Sarrazin und die Sarazenen

Es muss schon was dran sein, an dem Spruch: „Nomen est omen.“

Die Wikipedia sagt über die Sarazenen:

Infolge der islamischen Expansion wurde der Begriff in lateinischen Quellen und im christlichen Europa als Sammelbezeichnung für die islamisierten Völker verwendet, die ab etwa 700 n. Chr. den östlichen und südlichen Mittelmeerraum beherrschten, auch unter dem Eindruck der von ihnen ausgehenden „Piraterie“.  Zu ihren Vertretern zählen z. B. die Herrscherdynastien der Abbasiden, Fatimiden und Ziriden.

Nun wird natürlich die SPD der Wikipedia zum Vorwurf machen, dieser Satz, der heute (01.08.2020) noch so zu lesen ist, entspreche nicht den jüngeren Forschungsergebnissen, nach denen feststeht, dass die Sarazenen friedliche Völker waren, die von den Stammesfürsten jener Leute, die am nördlichen Mittelmeer von Spanien bis Bulgarien in ihren Urwäldern hausten, gebeten worden waren, ihnen Kunst und Kultur zu bringen, während nur wenige Ewiggestrige dagegen opponierten, weil sie ihre nichtsnutzigen Eigenheiten, ihre Sturheit, ihren unbegründeten Nationalstolz gefährdet sahen und in den bisweilen notwendigerweise robusten Friedensmissionen der Sarazenen, die doch nur ihrer Befreiung dienen sollten, einen Angriff zu erkennen meinten und lauthals zum Widerstand aufriefen.

Sarrazin hingegen kann sich nicht von den inzwischen 1.300 Jahre alten Gedanken seiner widerborstigen Vorfahren trennen, er verwehrt sich sogar dagegen, sich ausschließlich auf diese ferne Vergangenheit zu berufen. Sein letzter historischer Bezugspunkt findet sich im Jahr 1683, als 120.000 Osmanen Wien belagerten – und zurückgeschlagen wurden, was damals allergrößten Jubel auslöste.

Nun findet man in der SPD, dass auch das viel zu weit zurückliegt, um noch darauf Bezug nehmen zu können. Die Sarazenen heutiger Tage, die ja auch gar nicht mehr so genannt werden, kämen in friedlicher Absicht, wollten uns bereichern, und außerdem kämen sie gar nicht, wie sintemalen die Osmanen, alleine, sondern im Verein mit so ziemlich allen anderen Ethnien Afrikas, wovon wir sehr viel lernen könnten, würden wir uns ihnen nur öffnen.

Also muss Sarrazin mit seiner Sarazenenphobie  die SPD verlassen, weil der die Partei schädigt, wenn er darauf hinweist, dass die Türken vor Wien mit Mineuren dabei waren, sich unter die Stadtmauer durchzugraben, um die Mauern anschließend zu sprengen. Darin eine Analogie zu sehen, dass hieße ja, diejenigen, die längst in großer Zahl unter uns sind, als Feinde zu betrachten, statt sie durch Einbürgerung als zukünftige SPD-Wähler willkommen zu heißen.

Nun gut. Lassen Sie mich eine kleine Geschichte von Hodscha Nasredin erzählen. Ein Mann, dessen Lebenswerk im gesamten Orient weit besser bekannt ist, als bei uns die Werke von Volker Pispers, Georg Schramm und Dieter Hallervorden zusammengenommen. Eine Geschichte von der leichten Beeinflussbarkeit der Ahnungslosen, irgendwie verwandt mit unserer Erzählung vom Hans im Glück, und die geht so:

Eines Tages machte sich Hodscha gemeinsam mit seinem Sohn auf den weiten Weg in die nächste Stadt, wo ein Viehmarkt abgehalten wurde, um einen Esel zu kaufen. Warum sie einen Esel kaufen wollten, was sie mit dem Esel anfangen wollten, ist nicht überliefert, doch werden wir bald sehen, dass sie es vermutlich selbst gar nicht wussten, außer dass sie vielleicht meinten: „Der Nachbar hat sich einen Esel gekauft – also kaufen wir uns auch einen. Sonst denkt noch jemand, wir könnten uns keinen Esel leisten.“

Tatsächlich fanden sie einen Esel, der ihnen gefiel, wurden sich mit dem Händler auch über den Preis einig und machten sich glücklich mit ihrem Esel auf den Heimweg. Als ihnen ein Pilger entgegenkam und sie ein paar Worte mit ihm gewechselt hatten, meinte dieser zum Schluss: „Eines begreife ich nicht. Ihr habt so einen schönen Esel und geht beide zu Fuß neben dem Tiere her. Warum reitet nicht einer von euch auf dem Esel?“ 

Nasredin sah ein, dass es töricht war, zu Fuß zu gehen, wenn man auch reiten könne und sagte zu seinem Sohn: „Nun steig schon auf. Du wolltest doch schon lange mal auf einem Esel reiten.“

Es dauerte nicht lange,  da kam ihnen ein Wanderer entgegen, einer von der Sorte, die immer Recht haben, und fing gleich an, den reitenden Sohn zu beschimpfen: „Du solltest dich schämen, deinen alten Vater zu Fuß gehen zu lassen. Du hast die jüngeren Beine!“  

Da schämte sich der Sohn wie befohlen, stieg ab und ließ seinen Vater aufsitzen. Die nächste Begegnung ließ nicht lange auf sich warten. Ein Imam mit einem großen, weißen Turban näherte sich und redete auf Nasredin ein: „Du eigennütziger alter Mann! Du hast starke Beine und reitest auf dem Esel und der zarte Junge muss zu Fuß gehen? Was hätte der Prophet wohl dazu gesagt?“

Nun, nach so vielen wohlmeinenden Belehrungen rechtgläubiger Männer kam Nasredin zu dem Schluss, dass die einzige richtige Methode, den Weg fortzusetzen, darin bestünde, wenn der Esel sie beide trüge und er lud seinen Sohn ein, zum ihm auf den Rücken des Esels zu steigen.

Das war, stellten sie nach der nächsten Begegnung fest, ein Irrtum. Einer, der sich mit Eseln auskannte und zudem einer der Vorgängerorganisationen von PETA angehörte, stellte sie aufgebracht zur Rede: „Was tut ihr dem armen Mitgeschöpf an! Seht ihr nicht, dass euer Esel unter euer beider Last fast zusammenbricht!“

Nun war guter Rat teuer. Esel ohne Reiter – falsch. Sohn reitet Esel – falsch. Hodscha reitet Esel – falsch. Beide reiten auf dem Esel  – auch falsch. Was tun, um es allen recht zu machen?

Nun, Hodscha Nasredin wäre nicht Hodscha Nasredin, hätte er nicht doch eine Lösung gefunden. Sie suchten nach einem Strick und einer langen Stange, fanden beides schließlich auch in einem aufgelassenen Gehöft am Rande des Weges, banden den Esel an die Stange und schulterten die Stange mitsamt dem Esel und trugen den Esel auf diese Weise den Rest des Weges bis nach Hause.

Es wurde schon dunkel, als sie völlig erschöpft zu Hause ankamen. Da trat Nasredins Frau vor die Tür, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und fragt: „Was ist das nun wieder für eine Narretei, Hodscha? Kann der Esel denn nicht selbst in seinen Stall laufen?“

Damit endet die Geschichte „Wie Hodscha Nasredin einen Esel kaufte und nach Hause führte“.

Stellt man sich jedoch heute vor, Hodscha Nasredin, sein Sohn und der Esel, das wäre die SPD, dann hätte Hodscha Nasredin, nachdem seine Frau es wagte, die Wahrheit zu sagen und ihn zu kritisieren, sich scheiden lassen müssen.

Waren die Orientalen zu Zeiten des Hodscha Nasredin vielleicht doch sanftmütiger, einsichtiger und lernfähiger als die SPD heute?