Das Grund- ist kein Naturgesetz.

Das Grund- ist kein Naturgesetz.

Nur Naturgesetze überdauern Jahrmillionen, und das reicht noch gar nicht.

Grundgesetze, Bundesgesetze, Landesgesetze und kommunale Satzungen sind wie Gartenabfälle im Kompost. Sie verrotten. Bis nichts mehr von ihrer ursprünglichen Form und ihrem ursprünglichen Zweck zu erkennen ist, vergehen immer nur wenige Jahre, manchmal ein Jahrhundert, doch das ist schon sehr selten.

 Die Annahme, menschengemachtes Recht sei auf Ewigkeit in Stein gemeißelt, ist Blödsinn. Das Recht wandelt sich mit der Zeit genauso wie die Mode. Wer sich dagegen sträubt, wird zurecht als ewig-gestrig angesehen.

Zu den langlebigsten Gesetzen in Deutschland gehört wohl die Strafbarkeit homosexueller Handlungen zwischen Männern. Vom ersten Inkrafttreten des Paragraphen 175 Strafgesetzbuch am 1. Januar 1872 bis zum Gesetz über die Eheschließung homosexueller Paare, also zur vollständigen Umkehrung der Rechtsauffassung, vergingen 145 Jahre. Anderswo auf der Welt kann Homosexualität nach wie vor zur plötzlichen Kopflosigkeit führen. Nur nicht drüber nachdenken! Es kommt eh‘ nichts dabei raus, außer dem, was wir schon wissen: Gesetze sind kurzlebig.

Von dem Zeitpunkt an, zu dem den Deutschen zuletzt garantiert wurde, jeder habe das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, das war 1949 mit der Verkündung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, bis zu dem Zeitpunkt, als die Kontrolle der Zulässigkeit von Meinungsäußerungen mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz geregelt wurde und Privatunternehmen unter Androhung horrender Strafen zur vorauseilenden Zensur zwangsverpflichtet wurden, vergingen nur rund 70 Jahre. Die nach der Wiederbewaffnung 1956 eingeführte Wehrpflicht wurde 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt und erlitt damit das gleiche Schicksal wie die Vermögenssteuer (1949 bis 1996), die nur 47 Jahre lang rechtmäßig erhoben werden durfte. Beide, Wehrpflicht und Vermögenssteuer, stehen zwar nach wie vor im Gesetzbuch, werden aber nicht vollzogen …

 

Wir können getrost festhalten:

Recht und Sicherheit sind Illusionen, die wie Seifenblasen zerplatzen, und zwar immer genau dann, wenn es darauf ankäme.

Die Geschichte, soweit sie uns überliefert ist – obwohl immer nur von den Siegern geschrieben – lehrt  uns nichts anderes. Man muss sie nur richtig lesen.

Wer heute, in Zeiten der Corona-Panik den Grundrechten nachweint, ist nur formal im Recht. In Zeiten der Krise treten die Naturgesetze wieder in den Vordergrund. Da weicht die Moral dem Fressen, da werden die Schafspelze massenhaft abgestreift. Zum Vorschein kommt der nackte Wilde, mit dem Willen, zu überleben.

Kommen Sie mit auf eine kleine Reise in die Gesetzmäßigkeiten der Menschenwelt. Sie werden feststellen: Es gibt nichts Neues unter der Sonne, außer dieser sich permanent selbst erneuernden Naivität, die vermeint, sich dauerhaft über die Naturgesetze erheben zu können.

 

Gedankenexperiment für Zweifler

Stellen Sie sich vor, es gäbe zwei absolut identische einsame Inseln. Auf der einen strandet ein mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneter Verfassungsjurist, auf der anderen ein geschickter Hausmeister.

Wer hat Ihrer Meinung nach wohl die besseren Chancen, nach drei Monaten noch am Leben zu sein?

Die Kenntnis abstrakter Ideen – und Gesetze sind nichts als abstrakte Ideen – hilft gegenüber der Natur nicht weiter, weil die Natur sich einzig nach ihren eigenen Gesetzen verhält und sich auch vom noch so preisgekrönten Juristen nicht gesetzlich verpflichten lässt, ihm auf einer einsamen, unbewohnten Insel ein paniertes Schnitzel zu servieren.

Da hat der Hausmeister die besseren Chancen. Er wird sich mit den bloßen Händen einfache Werkzeuge und Gerätschaften schaffen. Ohne auch nur einen winzigen Augenblick an das deutsche Jagdrecht zu denken, wird er versuchen, sollte es auf seiner Insel Wildschweine geben, eines der Ferkel zu erlegen, und ist ihm das gelungen, wird er es so gut es geht zerlegen und die besten Stücke über dem offenen Feuer, das zu entfachen seine leichteste Übung ist, in einen Spanferkelbraten verwandeln.

Wenn er Pech hat, ist es ihm bis dahin nicht gelungen, Salz zu finden. Also wird er versuchen, den Geschmack des Fleisches mit einigen Kräutern zu verbessern, die er bei der Erkundung der Insel entdeckt hat. Das ist zwar, will man juristische Haarspalterei betreiben,  auch kein paniertes Schnitzel, aber immerhin ist er mit seinen konkreten Fähigkeiten viel näher dran, am Schnitzel, als der Jurist.

Ändern wir die Versuchsanordnung und lassen den Juristen und den Hausmeister gemeinsam auf der gleichen Insel stranden, so ändert sich in Bezug auf die Überlebenschancen der beiden so lange nichts, wie beide sich aus dem Weg gehen und jeder mit seinen Fähigkeiten versucht, alleine über die Runden zu kommen. Es gibt allerdings zwei weitere Möglichkeiten der Entwicklung, nämlich entweder die Verabredung zur Zusammenarbeit mit der Absicht, alle Probleme gemeinsam lösen zu wollen, oder es kommt zu Feindseligkeiten, die höchstwahrscheinlich zum beschleunigten Ende des Unterlegenen führen – und das wird zweifellos der Jurist sein.

 

Es entsteht hier der durchaus von mir beabsichtigte Gedanke, dass es für den Menschen sinnvoll und nützlich sei, sich in seinem Denken und Handeln – wenigstens in Extremsituationen – nur von den Naturgesetzen leiten zu lassen.

Warum haben wir dann aber ein Grundgesetz und ein Bürgerliches Gesetzbuch und ein Handelsgesetzbuch und einen ganzen Sack voller Sozialgesetzbücher und obendrein auch noch ein „Gute-KiTa-Gesetz“, wenn am Ende doch nur das zählt, was Naturgesetz ist?

Die Antwort auf diese Frage ist einfacher als es scheint. Wir Menschen haben Regeln des Zusammenlebens von Anfang an nur verabredet, um unkontrolliertes Morden und Brennen, Rauben und Plündern zu verhindern, weil es zu oft vorgekommen ist, dass der blöde Kraftprotz den klugen Druiden wegen einer lächerlichen Kleinigkeit erschlagen hat und daraufhin die ganze Sippe ohne die medizinischen Kenntnisse des Druiden auskommen musste.

Es ging nie um den Schutz des Eigentums und des Lebens der (potentiellen) Opfer, sondern immer nur darum, zu verhindern, dass die „Nutznießer“ mit den Opfern auch den Ertrag aus deren Fähigkeiten einbüßen.[1]

Humanität und Nächstenliebe sind nur übergestülpte Konzepte, hinter denen der Schutz des Nutzens des Nutznießers verborgen wird. Wo diese Konzepte jedoch aufgrund fortschreitender Dekadenz in einer Gesellschaft in den Vordergrund treten und die primäre Absicht der Gesetze damit konterkariert wird, wird diese Gesellschaft bald vollständig von der Tischplatte gewischt werden.

Allerdings hat das – mit der Einführung und Durchsetzung von allgemeinverbindlichen Regeln – anfangs überhaupt nicht funktioniert, weil der blöde Kraftprotz jeden, der ihn vom Morden und Brennen, Rauben und Plündern abhalten wollte,  einfach auch totgeschlagen hat, bis keiner mehr wagte, ihn überhaupt auf sein unsinniges und für die Sippe kontraproduktives Verhalten hinzuweisen.

Kommt Ihnen das nicht auch irgendwie bekannt vor? Ist das nicht eine Frühform dessen, was wir heute Durchsetzung der Political Correctness nennen? Nun, wenn nicht, dann nicht. Ich will ja niemanden von seinen Überzeugungen abbringen.

Ein besonders pfiffiges Männlein, dessen Name nicht überliefert ist, muss auf die hinterhältige Idee gekommen sein, den blöden Kraftprotz offiziell zum Chef der Sippe zu machen. Das war er zwar faktisch bis dahin auch schon, doch weil er einfach ein blöder Kraftprotz war, war ihm das so klar nicht.

Das pfiffige Männlein verabredete sich also mit allen andern Männlein (Frauen und Fräulein durften damals noch nicht mitreden) und erklärte ihnen, dass der blöde Kraftprotz, hätte er erst einmal die Ernennung zum Chef akzeptiert, nicht mehr so einfach machen könne, was er wolle, weil er fürchten müsse, sonst einfach wieder abgesetzt zu werden. Als alle Männlein einig waren und sich dafür aussprachen, das zu versuchen, ging das besonders pfiffige Männlein zur Hütte des blöden Kraftprotzes und begann ein Gespräch:

„Eh, Kraftprotz, alles gut bei dir?“

Der Kraftprotz war guter Laune, uns so schlug er nicht gleich zu, sondern knurrte nur mürrisch: „Hau ab, du Wanze, oder ich zerquetsche dich!“

Das besonders pfiffige Männlein war aber flink zu Fuß und wusste, dass es dem blöden Kraftprotz garantiert entwischen könnte, und setzte die Unterhaltung daher ungerührt fort.

„Ich habe eine Neuigkeit für dich!“, sagte es, und der blöde Kraftprotz glotzte besonders blöde, weil er nicht wusste, was gemeint war, mit Neuigkeit.

„Ja, und?“ Mehr fiel dem blöden Kraftprotz nicht ein.

Das besonders pfiffige Männlein sagte: „Wir alle wollen, dass du unser Chef wirst. Wir werden dir feierlich die Treue schwören und alle deine Befehle ausführen, aber dafür musst du dich an unsere Gesetze halten.“

Es dauerte fast einen halben Monat, bis der besonders blöde Kraftprotz begriffen hatte, was es  bedeutete, Chef zu sein. Dann aber hatte er Gefallen daran gefunden und wollte nichts anderes mehr als Chef sein. Nur die Sache mit den Gesetzen, die hat er nicht kapiert. Was aber kein Wunder ist, denn bis heute tun sich alle Chefs und Chefinnen (inzwischen dürfen die Frauen und Fräulein ja auch was sagen) damit schwer, zu kapieren, was es mit den Gesetzen auf sich hat.

Etwas weniger mit Blödheit geschlagen, wäre dem blöden Kraftprotz unter Umständen eingefallen, dass es neben den Gesetzen auch das Alternativlose gibt. Das hätte ihm viel Zustimmung gebracht. Aber ihm genügte es, Kraftprotz zu sein, und damit kam er schließlich auch überall durch ohne ein so kompliziertes Wort wie „alternativlos“ dafür in jene enge Kiste quetschen zu müssen, in der er seinen Wortschatz aufbewahrte.

Sehr schnell begriffen hatte er, dass er von allem, was die Sippe sammelte und jagte, doppelt so viel bekommen sollte wie alle anderen, damit er auch ja groß und stark bliebe. Dafür müsse er aber auch jeden Fremden, der auf das Territorium der Sippe kam, kraftvoll vertreiben. Bei dieser Vorstellung erwachte der von Uderzo noch gar nicht gezeichnete Obelix in ihm und er sah Legionen ebenfalls noch nicht von Uderzo gezeichneter Römern vor sich, die er verprügeln würde, und fand großen Gefallen daran.  

Dass er, wenn gerade keine Römer zur Hand waren, zudem auch Mitglieder der eigenen Sippe, die sich nicht an die Gesetze hielten, nach Kräften verprügeln dürfte, freute ihn sehr. Dass er diese nach Möglichkeit aber nicht totschlagen sollte, ging ihm, wie man heute so schön sagt, hinten am Wurzelchakra vorbei. Nur: Wen von den eigenen Leuten er warum und wann verprügeln sollte, das erschloss sich ihm nicht.

„Woher weiß ich, dass sich jemand nicht an die Gesetze hält?“, wollte der blöde Kraftprotz daher vom besonders pfiffigen Männlein wissen.

„Das sagen wir dir dann schon“, antwortete das besonders pfiffige Männlein.

Ja. Auch das klingt selbst heute noch wohlbekannt in den Ohren. Oder?

Denn schließlich hatte sich das besonders pfiffige Männlein alle notwendigen Gesetze ausgedacht und  aufgeschrieben und die ganze Sippe, so sagte er es dem blöden Kraftprotz, habe ja dazu gesagt.

„Nun sind alle Gesetze für alle gültig. Nur der Chef fehlt uns noch, der sie auch durchsetzt. Wenn es den Chef aber geben wird“, schmierte das besonders pfiffige Männlein dem blöden Kraftprotz Honig ums Maul,  „den Chef, der von allem die doppelte Portion bekommt, dann wird sich jeder dreimal überlegen, ob er noch gegen die Gesetze verstoßen soll, wo doch der große Kraftprotz dann – als Chef, der von allem die doppelte Portion bekommt – das Recht hat, den Übeltäter zu verprügeln.“

So hat ein besonders pfiffiges Männlein die Gesetze geschaffen und die ganze Sippe zu ihrer Annahme bewegt und außerdem noch  dem größten Blödmann das Gewaltmonopol übertragen, weil dieser nämlich der Stärkste war und kein anderer das Gewaltmonopol gegenüber dem blöden Kraftprotz hätte durchsetzen können.

Wer glaubt, das sei inzwischen anders, der möge den Beweis antreten. Nach wie vor gilt das Faustrecht und nur das Faustrecht und nichts als das Faustrecht. Und wenn es einmal eine Zeitlang nicht so aussieht, dann deshalb, weil das besonders pfiffige Männlein den blöden Kraftprotz gar nicht losschicken muss, weil die anderen Männlein ganz ohne Gewaltanwendung seinen Willen tun.

Ja, so ist das heute. Der große Kraftprotz setzt die Gesetze durch, die sich das pfiffige Männlein ausgedacht hat, und, solange  der blöde Kraftprotz das Gewaltmonopol innehat, kann sie keiner ändern, außer dem kleinen pfiffigen Männlein und (rein theoretisch) dem blöden Kraftprotz selbst.

Allerdings besteht für den blöden Kraftprotz gar keine Notwendigkeit, Gesetze zu ändern. Es würde auch nicht funktionieren, weil er ja gar nicht schreiben kann, und sich selbst das pfiffige Männlein zum Schreiben immer der Hilfe angelsächsischer Anwaltskanzleien versichert.

Er kann aber, weil er nach wie vor der Stärkste ist, selbst jedes Gesetz missachten, und jeden der ein Gesetz missachtet, auch ungeschoren davonkommen lassen, und andererseits kann er auch jene Männlein verprügeln und einsperren, die sich über seine Willkür und seine Gesetzesbrüche aufregen, weil er schließlich – und das hat er begriffen, auch wenn es einen halben Monat gedauert hat – der Chef ist und machen kann was er will und dafür auch noch von allem das Doppelte bekommt.

Die Sorge, er könnte als Chef wieder abgesetzt werden,  sollte er sich nicht an die Gesetze halten, hat er bald abgelegt. Einen Chef – und der kann so blöd sein, dass es kracht – kann niemand vom Thron stoßen, es sei denn, es käme jemand daher, der stärker ist als er.

Die vielen Männlein und Fräulein aber dachten bei sich: „Mit dem Chef, den wir jetzt haben, wollen wir zufrieden sein. Wer weiß, wie es uns erginge, wenn ein noch stärkerer, und vielleicht noch blöderer Kraftprotz jetzt Chef würde.“

 

Wenn Sie den Ausführungen bis hierher gefolgt sind, haben Sie vermutlich den letzten Strohhalm der Hoffnung ausgegraben und glauben nun ganz fest daran, unser aktueller Chef sei von ganz anderer Machart und auf alle Fälle das kleinere Übel. Weniger Kraftprotz, mehr so der Verfassungsjurist …

Ganz sicher nicht. Ganze Hühnerhöfe von Verfassungsjuristen rennen derzeit auf ihrer einsamen Insel ohne Rücksicht auf die polizeilich verordneten Abstandsgebote ganz wild durcheinander und führen Klage darüber, dass der Kraftprotz schon wieder weite Teile der Verfassung ignoriert. Weder für Ausgangsverbote noch für die Weitergabe von Gesundheitsdaten, auch nicht für die Schließung von Einzelhandelsgeschäften gäbe es eine Rechtsgrundlage.

Der Hausmeister auf seiner Insel hat den selbstgebauten Schuppen längst voller Toilettenpapier. Auch Nass- und Trockenkonserven lagern da in Hülle und Fülle, Kisten voller Mineralwasser geben ihm ein sicheres Gefühl und auch die Schutzmasken und die Desinfektionsflüssigkeit werden ihm nicht ausgehen.

Und während die ersten Verfassungsjuristen schon röchelnd im Sterben liegen und die allerletzten immer noch behaupten, jetzt Klopapier und Nudeln zu hamstern, sei unsolidarisch, kommt der Kraftprotz daher und verhängt über beide Inseln die totale Quarantäne,  absolute Ausgangssperre inklusive. Damit ist er das Geschwätz der Juristen los und ob die sich, wie der Hausmeister, selbst zu helfen wissen würden, das geht ihm schon wieder ganz knapp am Wurzelchakra vorbei.

 

Natürlich erheben jetzt auch wieder viele kleine Männlein und Fräulein opponierend ihre Stimmen und unterstellen dem Kraftprotz, sein Handeln sei die reine Willkür, es gäbe überhaupt keine Gefahr, und falls doch, dann jedenfalls keine zusätzliche, und wegen der Grippe und wegen der Verkehrstoten und wegen der resistenten Klinikkeime würde auch keine Ausgangssperre verhängt und es ginge doch nur darum, mit dem Virus einen Schuldigen für den unvermeidlichen Crash präsentieren zu können, und so weiter, und so fort …

 

Es ist nicht sicher, eher sogar unwahrscheinlich, dass der blöde Kraftprotz  weiß, warum er tut, was er tut. Sie erinnern sich:

Nur: Wen von den eigenen Leuten er warum und wann verprügeln sollte, das erschloss sich ihm nicht.

„Woher weiß ich, dass sich jemand nicht an die Gesetze hält?“, wollte der blöde Kraftprotz daher vom besonders pfiffigen Männlein wissen.

„Das sagen wir dir dann schon“, antwortete das besonders pfiffige Männlein.

Die besonders pfiffigen Männlein, die ein Teil sind von jener Kraft, die stets das Gute will, die sind ja nicht ausgestorben und finden immer wieder einen Kraftprotz, der dafür sorgt, dass ihr Wille geschehe. Einesteils, indem Gesetze erlassen werden und ihre Befolgung durchgesetzt wird, andererseits indem – wenn es denn einen Vorteil verspricht – die gleichen Gesetze außer Kraft gesetzt oder, sollte Eile geboten sein, einfach missachtet werden.

Gesetze sind Menschenwerk, von daher fehlerhaft.

Das Grund- ist kein Naturgesetz. Was soll’s also?

 

So geht das jetzt seit mindestens fünftausend Jahren. Schon als Gilgamesch die Mauer von Uruk errichten ließ, war es nicht anders.

Seit mindestens fünftausend Jahren überlegen Verfassungsjuristen, wie man es besser machen könnte. Überliefert sind die gescheiterten Versuche Platons, der ja nicht dumm war, den Tyrannen Dionysius mit einer neuen Staatslehre zu beglücken. Gegenwärtig erleben wir, wie  die Konstruktion moderner Demokratien vor einem Virus in die Knie geht, weil sich herausstellt, dass die hehren Ideale von Humanität, Menschenrechten und Demokratie nicht in der Lage sind, gegen die Übermacht der auf sie zu rollenden Realität zu bestehen.

Seit mindestens fünftausend Jahren sind es die blöden Kraftprotze, welche die Massen beherrschen, weil sie  von pfiffigen Männlein ausersehen wurden, Chef zu spielen.

Seit mindestens fünftausend Jahren sind Männlein und Fräulein froh, von genau dem Kraftprotz regiert zu werden, der sie regiert, denn dieser, so glauben sie, sei allemal das kleinere Übel, und Besseres käme selten nach.

Seit mindestens fünftausend Jahren sind es die geschickten Hausmeister, deren Sinn für das Praktische ihnen hilft, sich in guten, wie in schlechten Zeiten irgendwie durchzuwursteln.

 

Was also soll man den Menschen für die nächsten tausend Jahre empfehlen?

Die Rolle des pfiffigen Männleins, die schaffen nur ganz wenige. Man kann sich ihm aber andienen, man kann ihm Tipps geben, man kann ihn ganz offiziell beraten, man kann in seinem Auftrag Informationen verbreiten, oh – man kann viel für ihn tun. Allerdings wird das pfiffige Männlein dich fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel, und niemals zugegeben, dich auch nur entfernt gekannt zu haben, wenn du ein Problem für ihn werden könntest. Es ist gefährlich, für das pfiffige Männlein zu arbeiten. Du verkaufst ihm deine Seele – und bekommst sie nie wieder zurück, auch nicht, wenn das Männlein dich erselbstmorden lässt.

Auch den blöden Kraftprotz gibt es nur in einer Ausfertigung. Klar, der Kraftprotz kann nicht mit Millionen fertig werden. Er braucht Helfer. Beamte, die die Kontrolle ausüben und feststellen, wer  verprügelt werden darf, weil der die Gesetze des pfiffigen Männleins übertreten hat, Polizisten, die gedrillt sind, Befehle auszuführen, auch Soldaten, aber auch Schlägertrupps, Saboteure, Terroristen, alles was hilft, die Schafe in die richtige Richtung zu treiben. Wer dem Kraftprotz dient, ist einigermaßen vor ihm sicher, aber der Job ist beschissen und das Gehalt der Masse seiner Helfer noch beschissener. Du musst brutal sein können, abgestumpft. Wenn du nicht mehr funktionierst, schleppt man dich als Kollateralschaden mit und nennt es Kameradschaft. Nur das eigene Nest, das darfst du nicht beschmutzen. Da musst du dichthalten, sonst bist du tot. Ist so.

Natürlich kannst du einfach nur Schaf sein. Grundbedürfnisse. Brot und Spiele, Arbeit und Rente. Nichts wagen, nichts gewinnen. Den Kopf unten lassen. Nicht blöken, wenn sie kommen, um dich zu scheren. Nicht blöken, wenn sie die Lämmer holen, für den Festtagsbraten. Nicht blöken, nicht blöken, immer nur geben und am Ende ausbluten. Ja. Du hast als Schaf auch schöne Tage. Fettes Gras und blauer Himmel. Bestimmt. Und der Hund beißt nur im Notfall wirklich fest zu. Dich tierärztlich versorgen lassen zu müssen, würde nämlich viel zu viel kosten. Das bringt die Schäferei nicht ein, sagt das pfiffige Männlein. Daher pass auf, dass du dir nie ein Bein brichst. Der gute Hirte wird dich nämlich erlösen, von deinen Schmerzen. Schneller als dir lieb ist.

 

Vielleicht würde es dich begeistern, Verfassungsjurist zu werden. Nein, nein. Nicht so ein einfacher Feld-, Wald- und Wiesenjurist. Die pfiffigen darunter sind alle beim pfiffigen Männlein und jene, die ihr Pensum nur auswendig gelernt haben, über die freut sich der blöde Kraftprotz. Es muss schon was Abgehobenes sein, womit niemand was anfangen kann. Verfassungsjurist, oder gleich Philosoph, aber wenn, dann ein richtiger, einer der Bücher schreibt, die wieder nur von Philosophie-Studenten gelesen werden. Keiner, der sein bisschen Weisheit in Talkshows versilbert, diese prechtigen Gebrauchsphilosophen stehen beim pfiffigen Männlein auf der Payroll. Dumm ist nur, dass der Verfassungsjurist niemals ans Verfassungsgericht gelangt, denn dafür werden die Richter vom Kraftprotz ausgesucht, und der braucht dort alles andere als Verfassungsjuristen, der braucht Rechtsprecher, die funktionieren, und die bekommt er auch meistens, bis auf hin und wieder einen Widerspenstigen, dem es vorher nicht anzusehen war.

Dumm ist auch, dass ein Verfassungsjurist einen Installateur holen muss, wenn die Klopapierrolle im Halter leer ist und eine neue eingesetzt werden muss. Dumm ist auch, dass ein Verfassungsjurist so weit vom wirklichen Leben entfernt ist, dass er das, wofür er eigentlich da ist, gar nicht leisten kann, so ganz ohne Realitätsbezug.

 

Wer keinen Ehrgeiz hat, nicht mit dem pfiffigen Männlein dinieren will und auch nicht ein Anführer einer Horde von Helfern des blöden Kraftprotzes sein will, wer zu klug ist, um sich mit dem Schafsein zufrieden zu geben und nicht klug genug, um Verfassungsjurist oder Philosoph zu werden, für den ist die Hausmeisterei das Beste, was ihm passieren kann.

Und wenn er geschickt ist, und Ahnung hat, von seinem Job, ist er ein allseits beliebter und geschätzter Zeitgenosse, der nahe dran ist, wirklich frei zu sein.

 

Sorry.
Ich habe Ihre Profession nicht eigens erwähnt?

Versuchen Sie einfach, sich in den Graustufen zwischen zwei Extremausprägungen einzusortieren. Das funktioniert immer.

Rentner, egal was sie im Berufsleben geleistet haben, tendieren übrigens grundsätzlich dazu, wenigsten ein bisschen hausmeisterlich zu arbeiten. Manche kommen da ganz gut zurecht, andere begnügen sich damit, es wenigstens versucht zu haben.

 

[1] Diese Aussage beschreibt sehr viel komplexere Beziehungen als auf den ersten Blick erkennbar ist. Denken Sie nur daran, dass auch „der Nutznießer“ seinerseits wieder von  Nutznießern umzingelt ist.


Diesen Text gibt es sinngemäß auch in einer ausführlichen Fassung, geschrieben in „seriöser Sprache“.

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