Weihnachts-Brückentags-Silvester-Assoziationen

Ein kleines Büchlein, in einem Format von nicht einmal 10×15 cm, ist mir über Weihnachten in die Hände gefallen, auf dem Cover vorne und hinten Lebkuchenherzen mit Aufschriften wie: „Ich find Dich einfach toll“, „Für meinen Knuddelbären“ oder „Du bist mein Stern“. Fast hätte ich es achtlos zur Seite gelegt, hätte sich mein Blick nicht an dem schmalen Rücken festgesaugt, wo zu lesen stand: „Charles Lewinski – Der A-Quotient“´.

Neugierig geworden, schlug ich das Büchlein auf und fand sogleich den erhellenden Untertitel:

„Theorie und Praxis des Lebens mit Arschlöchern“.
Ich könnte seitenweise daraus zitieren …

Verwundert hat mich nur, dass dieses A-Wort überhaupt noch gedruckt werden darf. Das Impressum enthüllte mir die ganze Wahrheit: Zu schreiben wagte Lewinsky (nach meinem Wissen weder verwandt, noch verschwägert mit Monica) sein wertvolles Büchlein 1994 in Zürich. 2005 kam es nach Deutschland und wurde von Haffmanns bei 2001 publiziert. In der mir vorliegenden Fassung in der Reihe Azur wurde es 2011 gedruckt.

Nur acht Jahre!
Nur acht Jahre ist es her, dass es noch einen Verlag gab, der es wagte, derart Subversives unters Volk zu bringen.

Gleich zu Beginn zitiert Lewinsky Hans Beierlein mit dem Aphorismus:

Die Profis sterben aus,
und die Arschlöcher vermehren sich wie die Kaninchen.

Das sollte heute noch jemand zu sagen wagen. Der Aufschrei der Getroffenen ließe den Weltenbau erzittern, wären sie in der Lage, sich darin zu erkennen, doch ist zu bezweifeln, dass sie, die sie stolz darauf sind, „mehr“ zu sein, dies auf die hier angesprochene Vermehrung zurückzuführen in der Lage wären.

Ein von Lewinsky – in der Unterscheidung des Denkens mit dem Kopfe und des Denkens mit dem Hinterteile – selbst eingestreutes Apercu erinnert an die Reinheit eines lupenreien Diamanten:

„Man kann Probleme nicht anal analysieren.“

Sollten Sie je Gelegenheit haben, eines antiquarischen Exemplares dieses Büchleins habhaft zu werden: Schlagen Sie zu, Sie werden es nicht bereuen. Heute kann man solche Sachen nämlich nicht mehr veröffentlichen. Die Chance, unmittelbar auf ein Exemplar Mensch zu treffen, dass sich gehasst, gehetzt, diskriminiert und zu Schadensersatz berechtigt fühlen würde, oder annehme, ein Angehöriger einer anderen Minderheit könne damit gehasst, gehetzt oder diskriminiert worden sein, ist in den zurückliegenden acht Jahren viel zu groß geworden, obwohl auch damals schon erste Alternativlosigkeiten das Licht der Welt erblickt hatten. Ich schließe das Zitieren aus Lewinskys „Der A-Quotient“ mit diesen Sätzen:

„Der Zweifel“, sagt Voltaire, „ist kein angenehmer Gemütszustand“, und das Arschloch fügt hinzu: „… und warum sollte man sich Unannehmlichkeiten machen?“
Wer sich mit Argumenten abgibt, läuft immer Gefahr, auf unvorhergesehene Sachverhalte zu stoßen, aus denen neue Schlüsse gezogen werden müssen. Wer mit dem Kopf denkt, muss auch mal seine Meinung ändern. Dem Arschdenker kann das nicht passieren. Er fängt praktischerweise immer gleich bei der Gewissheit an. Das ergibt ein sehr viel ordentlicheres und stabileres System als die umständliche Denkerei mit dem Kopf.

(Leser Freddy R. hat eine Bezugsquelle aufgetan, wo das Büchlein (in der Schweiz) in anderer Aufmachung wohl noch druckfrisch zu haben ist. Hier)

Obwohl es so aussehen könnte, als sollte das Vorherige dem Folgenden in irgendeiner Weise einen Rahmen geben (Framing), muss ich darauf hinweisen, dass es eher umgekehrt war, dass ich – in weit harmlosere Gedanken verstrickt – assoziativ bei Prof. Karl Schiller und Franz Josef Strauß Einkehr gehalten hatte, welchselbige in den Jahren 1966 bis 1969 während der allerersten Großen Koalition auf deutschem Boden trotz maximaler religiöser Differenzen (Schiller: SPD, Strauß: CSU) grundsätzlich gemeinsam auf grob gerasterten schwarz-weiß-Bildern die Titelblätter der Tageszeitungen schmückten. Es dauerte nicht lange, und die beiden wurden – in Anlehnung an Wilhelm Buschs illustriertes Dichtwerk – Plisch und Plum genannt. Diese jungen Hunde, einer eher schlank und frech, der andere eher dick und volkstümlich, sowie Karl Schiller und Franz Josef Strauß, flackerten über meinen inneren Bildschirm als die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dargebotene weihnachtliche Qual darin gipfelte, den Zuschauern nebst mir, im Screen-Split-Modus links den Kirchenfürsten Bedford-Strohm und rechts den Kirchenfürsten Marx aufzudrängen. Und dies wagte ich nicht so aufzuschreiben und zu veröffentlichen, bis mir Lewinskys Büchlein mit seiner weitaus barockeren Ausdrucksweise quasi die Rechtfertigung dafür gewährte.

Damit – mit dem Screen-Split-Modus – hatte ein gewiefter Regie-Assistent offenbar jenen Spagat gewagt, den Wilhelm Busch noch unter „unlösbare Probleme“ einsortierte, als er dichtete:

„Jeder möchte vorne stehen,
Um entzückt hinauf zu spähen.
Hat sich Plisch hervorgedrängt,
Fühlt der Plum sich tief gekränkt.
Drängt nach vorne sich der Plum,
Nimmt der Plisch die Sache krumm.“

Ganz ohne Screen-split-Modus geht es bei den ökumenischen Gottesdiensten zu, die jene beiden gemeinsam zelebrieren. Da schweigen die Waffen der konfessionsspezifischen Exegese und man wendet vereint den Blick auf’s Mittelmeer, wo, wie ich es verstanden habe „19.000 Christusse ertrunken sein sollen“. (Originaltext: Die Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, sind Christus.)

Ich halte diesen Satz – das Originalzitat – für Blasphemie!

Sonst müssten jene Schlepper, die Menschen wie Vieh gegen horrendes Geld in nicht seetaugliche Boote pferchen und ihrem Schicksal überlassen, nämlich Gott sein, oder sich zumindest wie Pontius Pilatus die Hände in Unschuld waschen dürfen, denn der Vater hat den Sohn am Kreuz sterben lassen und der Sohn starb am Kreuz, weil der Vater das so wollte. Der Sohn ist nach drei Tagen auferstanden von den Toten. Von den 19.000 Ertrunkenen ist das nicht bekannt, auch nicht, dass sie gestorben seien, um die Sünden der Menschen auf sich zu nehmen.

Wir können nur von jenen, welche die Überfahrt überlebt haben, auf jene schließen, die ertrunken sind, und finden darunter tatsächlich einen Anteil von Menschen, die geflüchtet sind, um der Verfolgung und der Gefahr des Krieges zu entgehen. Die sind zwar deswegen absolut nicht Christus, aber wir sind  Christen und nicht zuletzt deswegen gewillt, ihnen Obdach, Nahrung und Kleidung zu geben, damit sie leben können.

Wir finden darunter aber auch viele, die nur um eines besseren Lebens willen ihr Land und ihre Familien verlassen haben, um in der Ferne ihr Glück zu suchen, die also gar kein Recht haben, aufgenommen zu werden, und wir finden darunter auch solche, die wie das auserwählte Volk mit Moses durch die Wüste zogen, um nach vierzig Jahren in das Land Kanaan einzufallen und Jericho zu zerstören, wie es im Buch Josua, Kapitel 6, Vers 20 geschrieben steht:  Da machte das Volk ein Feldgeschrei, und man blies die Posaunen. Denn als das Volk den Hall der Posaunen hörte, machte es ein großes Feldgeschrei. Und die Mauern fielen um, und das Volk erstieg die Stadt, ein jeglicher stracks vor sich. Also gewannen sie die Stadt 21 und verbannten alles, was in der Stadt war, mit der Schärfe des Schwerts: Mann und Weib, jung und alt, Ochsen, Schafe und Esel.

Sie machen es sich zu einfach, liebe Herren Marx und Bedford-Strom, wenn Sie dem hiesigen Volke erklären wollen, die Völkerwanderung aus Afrika nach Europa sei eine Art christliches Wunder, das wir mit ehrfürchtigem Staunen als Offenbarung Gottes wahrzunehmen hätten. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie den neuerlichen Anfang der Landnahme des Islam in Europa zur Wiederkehr Christi auf Erden umdeuten.

Christus gab seinen Jüngern nach seiner Auferstehung diesen Auftrag:

Matthaeus 28, 18 ff

Und Jesus trat zu ihnen, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, 20und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Davon, dass ein Imam eines Tages in einer christlichen Kirche ein islamisches Totengebet sprechen solle, berichtet die Bibel nichts. Davon, dass Sie, liebe Herren Marx und Bedform Strohm, diesen von Jesus erteilten Auftrag vollumfänglich verinnerlicht hätten, kann ich auch nichts feststellen.

Dass Claudia Roth, den Oberhirten beider Konfessionen geistig zu Füßen liegend, das Argument „Private Seenotrettung sei der Migration förderlich“, schlicht als „Irrsinn“ abtut, kann nur als Vorsichtsmaßnahme gewertet werden, um zu vermeiden, auf unvorhergesehene Sachverhalte gestoßen zu werden, aus denen eventuell neue Schlüsse gezogen werden müssten. 

Bleiben wir literarisch. Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799, der Begründer der deutschsprachigen Aphoristik soll noch zitiert werden, mit

a) „Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?“

und

b) „Wenn er seinen Verstand gebrauchen sollte, so war es ihm als wenn jemand, der beständig seine rechte Hand gebraucht hat, etwas mit der linken tun soll.“