Die aufgewiegelte Volksmasse, kurz: der Mob, ist wieder einmal losgelassen. Vandalismus, Plünderung, Brandstiftung, schwere Körperverletzung, Totschlag, Mord, alles ist im Angebot.
Am 14. Juli 1789 stürmte der Mob in Paris das Gefängis Bastille und startete damit jenes Massenschlachten auf der Guillotine, aus dem ein Napoleon Bonaparte als neuer Herrscher hervorging, der seine Verwandten materiell bestens versorgte und Europa mit seinen Kriegen überzog. Der 14. Juli ist in Frankreich immer noch Nationalfeiertag, was zumindest als Argument für jedes neue Wüten eines Mobs herangezogen werden kann, weil die französische Revolution schließlich zeigte, dass Veränderung nur mit Gewalt, großer, gnadenloser, wilder und wütender Gewalt erreicht werden kann.
Es haben Berufenere als ich mehr als 200 Jahre lang die Gelegenheit wahrgenommen, die Französische Revolution mal kritisch, mal unkritisch, zu beleuchten – doch in einem stimmen sie überein: Aus Blut und Asche ist Neues gewachsen. Adel und Feudalismus, sowie deren enge Bande zum Klerus gingen in der Revolution unter, Menschenrechte und Demokratie wurden proklamiert – um nur das Allerwichtigste ganz pauschal anzusprechen.
Es ist allerdings zu bedenken, dass diejenigen, die am 14. Juli – gegen geringen Widerstand – die Bastille einnahmen, nicht ahnen konnten, was sie damit auslösen, und dass dabei niemand das im Sinn hatte, was daraus entstanden ist, nämlich das säkulare, republikanische Frankreich. Die Leute hatten Hunger – und unausgegorene Vorstellungen.
Die Unruhen in den USA, von vielen Beobachtern schon als akute Gefahr eines zweiten Bürgerkrieges in den USA eingestuft, ihr bereits erfolgtes Überspringen nach Europa, sogar ein kleines bisschen ins tröge Deutschland, sind nach meiner Einschätzung dem Beginn der Französischen Revolution gleichzusetzen. Die Leute sind unzufrieden – und haben den Kopf voller unausgegorener Vorstellungen. Sie führen ihre Unzufriedenheit auf „das System“ zurück, und glauben, mit der Zerstörung des Systems käme Zufriedenheit von ganz alleine.
Spielen wir das Ding im Geist durch:
Die Konfrontation zwischen Aufrührern und Konsevativen in den USA eskaliert weiter. Trump setzt tatsächlich das Militär im Inneren ein, doch ein Teil der Truppen schlägt sich an die Seit der Aufständischen. Der Sturm auf das Weiße Haus gelingt. Trump wird gefangengenommen, tagelang verhört und schließlich hingerichtet. Tage später das gleiche Spiel in London. Johnson wird an den Haaren aus der Nr. 10 gezerrt und an einen unbekannten Ort verschleppt. Eine große Zahl von Regierungsmitgliedern und hohen Beamten gerät in beiden Staaten in die Hände des Mobs. Einige werden auf offener Straße gelyncht, andere verschleppt und vor Revolutionsgerichten abgeurteilt.
In den USA verlassen die Arbeiter die Fabriken und schließen sich den Aufständischen an. Erntereife Felder der verhassten Großgrundbesitzer werden niedergebrannt. Die Tanklager der Öl-Mulits werden gesprengt – und immer wieder kommt es zu erbitterten militärischen Auseinandersetzungen und wochenlangen Häuserkämpfen in den großen Städten.
Zwei lange Jahre gehen ins Land. Die Versorgungslage ist katastrophal. Im Winter 2021/2022 erfrieren an der Ostküste in einer einzigen bitterkalten Nacht mehrere Millionen Amerikaner. Niemand zählt die Leichen. Der Durchschnittsamerikaner ist seit Monaten von der Stromversorgung abgeschnitten. Die Tankstellen, soweit sie nicht zerstört sind, bleiben ebenso geschlossen, wie die Supermärkte. Trecks mit Zehntausenden von Menschen fliehen zu Fuß aus den Städten aufs Land, in der irrigen Annahme, dort Nahrung zu finden, und nicht selten werden sie dabei, aus dem Straßengraben heraus, als Verräter der Großen Sache von MG-Salven niedergemäht.
Nach diesen zwei Jahren sind 200 Millionen US-Amerikaner tot. Vom Mob erschlagen, von Corona und anderen Seuchen dahingerafft, verhungert und erfroren.
130 Millionen sind noch am Leben. Des Kämpfens müde. Es gibt keinen Sieger, nur Verlierer.
Was wird daraus Neues entstehen können?
Unterstellen wir, dass China nicht daran interessiert ist, den USA Demokratie und Menschenrechte zu bringen und sich aus dem Bürgerkrieg ebenso heraushält, wie Russland, dann werden diese 130 Millionen erst einmal dafür Sorge tragen müssen, ihre Lebensmittelversorgung zu sichern. Der Revolutionsrat wird also alles, was Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie ist, beschlagnahmen und in Volkseigentum umwandeln. Funktionäre ohne Vorkenntnisse werden zu Direktoren der Volkseigenen Betriebe ernannt und zur Planerfüllung verpflichtet. Die wiederum zwangsverpflichten jeden, der ihnen über den Weg läuft, zur Arbeit auf den Plantagen, in den Schlachthöfen und Konservenfabriken.
Die Produkte werden in Volksläden kostenlos ausgegeben, denn Geld soll es nicht mehr geben, um ein Wiederaufflammen des Kapitalismus zu verhindern. Im Prinzip funktionieren diese Volksläden wie die Tafeln. Es wird gegen Bezugsanrechte ausgegeben, was da ist, und wenn nichts mehr da ist, wird die Ausgabe geschlossen,bis wieder etwas hereinkommt.
Bezugsrechte gibt es gegen Arbeitsscheine. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Wer Hunger hat, meldet sich bei der Ortsverwaltung und wird einer Brigade zugeteilt. Erste Aufgaben der Brigaden bestehen darin, wieder ausreichend funktionsfähigen Wohnraum für die Bevölkerung herzustellen. Da 90 Prozent aller Häuser zerstört sind und wichtige Baumaterialien (Stahl, Beton, etc.) nicht verfügbar, werden zunächst aus Heeresbeständen Zeltstädte errichtet, während rings um die Zeltstädte nach und nach festere Behausungen aus allem, was zu finden ist, entstehen.
Eine Stunde Arbeit gibt ein Bezugsrecht. Bezugsrechte gelten vom Tag der Ausstellung an eine Woche. Danach können sie nicht mehr eingelöst werden. Ein Bezugsrecht entspricht 200 Kcal Nährwert. Für noch nicht arbeitsfähige Kinder werden pauschal Bezugsrechte über 1800 Kcal pro Tag ausgegeben. Allerdings können Bezugsrechte nur in Anspruch genommen werden, wenn die Volksläden Lieferungen erhalten haben. Der private Anbau von Obst, Gemüse, Getreide, sowie die private Haltung von Schlachttieren (Kaninchen, Schweine, Rinder) ist verboten. Selbstversorgung würde den Willen zur Aufbauarbeit für die Gemeinschaft untergraben.
Zu Beginn des Jahres 2023 stehen die USA wirtschaftlich und ideologisch ungefähr da, wo die DDR 1961 stand. Es ist immer noch kein eigenes Geld in Umlauf, doch auf wundersame Weise hat sich ein Schwarzmarkt gebildet, auf dem Handel mit allem getrieben wird, was nützlich ist, von den Brigaden jedoch noch nicht produziert werden kann. Gezahlt wird mit persönlichen Dienstleistungen, mit geretteten „Schätzen“, wie z.B. vor der Verbrennung geretteten Büchern, aber auch mit Waffen und Munition, sowie mit Banknoten in ausländischer Währung. Jede Woche wird zur Abschreckung jemand auf dem Schwarzmarkt aufgegriffen und öffentlich hingerichtet. Unter sich ist sich der Revolutionsrat jedoch einig, dass der Schwarzmarkt schon aus psychologischen Gründen bestehen bleiben muss, lindert er doch hier und da echte Not und verschafft zugleich Erfolgserlebnisse, an denen das Leben ansonsten rar ist.
Zum ersten Januar 2023 erfolgte die Proklamation der Freien Volksrepublik Indianien, verbunden mit der feierlichen Verkündung der „Wahren Menschen- und Bürgerrechte“, sowie der allgemeinen Bürgerpflichten und des neuen Strafgesetzbuches. Die ersten freien Wahlen werden für 2028 versprochen.
Trotz schärfster Meldepflichten und regelmäßiger Zählappelle gelingt es immer mehr Menschen, die USA über die Grenzen zu Mexiko und Kanada zu verlassen. Andere vertrauen sich den Schnellbooten der Schleuser an, die sie an Seenot-Rettungsschiffe übergeben, damit sie in Brasilien, Chile und Argentinien um Asyl nachsuchen können. Um diesen „Blutverlust“ einzudämmen, wird die halbfertige Mauer an der mexikanischen Grenze fertiggestellt und eine weitere Mauer quer durch die Rocky Mountains gezogen. Die dafür abgestellten Brigaden fehlen zwar für die Versorgung der Bevölkerung, doch haben diese Maßnahmen zur Sicherung des Bestands der Freien Volksrepublik Indianien Vorrang.
Das könnte die Richtung sein, in die es laufen könnte, sollte der verheerende Bürgerkrieg tatsächlich ausbrechen.
Hat jemand eine weniger dystopische Vorstellung, von dem was BLM und Antifa und die Demokraten in den USA Gutes erreichen werden, wenn die Staatsmacht sich weiterhin zurückhält und versucht – durch die Aufgabe des Rechts – da zu deeskalieren, wo Eskalation Programm ist, dann lassen Sie es mich wissen.