Der Kassenbon-Krieg

Es gibt Verrücktheiten, die glauben machen, aktive Politiker versuchten die Nonsense-Sketche von Karl Valentin zu übertreffen.

Wer hin und wieder noch analog einkauft, statt sich per Internet einen Liefer-Dschinn zu bestellen, kennt diese schmalen Zettel, die von der Kassiererin, sehr selten auch vom Kassierer, nach dem Verneinen der Frage: „Brauchen Sie den Bon?“, in einen Papierkorb im unten sehr engen, nach oben jedoch offenen Kassenverschlag geworfen werden.

Nur wenige, und sehr seltene „points of sale“, wie der Stand der Biobäuerin auf dem Wochenmarkt oder eben die einzige Verkaufsstelle des gänzlich filialfreien Bäckermeisters im 600-Seelen-Dorf beteiligten sich bislang nicht an diesem Verzettelungsspielchen, denn es hatte ihnen bis dahin niemand zur bei Unterlassung strafbewehrten Vorschrift gemacht.

Weil sich in Berlin der weitaus größte Teil der Abgeordneten und der Regierungsmitglieder – so erscheint es wenigstens dem nicht eingeweihten Zuschauer – mit nichts anderem beschäftigt, als mit der bohrenden Frage:

„Was ist denn noch zu regieren da? Wie soll ich denn meine Existenzberechtigung nachweisen? Wo fehlt noch ein Gesetz, eine Vorschrift, ein Gebot, ein Verbot? Wo lässt sich noch etwas verschärfen, kontrollieren, überwachen?“,

war es eigentlich kaum verwunderlich, dass endlich auch einer der führenden Köpfe einer der Regierungsparteien auf die Idee kam, eine allgemeine und ausnahmlose Bondruckpflicht durch die drei Lesungen und ins Gesetzblatt zu bringen. Dass es diesmal der Sozi Scholz war, darf gerne als Zufall angesehen werden. Es hätte genausogut von der bayerischen Schwester der rheinischen CDU kommen können, und es wäre ebenso durch die Lesungen ins Gesetzbuch gerutscht.

Nun ist aber der Haussegen der GroKo seit längerer Zeit nicht mehr wirksam geradegerückt worden, so dass er erkennbar schief hängt. Es sieht daher nach Neid und Missgunst aus, wenn jetzt der Herr Wirtschaftsminister Altmeier dem Herrn Finanzminister Scholz mit großer Geste verschriftlicht vorschlägt, er möge das Unsinns- und Blödsinns-Gesetz doch gar nicht erst in Kraft treten lassen, sondern es noch vor dem 1. Januar 2020 wieder außer Kraft setzen, weil der davon ausgelöste maximale Bonpapierverbrauch der Klimapolitik der Bundesrepublik schweren Schaden zufüge und das Erreichen selbst des 2-Prozent-Zieles in Frage stelle.

So sieht es also aus, wenn einer, der in der gleichen Regierung sitzt und in zumindest massiver körperlicher Anwesenheit irgendwie wohl zugestimmt haben muss, auf einmal auf die Idee kommt, „Haltet den Dieb!“, zu rufen.

Wäre das Oliver passiert, statt Olaf, und hätte Stan die Torte geworfen, statt Peter, dann hätte das Publikum schon gewusst, an welcher Stelle gelacht werden muss. 

So aber zermartert sich der gelegentlich noch analog einkaufende, grokoregierte Bürger das Hirn, ob Scholz mit dem großen allgemeinen Bonzwang nun tatsächlich glaubt, wenigstens die Schlupflöcher der kleinen und kleinsten Steuerhinterzieher zu verschließen, damit die großen, dem Blick der Öffentlichkeit entzogen, weiterhin sperrangelweit geöffnet bleiben können, oder ob Altmeier tatsächlich kurz davor steht, sich wegen der paar zusätzlichen Papierschnipsel vor Klimaangst stockvoll in die Hosen zu machen.

Nüchtern betrachtet ist der Scholz’sche Bon-druck-Zwang ein Instrument des „Teile und herrsche!“, denn dieser Bon-Zwang macht nur dann Sinn, wenn  der Finanzminister darauf setzt, dass sich der „größte Lump im ganzen Land“ in großer Zahl finden lassen wird, der seinen Bäcker und die Bio-Bäuerin ans Messer liefert, wenn die auch nur einmal in seinem Beisein versäumen sollten, einen Bon auszudrucken. Es ist der Versuch, dem Denunzianten einen einfachen Zugang zum Anfangsverdacht zu verschaffen und damit dem Neidhammel, statt dem Affen, Zucker zu geben. Sonst ist es, wie Altmeier argumentiert, ein recht sinn- und zweckarmes Unterfangen.

Der Widerstand von Altmeier, spät, zu spät vorgetragen, und daher nicht besonders glaubwürdig, zudem auf Klimafolgen gestützt, die so nie eintreten werden, lässt eher darauf schließen, dass dem Sozen im Finanzministerium, nachdem er von den eigenen Parteigenossen ins Abseits gestellt wurde, jener kalte Wind ins Gesicht geblasen werden soll, der signalisiert, dass  der Kanzlerinnenwahlverein – angesichts der erkennbaren Schwäche des Schöpfers verfassungswidriger Haushalte Borjahn, und der schon in der eigenen Vergangenheit bis hart an die Grenze des Rücktritts schwer verstrickten Esken – von nun an die Lederpeitsche der Domina  (Da klingt das „D“ in CDU doch plötzlich irritierend erregend!) nicht mehr aus der Hand legen wird.

Es ist halt leichter, Schmutzkübel über Trump und Johnson auszuschütten als sich an der eigenen Nase zu fassen und den Versuch zu unternehmen, den Geist des Amtseides im eigenen Handeln wiederzufinden.

… ja, schon richtig. Man könnte und sollte mit seiner Zeit Besseres anfangen, als sich mit solchen Schaumschlägereien abzugeben. Nur, wenn’s richtig ernst, seriös und anstrengend wird, hört ja doch wieder keiner mehr hin.