Mord – Ansichten der Staatsanwaltschaft Trier

Sie erinnern sich vielleicht an die Meldungen über den Mord an einem Tankstellenangestellten in Idar-Oberstein. Am 18. September letzten Jahres war ein junger Mann erschossen worden, nachdem er einen Kunden auf die Maskenpflicht beim Einkauf in der Tankstelle hingewiesen hatte.

Im knapp 50 Kilometer Luftlinie entfernten Trier fand exakt drei Monate später, am 18. Dezember 2021, auf dem Viehmarktplatz eine Demonstration unter dem Motto: „Versammlung für Freiheit, Zusammenhalt und Selbstbestimmung“ statt, die sich, wie aus dem Namen leidlich ersichtlich, gegen die  Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern richtete.

Dass zeitgleich die „Antifaschistische Aktion“ mit einer Gegendemo präsent war, verwundert eigentlich nicht. Ein Redner dieser Gegendemo soll dabei geäußert haben, die Teilnehmer der Anti-Maßnahmen-Demo seien schuld am Tankstellenmord in Idar-Oberstein.

Ein Leser meines Blogs war an diesem Tag als Teilnehmer der „Versammlung für Freiheit, Zusammenhalt und Selbstbestimmung“ Augen- und Ohrenzeuge dieser – aus seiner Sicht „infamen“ – Beschuldigung und erstattete Strafanzeige wegen Volksverhetzung.

Er hätte gut daran getan, vorher juristischen Rat einzuholen, denn so war es der Staatsanwaltschaft Trier ein Leichtes, das Verfahren einzustellen, mit der vorrangigen Begründung:

„Die vom Anzeigeerstatter dargelegte Behauptung eines Redners, (…) kann nur in ihrem konkreten Wortlaut und Kontext strafrechtlich bewertet werden.“

Das hätte es eigentlich gewesen sein können. Doch der die Einstellung des Verfahrens verfügende Staatsanwalt meinte es gut mit dem Anzeigeerstatter und setzte seine juristische Aufklärungsarbeit fort:

„Die Meinungsfreiheit erfasst im politischen Diskurs“, so ist es im Einstellungsbescheid zu lesen, „auch plakative und drastisch überspitzte Formulierungen, sofern – wie hier – ein Bezug zur politischen Meinungsbildung vorhanden ist. Die Äußerungen sind aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums zu beurteilen.“

Natürlich kann man Demo und Gegendemo als „politischen Diskurs“ verstehen der zur politischen Meinungsbildung beiträgt. Ob man die Teilnehmer der Antifa-Gegendemonstration, an die die Aussage gerichtet war, jedoch pauschal als ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum ansehen kann, dürfte durchaus umstritten sein, zumal die „Voreingenommenheit“ des Publikums beider Demonstrationen schon anhand der krass unterschiedlichen jeweils vertretenen Standpunkte nicht ausgeschlossen werden kann.

Aber auch damit nicht genug. Offenbar in Kenntnis zuverlässiger Quellen für die nachstehenden Ausführungen erklärt die Staatsanwaltschaft:

„Hier kann die Äußerung, soweit der Anzeigeerstatter sie wiedergibt, auch so interpretiert werden, dass die auf Versammlungen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen (Aufzählungsgliederung von mir)

  • häufig geäußerte,
  • teils massive,
  • in Teilen rational nicht nachvollziehbare und
  • hochemotional

ausgeübte Kritik an den Corona Schutzmaßnahmen und diejenigen, die diese Form der Kritik unterstützen, dazu beitragen, Einzelne soweit zu radikalisieren, dass Taten wie das Tötungsdelikt von Idar-Oberstein die Folge sein können.“

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier, über die Rechtsauslegung hinaus, die Annahme: „Wer gegen Corona-Schutzmaßnahmen demonstriert, kann auch daran schuld sein, wenn Befürworter  der Maßnahmen ermordet werden“, von der Staatsanwaltschaft, zumindest in Form einer theoretischen Erwägung, für begründet und zulässig erachtet wird. 

Abschließend erfolgt noch die Belehrung darüber, was erforderlich sei, um den Straftatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen. Eine Erklärung die des Merkens würdig ist:

„Vom Schutz der Vorschrift erfasst sind inländische Personenmehrheiten, die individuell nicht mehr überschaubar sind und sich von der Gesamtheit der Bevölkerung aufgrund bestimmter Merkmale unterscheiden, welche äußerer und innerer Art sein können.(…) Dabei ist als Unterscheidungsmerkmal grundsätzlich auch eine politische oder weltanschauliche Überzeugung geeignet.“

Und jetzt kommt’s:

„Die Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen zeichnen sich jedoch gerade nicht durch eine einheitliche politische oder weltanschauliche Überzeugung aus.

Sie eint zwar die Ablehnung der Corona-Schutzmaßnahmen, die Gründe dafür sind jedoch vielschichtig und erstrecken sich über eine Vielzahl von Themenbereichen. Diese reichen von der Überzeugung, dass die tatsächlich von der Coronavirus-Erkrankung (COVID 19) ausgehende Gefahr konkrete einzelne Einschränkungen von Freiheiten nicht rechtfertigen kann über religiöse, ethische oder medizinische Einwände gegen konkrete Behandlungs- oder Vorbeugungsmaßnahmen über die grundsätzliche Leugnung der Existenz des Coronavirus SARS-Cov-2 und über verschiedene Verschwörungserzählungen zur Entstehung des Virus und zum Zweck der Maßnahmen bis hin zu einer bloßen  Ausnutzung der Pandemiesituation als Argument, um einen ohnehin befürworteten Demokratieabbau voranzutreiben und den Sturz der Bundesregierung herbeizuführen.“

Sollte jetzt jemand spontan ausrufen: „Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!“, könnte ich das zwar nicht gutheißen, aber durchaus noch nachvollziehen.

(Strafanzeige und Einstellungsverfügung liegen mir in digitaler Form vor.)

Ich frage mich, ob diese Argumentation zum Beispiel auch für Feminstinnen oder Anhänger der Queer-Bewegung gilt. Sie eint zwar die Ablehnung der Heterosexualität und des überkommenen Familienklischees, die Gründe dafür sind jedoch vielschichtig und erstrecken sich über eine Vielzahl von Themenbereichen …