Kampf den Patenten, denn Patente sind Rechte (Satire)

Der lange Weg zum Erfindungsermutigungsgesetz

In den Abendnachrichten war von der Entwicklung des Patentwesens die Rede. Wie immer nur ein Gerede um den heißen Brei, aber nichts auf den Punkt gebracht. Genau das ist es aber, was den wahren Journalisten auszeichnet: Neugier, nachrecherchieren und die Wahrheit enthüllen. Das Ergebnis ist das nachstehend veröffentlichte Interview. Aber zunächst eine kurze Zusammenfassung des Nachrichtenbeitrags aus dem Gedächtnis:

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Zum großen Bedauern der zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf Patentschriften und Patentstreitigkeiten angewiesen Bevölkerungsschicht, ist die Zahl von Patentanmeldungen und Patentstreitigkeiten in einer existenzbedrohenden Weise zurückgegangen.

Der Bund der Patentamtsbeamten und Schutzrechtsanwälte, dem sich inzwischen auch die Richter der entsprechenden Kammern angeschlossen haben, hat sich nun für eine weitreichende Reformation des Patentrechts ausgesprochen. Damit soll der Entwicklung Rechnung getragen werden, dass es eine Vielfalt von Ideen und Neuerungen gibt, die von den geisteswissenschaftlichen Fakultäten, bzw. von deren Absolventen in rascher Folge hervorgebracht werden, die jedoch nach den gültigen Bestimmungen nicht patentfähig sind und auch keinen gebrauchsmusterrechtlichen Schutz beanspruchen können.

„Was das Bundesministerium der Justiz auf seiner Webseite dazu veröffentlich“, so die Sprecherin des Bundes der Patentamtsbeamten und Schutzrechtsanwälte (BuPaBeSchuResan e.V.), „erfüllt den Tatbestand der Diskriminierung aller Erfindenden und stärkt zugleich die Position der Rechten, obwohl dies im Kampf gegen rechts klar kontraproduktiv wirkt!“

BMJ – Recht und Freiheit
Patente sind Rechte, mit denen Erfindungen aus allen Gebieten der Technik geschützt werden. Ein Patent wird auf Antrag und nach Prüfung erteilt, wenn die Erfindung neu ist, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und gewerblich anwendbar ist.https://www.bmj.de/DE/themen/wirtschaft_finanzen/rechtschutz_urheberrecht/patentrecht/patentrecht_node.html

Man dürfe sich aber nicht an der Frage aufhalten, warum ausgerechnet Rechte mit dem Schutz von Erfindungen beauftragt werden, so die Sprecherin weiter, man müsse vielmehr zuerst die einseitige Festlegung auf „technische“ Erfindungen hinterfragen.

Hier gäbe es einen enormen Rückstau an Erfindungen, dessen Auflösung  durchaus nicht nur im Interesse der Mitglieder des BuPaBeSchuResan e.V. liege, sondern auch im Interesse der Erfindenden.

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Wir haben Ella-Maria Sangria-Paella,
die Sprecherin des BuPaBeSchuResan e.V.
um ein Interview gebeten
und sie am Wochenende in Berlin getroffen.

EWK:

Vielen Dank, Frau Sangria-Paella, dass Sie die Zeit gefunden haben, sich mit uns zu unterhalten.

EMSP:

Ist doch selbstverständlich. Ich freue mich doch über jeden Journalisten, der überhaupt Interesse an unserer Sache zeigt. Die mediale Aufmerksamkeit hat ja momentan ganz andere Schwerpunkte, da fallen wir vom BuPaBeSchuResan e.V. doch meistens hinten runter. Im Übrigen: Nennen Sie mich doch einfach Elmar …

EWK:

„Elmar“ als Zusammenziehung von Ella und Maria? Oder als Ausdruck einer bevorstehenden Ausübung des Selbstbestimmungsrechts?

EMSP:

„Elmar“ passt derzeit einfach gut zu mir. Mehr will ich dazu nicht sagen.

EWK:

Gut.  Lassen Sie uns also mit dem Interview beginnen. Seit wann gibt es den BuPaBeSchuResan e.V. eigentlich, warum hat man in der Vergangenheit so wenig von diesem Verband gehört, und wie sind Sie zur Sprecherin geworden?

EMSP:

Wissen Sie, den BuPaPe- und so weiter, gibt es schon seit den sechziger Jahren. Damals gegründet als eine Art Gewerkschaft, ging es vorwiegend darum, die Zusammenarbeit zwischen Patentanwälten und den Verantwortlichen in den Patentämtern zum beiderseitigen Nutzen auf gedeihliche Weise zu fördern. Das hat ganz gut funktioniert, so lange die Zahl der eingereichten Patente und der Patentklagen Jahr für Jahr gestiegen ist.  Seit etwa zehn Jahren hat sich der Trend jedoch gedreht. Das Patentwesen ernährt den Berufsstand nicht mehr, jedenfalls nicht mehr wirklich. Im letzten Jahr habe ich dann bei einem  Jobvermittlungsportal diese job description gefunden:

Zur Erfüllung der Frauenquote

suchen wir zur Ergänzung unseres Vorstands

die künftige Sprecherin (m/w/d)

Wir erwarten:

·       Dominantes Auftreten

·       Unbeugsame Eloquenz

·       Eigene Ideen für die externe Kommunikation

 Vorkenntnisse im Patentrecht sind nicht erforderlich.

Bewerben Sie sich nicht um ein Bundestagsmandat,
kommen Sie zu uns.

 

EWK:

Sie sind also vor nicht ganz einem Jahr aus dem Stand und ohne Vorkenntnisse Sprecherin dieser – äh – „Standesvertretung“ geworden.

EMSP:

Richtig.

EWK:

War das nicht schwierig, sich in das europäische und internationale Patentrecht einzuarbeiten.

EMSP:

Nein, nein. Damit habe ich mich gar nicht aufgehalten. Dieses Patentrecht ist schon Vergangenheit. Ich stehe für die neue Zeit im Patentwesen. Das habe ich den alten Knaben vom Vorstand schon im Vorstellungsgespräch beigebracht. Ich habe sie gefragt, warum sie nicht selbst daran arbeiten, das Arbeitsfeld zu erweitern, Job-Enlargement betreiben, sozusagen. Die wollten ein Beispiel haben – und da habe ich losgelegt, mit meiner unbeugsamen Eloquenz:

„Meine Herren“, habe ich gesagt, „ schon in ihrer Suchanzeige findet sich eine Erfindung, die sicherlich patentwürdig wäre.“

„Wie denn, was denn?“, wollten sie wissen.

„Na, ist Ihnen das nicht aufgefallen? Da steht ‚Frauenquote!‘

Zugegeben, das ist nichts Technisches, aber ansonsten wäre die Frauenquote durchaus patentwürdig. Und selbstverständlich ließe sich die Frauenquote auch gewerblich nutzen, indem man zum Beispiel Lizenzen vergibt. Gestaffelt nach der Größe der Organisation, nach der Höhe der Quote, und so weiter. Wer  immer eine Frauenquote einführen will, muss eine Lizenz erwerben.“

Ja, und dann hatte ich den Job.

EWK:

Das nennt man dann wohl Blitzkarriere …

EMSP:

Ich will das mal nicht als frauenfeindlich interpretieren. Aber ich kenne Männer, die ihr Studium früher abgebrochen haben als ich, und jetzt fette Diäten kassieren.

EWK:

So war das nicht gemeint. Ich bin halt noch ein bisschen oldschool. Wenn Sie wollen, streiche ich das raus.

EMSP:

Nö. Lassen Sie das ruhig mal drin. War ja schließlich ein Punkt für mich.

EWK:

Ja, wir sollten wirklich wieder auf den Punkt kommen. Ihre aktuelle Kampagne wendet sich ja gegen das bestehende Patentrecht. Was soll denn ihrer Meinung nach geändert werden?

EMPS:

Vorab: Das ist keine Meinung. Hier geht es um Tatsachen, die endlich benannt werden müssen.

Die erste Tatsache  ist, dass immer noch nur das patentiert werden kann, was zum Alte-weiße-Männer-Kram gehört. Also Autos, Kühlschränke, Smartphones – Hardware im weitesten Sinne. Pflanzen und Labormäuse sind da keine Ausnahme. Software ist die Ausnahme. Und da knüpfen wir an. Software, den Begriff könnte man übersetzen mit: „Sinnvoll organisierte Regeln“. Die sind patentierfähig. Aber nur, weil sie nicht ohne technische Hardware existieren können. Sinnvoll organisierte Regeln gibt es aber auch ohne technische Hardware. Wir werden sicherlich noch auf Beispiele zu sprechen kommen.

Die zweite Tatsache ist, dass nur patentiert wird, was neu ist. Sorry! Es gibt so Vieles, was neu ist, und nicht patentiert werden konnte, weil: keine Technik! Womöglich lassen sich zu vielen Neuerungen unserer Tage immer noch die Erfinder finden. Daraus ergibt sich zwingend, dass eine nachträgliche Patentierung auch dann noch möglich sein muss, wenn das Patent längst schon eine breite Nutzung gefunden hat. Dafür kämpfen wir.

Die dritte Tatsache – ich bin gleich fertig – ist die Forderung nach der gewerblichen Nutzbarkeit. Das ist  ein verquast frühkapitalistisches Denken. Heute kann jeder mit jeder Erfindung ein Geschäft machen.

Ich komme noch mal auf die Frauenquote. Mit Patentschutz und der gesetzlichen Pflicht ein Bombengeschäft für den Erfinder. Bloß, der bekommt überhaupt nichts, weil das bestehende Patentrecht sich da selbst im Weg steht und die gewerbliche Nutzung verhindert.

EWK:

Ich verstehe. Glauben Sie denn, dass Sie mit dieser Initiative Erfolg haben werden?

EMSP:

Selbstverständlich. Es kommt nur darauf an, die breite Öffentlichkeit zu unterrichten, was künftig alles patentiert werden und Profit abwerfen könnte, sollten wir uns mit unseren Forderungen durchsetzen.

EWK:

Außer der Frauenquote habe ich von Ihnen allerdings noch kein Beispiel gehört. Was gäbe es da denn noch?

EMSP:

Fast hätte ich Blödmann gesagt…

Aber ich weiß, dass man die Leute – und offenbar auch Sie – dort abholen muss, wo sie sind. Kein bisschen eigene Fantasie. Also:

Noch ziemlich neu ist die Erfindung der „Meldestellen“. Die hätte noch gute Chancen, nachträglich patentiert zu werden. Dann müssten alle, die eine Meldestelle einrichten, ob nun der Bund, die Länder oder die Kommunen, ob Correctiv oder die Antonio-Amadeo-Stiftung, die alle müssten Lizenzen zahlen. Und die würden zahlen. Ohne Meldestelle geht ja schon lange nichts mehr. Am Ende gibt es keinen Ortsverein irgendeiner Partei mehr, der keine eigene Meldestelle betreibt. State of the art, sage ich da nur. Ein Riesending!

Mit den Faktencheckern ist es das Gleiche. Millionen von Jahren glaubte die Menschheit ohne auszukommen. Jetzt geht nichts mehr ohne Faktencheck. Der Erfinder hätte es verdient, sich von den Lizenzeinnahmen einen schlauen Lenz zu machen. Aber noch guckt er in die Röhre, wie so viele andere.

EWK:

Glauben Sie nicht, dass das dem Meldestellen- und Faktencheckerwesen abträglich wäre? Die Lizenzgebühren könnten doch abschreckend wirken.

EMSP:

Quatsch. Die Kosten werden doch erstattet. Wofür haben wir denn das Demokratiefördergesetz? Das kann auf Jahre hinaus beantragt und genehmigt werden. Und kommen Sie mir nicht mit der Frage, ob der Steuerzahler damit einverstanden ist. Irrelevant. Da wird einfach ein Wumms geschaffen. Schon ist die Kohle da. Da hat der Steuerzahler überhaupt nichts damit zu tun.

EWK:

Das nehme ich mal so zur Kenntnis. Aber Sie hatten noch weitere Beispiele?

EMSP:

Selbstverständlich. Aber meine Zeit ist knapp, in einer Viertelstunde habe ich einen Rundfunktermin. Leider nur Aufzeichnung, aber da macht es nichts, wenn ich ein paar Minuten zu spät komme. Deshalb verrate ich Ihnen noch:

Das dickste Ding überhaupt, was millionenfach Lizenznehmer brächte, ein wahrer Geldregen für die Erfinder, das sind die Geschlechter.

EWK:

Die Geschlechter?

EMSP:

Mann, Sie stehen ja schon wieder voll auf dem Schlauch. Also, ganz langsam zum Mitschreiben:

Es gibt derzeit etwa 79 bereits erfundene Geschlechter. Zwei müssen abgezogen werden, weil die Evolution nicht rechtsfähig ist. Obwohl auch das geändert werden könnte, es müsste sich nur ein Verein gründen, der sich als  gesetzlicher Vertreter der Evolution anerkennen lässt, oder eine Religionsgemeinschaft müsste den Anspruch erheben, die Rechte an der Schöpfung zu vertreten, dann ginge das schon.

Aber die übrigen 77 Geschlechter die – man weiß es nicht genau – entdeckt oder erfunden wurden, deren Erfinder aufzuspüren, da könnte man, wie im Erbrecht, Anwälte, am besten Patenanwälte, damit betrauen, gegen Erfolgsbeteiligung, versteht sich, die Erfinder ausfindig zu machen.

Beim 77. Geschlecht dürfte das noch ziemlich einfach sein, ist ja noch nicht so lange her, dass das erfunden wurde. Aber stellen Sie sich vor, die Suche nach dem Erfinder des ursprünglich ersten, also des originären dritten Geschlechts … Wie viele würden das für sich beanspruchen? Tausende? Zigtausende?  Da könnte sich um die Patentschrift und die Lizenzeinnahmen ein fulminanter Rechtsstreit entwickeln, der alleine für Jahrzehnte Arbeit und Brot für die Mitglieder des BuBaBeSchuResan e.V. garantiert.

Es käme, wenn das einmal durch ist, auch zu einem echten Wettbewerb. So wie die Haftpflichtversicherer einmal jährlich zum Wechseln trommeln, würden die Lizenzgeber versuchen, die Vorteile des ihnen  gehörenden Geschlechts herauszustellen und gleichzeitig individuelle Lizenzverträge mit undurchsichtiger Tarifgestaltung an den Mann zu bringen. So wird der Wechsel des Geschlechts zu einer echten Optimierungsfrage, wo es gilt, zwischen angestrebten Geschlechtsmerkmalen und Lizenzgebühren die goldene Mitte zu finden. Da werden auch die übelsten Hetzer nicht mehr von Jux und Tollerei beim Geschlechtswechsel sprechen können, sondern anerkennen müssen, dass da verständige Menschen antreten, um verantwortungsvolle Entscheidungen für das jeweils nächste Jahr zu treffen, was auch dazu führt, dass die unterjährige Beschäftigung mit dem jeweils aktuellen Geschlecht nicht zum Erliegen kommen wird.

Aber jetzt muss ich wirklich weiter. Tschüss.

 

EWK:

Danke für das Gespräch. Sie haben mich inspiriert. Sobald Sie mit Ihrer Initiative Erfolg haben, werde ich einer der ersten Patentanmelder sein.

EMSP:

Echt jetzt? Was denn?

EWK:

Ich melde ein Patent auf den „Hassprediger“ an. Jahreslizenz für einfache Hasspredigten unterhalb der Strafbarkeitsgrenze: schlaffe 100.000 Euro. Oberhalb geht nicht, das wäre schließlich Anstiftung. Aber auf die paar Fälle oberhalb kommt es nun wirklich nicht an.

 Von meinen Lizenzeinnahmen gehen 20 Prozent an die Meldestellen, die mir jede nicht lizensierte  Hasspredigt melden. Vermutlich lässt sich das alles vollständig automatisieren, so dass mein Aufwand ganz gering bleibt.

Bis es sich herumgesprochen hat, dass Hassrede jeden Hassredner teuer zu stehen kommt und dann – löblicher Nebeneffekt – Hass und Hetze unterhalb der Strafbarkeitsgrenze wegen der drohenden Lizenzgebühren gänzlich verschwinden werden, bin ich steinreich und muss mir meine Brötchen nicht mehr mit pseudojournalistischer Arbeit und bezahlten Interviews verdienen.