen will, von der Regierung eins ums andere Mal mit vorgehaltener Pistole vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Doch erscheint mir diese Interpretation, die ich gestern tatsächlich so gelesen habe, ich weiß leider nur nicht mehr wo, als der eher peinliche Versuch, den auf Ausschussebene sichtbar gewordenen Verlust der Kanzlermehrheit zu vertuschen.

Das per Brief herausgewummste Machtwort zerschellte bereits an der ersten Barrikade, die von den fundamentalistischen Atomkraftgegnern in Windeseile errichtet werden konnte.

Das ist aber nur die Spitze der Verschwörung gegen den beabsichtigten Streckbetrieb von drei Atommeilern.

Es ist ja nicht der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, der die Termine für die Sitzungswochen festlegt und die Tagesordnung bestimmt.

Auch wenn ich die parlamentarischen Gepflogenheiten des Bundestages nicht im Detail kenne, die Website des Bundestages erklärt, dafür sei der Ältestenrat zuständig. Auch im Ältestenrat hat die Ampel eine Mehrheit von 17 Stimmen (8  SPD, 5 Grüne 4 FDP), gegenüber  13 Stimmen von Union, AfD und Die LINKE.

Ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren, für das es dieses eine Mal eine sehr gute Begründung gegeben hätte, wäre also mit einer funktionierenden und noch halbwegs Geschlossenheit zeigenden Koalition durchaus auf den Weg zu bringen gewesen.

Nun ist es anders gekommen.

Die Fraktionen haben dem Kanzler die Gefolgschaft aufgekündigt.

Ob es überhaupt noch zu einer Laufzeitverlängerung für auch nur eines der drei Kernkraftwerke kommen wird, steht in den Sternen.

Die öffentliche Anhörung am 9. November wird sich – wie es sich aus dem Titel des Ausschusses unschwer ableiten lässt – keineswegs primär um Fragen der Energieversorgung drehen, sondern um Fragen der nuklearen Sicherheit.

Es wird sich kein Gutachter finden, der auf die Frage, ob er garantieren könne, dass sich bis zum 15. April in keinem der drei Kraftwerke ein schwerwiegender Störfall ereignen werde, mit einem klaren Ja antworten würde, aber diese extrem-extremistische Frage wird gestellt werden, und der Verweis auf bestehende Wahrscheinlichkeiten und Unwahrscheinlichkeiten wird ausreichen, um sich in den anstehenden Abstimmungen gegen den Weiterbetrieb der „Hochrisikotechnologie“ auszusprechen und die AKWs  in den Hochsicherheitstrakt der Grünen zu überführen, sie also pünktlich zum 31.12.2022 vom Netz zu nehmen.

Bei Licht betrachtet gibt es für diese Entwicklung nur zwei Erklärungen:

A) Verschwörung gegen die FDP

Vom Streit zwischen Habeck und Lindner über das Machtwort des Bundeskanzlers bis zur Verzögerungstaktik von Ausschuss und Ältestenrat war alles zwischen SPD und Grünen abgesprochen. Ziel ist einerseits das Festhalten am Terminplan des vollständigen Atomausstiegs und andererseits soll die als störender Fremdkörper empfundene FDP von sich aus aus der Koalition ausscheiden, um bei den dann anstehenden Neuwahlen ein stabileres linksgrünes Bündnis bilden zu können. Dass bis zu den Neuwahlen von einer nur kommissarisch im Amt bleibenden Regierung keine Entscheidungen über die Laufzeitverlängerung getroffen werden können, wäre gewissermaßen das Sahnehäubchen auf diesem Szenario.

B) Verschwörung gegen Olaf Scholz

Man hat den – niemals „Kanzler-der-SPD-Herzen“ gewesenen – Olaf Scholz, der im Grunde nur benötigt wurde, um bei der Bundestagswahl ein Ergebnis für die SPD zu erzielen, das mit Saskia Esken, Omid Nouripur, Hubertus Heil oder Kevin Kühnert alleine niemals hätte eingefahren werden können, in die Falle laufen lassen.

Nun soll er – nach dem ersten Versuch per Machtwort – ganz offiziell die Vertrauensfrage stellen und diese verlieren, woraufhin der Bundestag einen neuen Bundeskanzler aus den Reihen der SPD oder der Grünen ins Amt wählt. Wie wäre es mit Annalena Baerbock? Die könnte jedenfalls – unter Einsatz aller Mittel der feministischen Außenpolitik – den frisch aufgerissenen Bruch mit Frankreich wieder kitten – oder weiter aufreißen, je nachdem, was das WEF dazu meinen könnte.