Es ist das (ich weiß nicht, vielleicht auch schon verbotene) Lied von den Wildgänsen, die durch die Nacht rauschen, das mir eingefallen ist, als die Posse mit dem durchbrochenen Nachtflugverbot die halbe Republik erheiterte, während die andere Hälfte sich in heftigste Empörung hineinsteigerte.
Schon Walter Flex, der die „Lyrics“ dieses deutschen Soldatenliedes 1915 als Horchposten in vorgeschobenen Linien an der Front in stockfinsterer Nacht – nach Gefühl, zu sehen waren Zettel und Stift nicht – notierte, wusste um den Lärm, den Massen solcher Flugobjekte verursachen, obwohl zu seiner Zeit noch kein einziger Kampfjet der dritten oder vierten Generation über den Himmel zog, als er den durch die Nacht ziehenden Gänsen attestierte, sie zögen „mit schrillem Schrei“ nach Norden. Da kommen durchaus auch einige DezibelA zusammen.
Aber bis heute ist noch nicht einmal ein Brüsseler Bürokrat auf die Idee gekommen, ein Nachtflugverbot für Gänse zu erlassen. Trotz des ruhestörenden Lärms. Die WELT berichtete im Februar 2011 mit diesen Worten darüber: „Die Geräuschkulisse ist ohrenbetäubend. Es klingt wie ein Kakophonie aus Trompeten, Trillern und Pfeifen. Mehr als 30.000 Graue Kraniche …“
Gut, das waren Kraniche, aber die unterscheiden sich nicht wirklich von ziehenden Wildgänsen. Außerdem, das muss ergänzend vermerkt werden, geben sich Wildgänse mit Kurzstreckenetappen von weniger als 200 km gar nicht erst ab. Etwa 1.000 km am Stück, das ist bei Wildgänsen die Regel, auch nachts. Von domestizierten Gänsen weiß man es nicht so genau. Denen stutzt man die Flügel, wenn sie nicht gleich in großen Hallen ohne Flugmöglichkeiten gehalten werden. Ob Wildgänse in Ausnahmefällen auch mal ganz kurze Strecken fliegen – sie müssten sonst ja zu Fuß gehen, weil sie weder Autos besitzen, noch die Bahncard 100 für die 1. Klasse – weiß ich nicht. Ich denke, sie teilen sich das bei ihrer Routenplanung so ein, dass Kurzstreckenflüge vollständig vermieden werden können. Da sieht man wieder einmal, dass sich Naturbeobachtung lohnt, weil man eben auch von einer Wildgans noch viel lernen kann.
Noch mehr könnte man in diesem Zusammenhang vom Uhu lernen. Der zieht nicht so weit herum und fliegt, wenn er fliegt, vollkommen lautlos. Nicht, dass das Teile der Bundesregierung nicht auch könnten. Zumindest Boris Pistorius hat es gerade wieder geschafft, gänzlich unbemerkt eine „riesige Waffen-Lieferung“ an die Ukraine zu übergeben. Nur dem Merkur ist schon aufgefallen, dass dies nach erfolgter Tat auf der Website der Bundesregierung verkündet wurde:
10 Leopard 1A5
20 Marder
2 Biber (Brückenlegepanzer)
2 Dachs (Pionierpanzer)
4 Wisent 1 (Minenräumpanzer)
+ reichlich Munition
Vielleicht sollte sich Frau Bundesministerin Baerbock bei Herrn Bundesminister Pistorius erkundigen, wie man weitaus größere Lieferungen als einen Ein-Personen-Transport über Strecken von weniger als 200 Kilometern auch nachts so geräuschlos über die Bühne bringen kann, dass weder der politische Gegner noch die – gedanklich noch beim Naturschutz hängengebliebenen – eigenen Parteimitglieder Wind davon bekommen und ihr säuerliches Süppchen daran kochen.
Wenn wir schon eine Außenministerin haben, die dankenswerter Weise großen Aufwand betreibt, stets eine gute Figur zu machen und ein strahlendes Lächeln zu zeigen, dann sollte doch bitte irgendwer (Ricarda Lang vielleicht, oder Claudia Roth, nicht der Kanzlerkandidatenschaftskonkurrent) darauf achten, dass dieser durchweg positive optische Eindruck nicht durch zum Skandal aufgeblasene Reisegewohnheiten vollständig entwertet werden kann.
Ich möchte sie jedenfalls, wenn sie 2025 ihr Regierungsamt verliert, in rundweg guter Erinnerung behalten, ihren feministischen Eifer, ihren Wortwitz, ihr unbefangenes Auftreten gegenüber den großen Staats- und Regierungschefs der ganzen Welt, gekrönt von der Ausstrahlung visagistischer Kunstfertigkeit, und nicht als nicht vom Nachtflugverbot betroffene Wildgans.