Die Besudelung Aiwangers

Wenn die Argumente ausgehen, wird in die Jauchegrube gegriffen.

Schon Artur Schopenhauer hat den guten Rat erteilt:

Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Das Persönlichwerden besteht darin, daß man von dem Gegenstand des Streites (weil man da verlornes Spiel hat) abgeht auf den Streitenden und seine Person irgend wie angreift: man könnte es nennen argumentum ad personam, zum Unterschied vom argumentum ad hominem: dieses geht vom rein objektiven Gegenstand ab, um sich an das zu halten, was der Gegner darüber gesagt oder zugegeben hat.

Beim Persönlichwerden aber verläßt man den Gegenstand ganz, und richtet seinen Angriff auf die Person des Gegners: man wird also kränkend, hämisch, beleidigend, grob.

Es ist eine Appellation von den Kräften des Geistes an die des Leibes, oder an die Tierheit. Diese Regel ist sehr beliebt, weil jeder zur Ausführung tauglich ist, und wird daher häufig angewandt. Nun frägt sich, welche Gegenregel hiebei für den andern Teil gilt. Denn will er dieselbe gebrauchen, so wirds eine Prügelei oder ein Duell oder ein Injurienprozeß.

(Artur Schopenhauer, Eristische Dialektik, Letzter Kunstgriff)

Beatrix von Storch hatte noch Glück. Sie wurde nur mit Fäkalien beschmiert. Das ist zwar ekelhaft, lässt sich aber vollständig abwaschen.

Hubert Aiwanger ist übler dran.

Des Antisemitismus geziehen zu werden,
ist schlimmer als mit Scheiße beworfen zu werden.

Antisemitisimus bleibt immer hängen. Lebenslänglich. Dieser Vorwurf ist nicht zu widerlegen. Jedes Argument, das vorgebracht wird, wird automatisch zur Bestätigung und zum Schuldeingeständnis. Da macht sich doch niemand die Mühe, den fraglichen Text eines längst vergilbten Flugblattes aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts tatsächlich zu lesen, da gibt es nur eines: Sich schnellstmöglich distanzieren, damit es einem nicht geht, wie Harald Schmidt, der sich dummerweise  gemeinsam mit Hans-Georg Maaßen und Matthias Matussek auf einem einzigen Foto auffinden ließ. Rechts abgebogen! Oder Markus Krall. Der hat mit Maaßen telefoniert. Daraufhin ist ihm das widerfahren:

 

 

Also, bloß weg von Aiwanger. Eine Armlänge Abstand ist da viel  zu wenig.

Früher nannte man es Rufmord. Einen „Schülerstreich“ heranzuziehen – der im Kontext der damaligen Zeit weitaus weniger empörend war als in unseren Tagen der Hochsensiblen, die schon eine Triggerwarnung brauchen, um nicht versehentlich alte Sketche von Otto aus der Mediathek zu fischen – um damit eine politische Karriere zu zerstören, das ist die gar nicht woke Hinterhältigkeit, der man sich gerne auch heute noch bedient.

In meinem Roman „Andere Abhilfe“ habe ich geschildert, wie so etwas geht, wie es vorbereitet und schließlich durchgezogen wird. Hier der Ausschnitt:

Der Mann, der sich so oft als Wohltäter der Partei, vor allem aber ihrer mehr oder minder offiziellen Unterorganisationen erwiesen hatte, der Mann, dessen NGOs längst den politischen Ton in Europa vorgaben, wenn man einmal von Ungarn, Polen und den anderen Visegrád Staaten absieht, hatte um einen persönlichen Termin gebeten und auch unverzüglich erhalten. Sein Wagen mit den dunkel getönten Scheiben glitt in die Tiefgarage des Auswärtigen Amtes. Der Fahrer blieb im Wagen, der Passagier im Fond wurde von zwei Personenschützern zum reservierten Aufzug geleitet und – abgeschirmt von allen anderen Personen im Hause – direkt in das Arbeitszimmer des Außenministers geführt.
Die Begrüßung fiel ziemlich kühl, aber nicht unfreundlich aus. Nachdem beide in der futuristisch eingerichteten Besucherecke Platz unter einem großformatigen Bild von Jörg Immendorff Platz genommen hatten, ein Ankauf noch aus Schröders Zeiten, ergriff der Gast als erster das Wort.„Unsere Dienste haben mir berichtet, dass Sie es immer noch nicht lassen können, in den USA über Ihre Konsulate Spionage zu betreiben. Sollte Ihnen davon nichts bekannt sein, was ich durchaus für möglich halte, sollten Sie Ihren Saftladen tatsächlich mal auf Vordermann bringen. Mehr als: ‚Rechtsextreme Netzwerke im Außenamt vermutet‘, brauchen Sie dabei der Presse ja glücklicherweise gar nicht durchzustecken. Ich sage nur: Crazy Germans!
Die Welle kocht hoch, und ihre Koalitionspartner werden sich darauf stürzen, wie ein Rudel Wölfe auf das frisch gerissene Schaf. Sie brauchen dazu jetzt nichts zu sagen, das ist auch nicht mein eigentliches Anliegen. Ihr Auftrag ist es jetzt, mit allen erdenklichen Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass diese Ilka Schilling-Krämer morgen nicht zur Bundeskanzlerin gewählt wird. Die Frau ist vollkommen unberechenbar, um nicht zu sagen komplett irre. Das können wir jetzt unter keinen Umständen gebrauchen. Sorgen Sie dafür, dass im Herbst neu gewählt wird. Bis dahin bleibt die Regierung geschäftsführend im Amt. Einen Kanzler gibt es bis dahin nicht, nur einen Kanzleramtsminister. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Meine Zeit ist knapp bemessen – und Sie haben jetzt alle Hände voll zu tun.“Die beiden Personenschützer begleiteten ihn auf dem gleichen Weg, auf dem er gekommen war, zurück in die Tiefgarage. Es war, als hätte dieser Besuch nie stattgefunden.
Der „große Maestro“, wie der Außenminister, der das Amt 2021 von Heiko Maaß, dem eher kleinen Maestro, übernommen hatte, hinter vorgehaltener Hand oft genannt wurde, rief nach einer kurzen Bedenkpause seine beiden Staatssekretäre in sein Büro.„Ich hatte eben Besuch. Ein alter Freund unserer Partei mit einer sehr unangenehmen Bitte. Einer Bitte jener Art, die man nicht ausschlagen kann, wenn ihr versteht.“
Er machte eine längere Pause, als würde er über den nächsten Satz sehr intensiv nachdenken. „Ich sage es mal so: Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass Ilka Schilling-Krämer morgen zur Bundeskanzlerin ernannt wird.“„Nun ja, so unangenehm ist uns dieser Wunsch ja nicht“, meinte der Mann aus Niedersachsen, der immer noch als glühender Verehrer der ersten Verteidigungsministerin der Bundesrepublik bekannt war.
„Unangenehm ist nur, dass wir praktisch keine Zeit haben, das unauffällig einzufädeln, meinte sein Kollege.“
„Ich glaube, ich hab‘ da was. Darf ich einen Mitarbeiter dazu rufen?“
„Wenn er vertrauenswürdig ist?“
„Absolut!“
Dann her damit.
Minuten später betrat ein lebenslustig wirkender Mann, dem Dialekt nach waschechter Bayer, den Raum, begrüßte die Anwesenden, mehr leutselig als freundlich und nahm auf dem ihm angewiesenen Sessel Platz.
„Huber“, begann der Niedersachse, „Sie erinnern sich an unsere letzte Abteilungsfeier. Sie waren am Höhepunkt des Abends schon ziemlich fröhlich und erzählten eine pikante Geschichte über eine in den letzten Tagen ziemlich bekannt gewordene Person. Können Sie die hier noch einmal wiederholen?“
„Sie meinen die Sache mit der schönen Ilka?“
„Ja. Ganz genau die.“„Ich lasse hier mal alle Ausschmückungen weg. Das Wesentliche: Die designierte Bundeskanzlerin war während ihres kurzen Gastspiels an der FU – eher nicht der Not, mehr dem eigenen Triebe folgend – bei einer Begleit-Service Agentur unter Vertrag. Das ist nun wohl ungefähr zehn Jahre her. In ihrer Vita ist selbstverständlich nichts davon zu lesen, auch sonst findet sich im Internet kein Hinweis mehr darauf. Aber es gibt drei Zeugen. Einer davon bin ich. Wir waren damals als Delegierte der Jungen Union München eingeladen zu einem Besuch bei der CSU-Landesgruppe in Berlin. Als der offizielle Teil der Veranstaltung zu Ende war, trat einer von den Alten an uns heran und meinte: Na, Jungs, ihr möchtet doch sicherlich heute noch was erleben, bevor ihr wieder nach München fahrt. Da, das ist eine heiße Telefonnummer für bestimmte Zwecke.“„Ja, und? Schwelgen Sie nicht in Erinnerungen Huber, kommen Sie zur Sache.“„Die Frau, die wir am Telefon erreichten, die uns auch zu dritt nehmen würde, wenn wir das wollten, bestellte uns an eine Adresse, hier in Berlin. Wir hatten wirklich einen Riesenspaß miteinander. Zum Abschied gab sie jedem von uns eine Visitenkarte der Agentur, für die sie arbeitete und meinte: Wenn ihr wieder mal in Berlin seid, macht über diese Agentur einen Termin bei mir. Die mögen solche direkt vereinbarten Schwarzarbeitseinsätze, wie heute mit euch, nämlich gar nicht.“„Und? War das Frau Schilling-Krämer?“„Ja wer denn sonst? Ich selbst habe ihre Dienste danach noch mindestens drei Mal in Anspruch genommen.“„Sie würden das beeiden, Huber?“

„Jederzeit gerne, wenn es meiner Karriere dienlich ist.“

„Dann wollen wir jetzt mal gemeinsam bei der BILD-Redaktion anrufen …“

Nun setzen wir statt „Ilka Schilling Krämer“ einfach „Hubert Aiwanger“ ein, lassen den Herrn Huber sich – falls es der Karriere dienlich ist – daran erinnern, dass der Aiwanger mal mit dem Flugblatt seines Bruders in der Schultasche unterwegs war, und rufen dann nicht die BILD-Redaktion, sondern die Süddeutsche an, und schon passt wieder alles.

Die Chancen dafür, dass Söder nach der Bayernwahl mit den Grünen koalieren muss, weil es mit den Freien Wählern nicht mehr reichen würde, sind deutlich gestiegen. Der geheimnisvolle Besucher mag dieses Mal möglicherweise nicht im Außenministerium, sondern stattdessen im Kanzleramt oder im Wirtschafts- und Klimaministerium aufgetaucht sein. Doch es sieht so aus, als hätte man seinen Wunsch gerne erfüllt.