Katastrophale Verwechslungen

Als Wilhelm Busch dichtete:

„Wenn einer, der mit Mühe kaum
gekrochen ist, auf einen Baum,
schon glaubt, dass er ein Vogel wär,
so irrt sich der!“,

hat er eine allen Menschen anhaftende – der Dalai Lama und wenige andere Erleuchtete mögen ausgenommen sein – Eigenschaft aufgespießt, die sich am besten mit Selbstüberschätzung bezeichnen lässt. In Psycho-Seminaren und Kindertagesstätten wird sie den Abhängigen aller Altersgruppen regelrecht eingeimpft. Die Beweisführung der Gurus ist dabei beeindruckend einfach und besteht aus nur zwei Sätzen:

  • „Das Schlimmste was passieren kann, ist, dass es nicht funktioniert.“
  • „Fallen ist keine Schande. Liegenbleiben schon.“

Das Ergebnis der erfolgreichen Berieselung mit diesen „Mantras“ sind Idioten. Idioten, die als solche nicht zu erkennen sind. Sie sind ja intelligent, bisweilen sogar gerissen, einige verfügen sogar über ein gerüttet Maß an Fachwissen, man kann sich mit Ihnen unterhalten, ohne den Verdacht zu hegen, es könnte sich um ein Trugbild aus Latex und künstlicher Intelligenz handeln. Nur handelt es sich dennoch um Idioten, und, was das Schlimme dabei ist, um ungeheuer erfolgreiche, wirksame, effiziente Idioten. Kein langes Planen, Denken, Abwägen geht ihren Aktionen voraus, denn das Schlimmste, was passieren kann, ist ja, dass es nicht funktioniert. Es gibt auch kein Nachfragen, warum etwas nicht funktioniert hat, sondern nur ein schnelles „Sprung auf! Marsch, marsch!“ und dann hinein ins nächste Abenteuer. Erfolgreich, wirksam und effizient sind sie, weil sie für ihre Unerschrockenheit und Kühnheit, auch dafür, dass sie einfach nicht unterzukriegen sind, immer wieder Beifall bekommen und sich unter den vielen gleichermaßen Indoktrinierten immer jemand findet, der dem Ganzen vorangeht – und dazu Tausende, wenn nicht Millionen, die ausnahmslos alles, was dabei herauskommt, für die Ultima Ratio halten.

Nun ist ein Idiot ja im Grunde harmlos, und die hier beschriebenen Idioten sind auch nur insoweit mit dem Synonym „Dummkopf“ richtig bezeichnet, als sie in dem Bonmot:

„Intelligente Leute machen ständig neue Fehler.
Dumme wiederholen immer die gleichen“,

im zweiten Satz „erhellende“ Erwähnung finden.

Zu den gerne wiederholten Fehlern gehören einige klassische Verwechslungen, die, weil sie nicht von Drehbuchautoren erfunden werden, nicht in Verwechslungskomödien enden, obwohl sich da für so manche Sitcom so manche Fundgrube an Klamauk eröffnen würde.

In diesen Tagen grassiert – ansteckender als die Beulenpest – eine groteske Verwechslung zwischen dem, was Platon als  „Ideal“ bezeichnete, und dessen Abglanz an der hinteren Wand der Höhle (Platons Höhlengleichnis zum Nachlesen auf Wikipedia), und zwar in Bezug auf die „Demokratie“.

Paul Watzlawick, kein Kabarettist, wie das Video vielleicht vermuten ließe, sondern ein Kommunikationspsychologe, hat die Fixierung auf eine nur im eigenen Kopf existierende Realität und die fatalen Folgen ihrer Kollision mit der Wirklichkeit knallhart in einer Minute auf den Punkt gebracht:

Zur gleichen Zeit, zu der ich erstmals mit gewissem Schaudern von Watzlawick begeistert war, las ich das noch verrücktere Buch des Neurologen und Hirnforschers Oliver Sacks, „Von dem Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“. Dazu gibt es heute ein Video, das vielleicht noch wichtiger ist als das vorangegangene, nehmen Sie sich auch noch diese zwei Minuten.

 

Jetzt ist Ihnen nur noch jene intellektuelle Leistung abzuverlangen,

  • die Projektion eigener Probleme auf ein unschuldiges Gegenüber, wie von Watzawick gezeigt, und
  • das Unvermögen, einen Handschuh als Handschuh zu erkennen, obwohl er im Detail (den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen können) klar beschrieben werden kann,
  • auf alle zu übertragen, die in der Wahl des H. Kemmerich in Thüringen statt einer Wahl etwas „düster Unverzeihliches“ zu erkennen glaubten und dabei – wie im zweiten Video – zufrieden schienen, ihre Aufgabe gelöst zu haben, und natürlich auch auf alle, die sofort die eigenen Augen verschlossen und vorgaben, dieses „düster Unverzeihliche“ ebenfalls gesehen zu haben.

Wo der eigene Geltungsdrang, in absolut abgehobener Selbstüberschätzung mit der Demokratie verwechselt, und die Demokratie für einen Angriff auf die Demokratie gehalten wird, und dies ohne den geringsten Zweifel wortreich und mit entschlossener Mimik und Gestik zur Verkündigung kommt, da ist für mich Panoptikum, Kasperltheater, KPDSU-Parteitag und

„Auf geht’s beim Schichtl!“