Aus der Welt der Wissenschaft – (Satire)

Eine Aufsehen erregende Studie ist letzte Woche im Wissenschaftsmagazin „The Femcet“ erschienen. Caroline Sanftleben-Wüst,  Stephanie von Springlove-Deister und 11 weitere Forschende haben in akribischer Kleinarbeit 231 repräsentativ ausgewählte Texte aus den Rubriken „Politik“, „Wirtschaft“, „Sport“ und „Feuilleton“ von drei großen Tageszeitungen daraufhin untersucht, inwieweit sich darin Ausgewogenheit, bzw. Unausgewogenheit in der Berücksichtigung binärer und nicht binärer Geschlechter im Zeitraum der letzten fünf Jahre verändert haben.

EWK hat exclusiv mit Caroline Sanftleben-Wüst gesprochen.

EWK: Frau Sanftleben-Wüst, wie …

CSW: Nennen Sie mich doch bitte einfach Caro.

EWK: O.K., Caro, wie sind Sie auf diese hochinteressante Frage gestoßen?

CSW: Die Thematik liegt ja im Grunde seit geraumer Zeit offen auf dem Tisch. Die zu lösende Frage war eigentlich mehr: Welche Methodik würde zu validen Ergebnissen führen? Wir haben einige Monate damit zugebracht, statistische Methoden aus den Bereichen Soziologie und Astronomie auf ihre Tauglichkeit für diese spezielle Aufgabenstellung zu überprüfen, bis wir beschlossen haben, eine eigene Methodik zu entwickeln, die dann auch zu diesen überzeugenden Ergebnissen geführt  hat.

EWK: Können Sie kurz schildern, möglichst in einfacher Sprache, was das Besondere an dieser Methode ist?

CSW: Das ist nicht einfach, aber ich werde es  versuchen. Sehen Sie, das Problem liegt in der Subjektivität der Forschenden. Die muss eliminiert werden. Da finden Sie zum Beispiel im Wirtschaftsteil einen Bericht über Gründerinnen. Da würde man ja zunächst sagen, ja, hier wird binär-feminim positiv herausgestellt. Den Artikel hat jedoch ein Mann geschrieben. Das könnte dazu verleiten, den ganzen Artikel als binär maskulin zu bewerten. Wir sind also zu dem Schluss gekommen, auf einer tieferen Ebene anzusetzen.

EWK: Das heißt: Nicht der Tenor eines Artikels, sondern die offenen oder verdeckten Wertungen in Absätzen oder Sätzen mussten betrachtet werden?

CSW: Diesen Irrweg – ich erkläre das gleich – haben wir auch zunächst beschritten. Aber  dann kam die Sache mit dem Ball und der zerbrochenen Fensterscheibe. Fand sich – als feuilletonisches Einschiebsel – im Sportteil. Da denkt ja jeder erst mal, der Ball wurde von einem männlichen Wesen ins Fenster geworfen. Da schwingt Brutalität mit. Erst wenn man genauer hinsieht, stellt man fest, dass vollkommen unklar ist um welche Art von Ball es sich gehandelt hat. Golfball? Tennisball? Fußball? Medizinball? Und dann geht es ja erst richtig los, unterstellt man, es sei ein Fußball gewesen, dann könnte es sich um Damenfußball gehandelt haben, wobei sich der Autor spöttisch darüber auslässt, dass die Frauenfußballmannschaften gerne mal das Tor mit einer Fensterscheibe verwechseln. Da merkt  man schnell, dass die Einzelbetrachtung von Sätzen ebenfalls in die Irre führt. Stattdessen wieder auf den gesamten Artikel zurückzugreifen, hat sich nach unseren bereits gemachten Erfahrungen quasi von selbst verboten.

EWK: Da bleiben ja nur noch die Worte …?

CSW: Worte sind wie Sätze. Sie ergeben und tragen einen Sinn, und fordern damit ebenfalls zu subjektiven Wertungen heraus. Nein. Unser Verfahren beruht auf dem System der selektiven Buchstabenmarkierung.

EWK: Sie meinen, die Buchstaben eines Textes sagen mehr über die sexistischen Intentionen aus als Worte, Sätze oder der gesamte Artikel?

CSW: Wie ich eingangs sagte: Es ist nicht einfach verständlich zu machen. Aber es geht darum, das Subjektive vollständig zu eliminieren und das gelingt nur, wenn – aus dem Mess- und Zählbaren selbst – kein subjektives Werturteil abgeleitet werden kann.

EWK: Und wie sind Sie dabei konkret vorgegangen?

CSW: Es liegt eigentlich auf der Hand, aber oft sieht man ja den Wald vor lauten Bäumen nicht. Es gibt für unsere Fragestellung exakt drei Konsonanten, deren Verwendung auf die unbewussten, genderspezifischen Assoziationen der Verfassenden beim Schreiben hindeuten. Das sind „M und m“, „W und w“, sowie „D und d“. Sie verstehen jetzt?

EWK: Nun ja. W für weiblich, m für männlich, d für divers. Oder meinen Sie etwas ganz anderes?

CSW: Nein, nein. Sie sind auf der richtigen Fährte. Ich zeige Ihnen jetzt eine unserer Ergebnistabellen, sozusagen das verdichtete Ergebnis:

Alle Quellen (m+w+d=100%) % m % w % d
Politik 62,5 21,5 16,0
Wirtschaft 59,1 23,9 17,0
Sport 72,7 18,3 9,0
Feuilleton 48,2 34,8 17,0
Insgesamt 60,6 24,6 14,8

EWK: … und was sagt uns das? Ich meine, welche Konsequenzen sollten gezogen werden?

CSW: Zunächst einmal ist dieses Ergebnis erschütternd, zeigt es doch mit Zeitungen aus dem April 2022 ein fast vollständig identisches Ergebniss wie mit den Zeitungen aus dem Vergleichszeitraum, also vom April 2017. Damit ist bewiesen, dass sämtliche halbherzigen Versuche, die Sprache durch Umschreibungen (Radfahrende) und spezielle Genderzeichen (Radfahrer_innen, Radfahrer*innen, Radfahr-X) zu neutralisieren, praktisch wirkungslos verpufft sind. Wir haben aber jetzt die Lösung.

EWK: Ich bin gespannt.

CSW: Wir nutzen unsere Analyse-Methode auf die einfachst denkbare Weise, um die Verhältnisse, im ersten Schritt zwischen m und w, einfach umzukehren. Ich meine, wenn schon Geschlechter austauschbar sind, dann sollte das mit Buchstaben doch erst recht möglich sein.

Im engen Kontakt mit Microsoft konnten wir erreichen, dass mit dem nächsten Microsoft-Patch-Day für alle Tastaturen aller Hersteller, sowie für diverse Spracheingabefunktionen, neue Treiber eingespielt werden, die vollautomatisch aus jedem „m“ ein „w“ und aus jedem „w“ ein „m“ generieren. Gilt für Großbuchstaben selbstverständlich gleichermaßen. Wir erwarten uns davon einen ganz erheblichen Aha-Effekt, der mit wachsendem Verständnis für den noch zu überwindenen „Gender-Charakter-Gap“ einhergeht und auch unserer doch etwas angestaubten Sprache sehr gut tun wird.

EWK: Ich kann mir das noch gar nicht vorstellen. Wie wird das aussehen?

CSW: Wir arbeiten seit Mitte Mai mit der Beta-Version. Ich habe Ihnen einen Mustertext mitgebracht:

Gebe zu bedenken, Frau Giffey, dass Ihr Geistesblitz, die Wiethöhe an das Einkowwen des Wieters zu koppeln, von den Kritikern vor allew deshalb nicht verstanden mird, meil Sie in Ihrer Arguwentation einzig den Vorteil für jene Wieter herausstellen, die wehr als 30 % ihres Einkowwens für Wiete aufmenden wüssen. Das ewpfinden viele als unausgemogen, iw Extrewfall sogar als ungerecht.

Dabei steckt doch sehr viel wehr in dieser Idee.

wan darf näwlich nicht einfach nur an jene Wieter und deren Verwieter denken, die Wietverträge abgeschlossen haben, melche die neue 30-Prozent-Grenze überschreiten. Das ist sozialpolitisch eine halbe Sache, ohne Hand und Fuß. Erst menn wan auch jene Wieter einbezieht, die meniger als 30 Prozent ihres Einkowwens für die Wiete aufmenden, mird die Sache doch rund.

Für den Anfang könnte wan bei den Billigwietern den Unterschied zmischen tatsächlich vereinbarter Wiete und der Berliner-30-Prozent-Wiete als geldmerten Vorteil ansehen und diese Differenz der Einkowwensteuer untermerfen.

Zudew kann wan deren Verwietern durch das Finanzawt witteilen lassen, dass bei Verwietungen zu Konditionen, die uw einen gemissen Prozentsatz unterhalb der warktüblichen Wiete liegen, die Ertragsabsicht regelwäßig nicht zu erkennen sei, es sich also uw ein „Hobby“ handle, meshalb die Aufmendungen für die Wietmohnung steuerlich nicht wehr geltend gewacht merden können. Unter Uwständen könnten auch die enstprechenden Steuerbescheide auf Jahre hinaus rückmirkend miderrufen und entsprechende Nachforderungen erhoben merden. Das ist ja bereits Praxis, konnte nur noch nie in dieser Klarheit und über den gesawten Wietmohnungsbestand nachgemiesen merden.

Iw zmeiten Schritt, sobald die entsprechenden organisatorischen und technischen Voraussetzungen geschaffen sind,  könnte die neu zu schaffende Wietpreisprüfstelle eine autowatisierte Pflicht-Tausch-Börse installieren. Diese sollte von den Arbeitgebern wonatlich die Netto-Lohnabrechnung aller Beschäftigten wit Mohnsitz in Berlin erhalten, und von den Verwietern wonatlich eine Weldung über alle in Berlin verwieteten Mohnungen wit den Nawen der Wieter und der iw Wietvertrag ausgemiesenen Kaltwiete. Merden diese Daten per KI witeinander abgeglichen, lässt sich näwlich nicht nur Klarheit darüber herstellen, melcher Wieter exakt 30 Prozent seines Einkowwens für die Wiete aufmendet, melcher wehr als 30 Prozent zahlt und melcher unter der 30 Prozent Warke bleibt, es ist auch unwittelbar wöglich, „Gerechtigkeitsherstellungsuwzüge“ anzuordnen, genauer sagt, verbindliche Vermaltungsakte zu erlassen, wit denen der Zmangstausch von Mohnungen, einschließlich der vorsorglichen Buchung der erforderlichen Kapazitäten der Uwzugsunternehwen, in die Mege geleitet mird, bis alle Wieter eine Mohnung haben, deren Wiete zmischen 29,51 und 30,49 Prozent ihres Einkowwens liegt.

EWK: Das wird Probleme geben, fürchte ich.

CSW: Wieso? Es liegt ja nicht mehr in der freien Entscheidung des Einzelnen. Mit dem Treiberupdate werden alle gleichzeitig die neuen Schreibweisen verwenden – und ans Lesen der neuen Schreibweise werden sich die Leute schnell gewöhnen. Vergessen Sie nicht: Das sind immer noch hauptsächlich Deutsche. Gut. Einige werden herumjammern, vermutlich die gleichen die sich immer noch nicht mit der Rechtschreibreform abgefunden haben. Aber die spielen keine Rolle. Die werden einfach überrollt.

EWK: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.