Das Triell – (k)ein flotter Dreier

Der Versuch, die diversen Elefanten im Raum unsichtbar zu machen, ist den RTL-Machern zweifellos gelungen.

Der Rahmen war sorgfältig abgesteckt:

  • Deutschland hat ein Klimaproblem, das dringend gelöst werden muss.
  • Deutschland hat ein Pandemie-Problem, das dringend weggeimpft werden muss.
  • Deutschland hat ein Querdenker-Problem, das dringend verboten werden muss.
  • Saskia Esken und Kevin Kühnert existieren nicht.
  • Claudia Roth und Robert Habeck existieren nicht.
  • Markus Söder und Hans-Georg Maaßen existieren nicht.
  • Die AfD existiert nicht.
  • Deutschland ist eines der reichsten Länder dieser Welt.
  • 16 Jahre Merkel haben nicht stattgefunden.

Der Zuschauer wusste also:

Egal, wer die künftige Regierung anführen wird, die Probleme werden gelöst. Die CO2-Emissionen werden zurückgefahren, die Impfkampagne wird fortgesetzt, Querdenker-Demos werden verboten bleiben. Damit stehen im Grunde nicht mehr die Problemlöser zur Wahl, sondern nur noch ihre unterschiedlichen Temperamente.

  • Baerbock: Frisch gewagt ist halb gewonnen.
  • Scholz: Ich werde weiterhin alles richtig machen.
  • Laschet: Immer langsam, mit den jungen Pferden.

So verlief dann auch die „Befragung“.  Welches Thema auch immer im Mittelpunkt stand, Annalena forderte forsches Vorangehen, statt Zögern, Zaudern und Wegducken, Scholz stimmte ihr, unter dem Vorbehalt der Realisier- und Finanzierbarkeit zu, während Armin Laschet den Spielverderber gab und auf jene Sachverhalte und Umstände hinwies, an denen Annalenas forsches Vorwärtsstürmen scheitern müsse, während sein behutsameres Vorgehen von Erfolg gekrönt sein werde.

900 von 2.500 Forsa-Befragten ließen sich vom Taktieren des Olaf Scholz, das man mit den Worten „Alles ist möglich, falls es möglich ist“ zusammenfassen könnte, derart einlullen, dass sie ihn zum Sieger des Triells erklärten.

750 hatten sich vom ungestümen Tempo der Kandidatin begeistern lassen und sahen sie als Gewinnerin der Show.

Armin Laschets durchaus kämpferische Verteidigung seiner Standpunkte kam nur bei 625 Befragten gut an. Aber immerhin, noch lässt sich ein Viertel der Deutschen (die Forsa-Teilnehmer waren repräsentativ ausgewählt) nicht gegen die vernünftigen Argumente der alten weißen Männer in Stellung bringen, obwohl es viel einfacher ist, blindlings grünen Parolen zu folgen, als Zusammenhänge verstehen und Folgen abschätzen zu wollen.

Ein paar Takte noch zu Annalena Baerbocks Auftritt. Es ist ihr zweierlei gelungen, an diesem Abend:

Erstens war sie, soweit es um Fakten ging, gut vorbereitet. Es gab von ihrer Seite weder grobe noch feine Schnitzer diesbezüglich. Zweitens ist es ihr gelungen, ihr Sprechtempo soweit zu limitieren, dass die typischen Annalena-Verhaspelungen weitgehend ausblieben und die Zuhörer ihr ohne Rätselraten folgen konnten.

Diese Verringerung des Sprechtempos brachte allerdings sehr verstärkt ihre Neigung zum Vorschein, Anfangssilben extrem überzubetonen. Das lässt sich typografisch schwer darstellen, doch der Versuch sei mir gestattet. Annalenasprech, betonungsgerecht geschrieben:

Wo diese BUNNdesregierung nicht in der LAAge war,  ALLEINerziehende Mütter zu unterstützen, sondern nur SPRUCHblasen absonderte, werde ich als KANNzlerin mich mit ganzem Herzen für mehr GErechtigkeit einsetzen.

Die Graphologie kennt dieses Phänomen als „Anfangsbetonung“. In seinem 1959 bei Luchterhand erschienen Buch, „Wie man Menschen beurteilt – ein Handbuch zur Mitarbeiter und Partnerwahl“, ordnet der Graphologe Hans Fervers dieser Anfangsbetonung die folgenden Eigenschaften des Schreibers zu:

Selbstschätzungstrieb, Bedeutungsbedürfnis, Ehrgefühl, Eitelkeit, Dünkel, Anmaßlichkeit

Ob sich die Erkenntnisse der Graphologie so direkt auf die Formen mündlicher Kommunikation übertragen lassen, weiß ich nicht. Ganz abwegig scheint es mir aber nicht zu sein.